
Das heutige Lenbachhaus hat Florine Stettheimer (1871-1944) einst schwer beeindruckt – die New Yorker Malerin kam zwischen 1906 und 1914 öfter nach München. In der früheren Villa des Künstlerfürsten Franz von Lenbach bewunderte sie, wie er seine Gemälde in den Alltag integrierte; die Bilder standen auf Staffeleien neben Tisch und Bett. Mit ihren eigenen Arbeiten verfuhr sie später genauso.
Info
Florine Stettheimer
27.09.2014 - 04.01.2015
täglich außer montags
10 bis 18 Uhr,
dienstags bis 21 Uhr
in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau, Luisenstraße 33, München
Ausgedehnte Europa-Reisen
Die Bankiers-Tochter wuchs mit ihren vier Geschwistern zunächst in New York auf; als der Vater sich von der Familie trennte, zog die Mutter mit den Kindern nach Stuttgart und Berlin. 1890 kehrten sie in den big apple zurück, wo Florine Kunst studierte, ehe das Sextett 1898 erneut auf Reisen durch Europa ging.
Diaschau der Werke von Florine Stettheimer + Musik von Sophie Hunger; © alrovelldelou2/ Youtube
Porträts von Familie + Gesellschafts-Größen
Erst 1914 übersiedelten die Stettheimers endgültig nach Manhattan. Die Mutter und ihre drei Töchter waren unzertrennlich: Carrie, Ettie und Florine heirateten nie und verbrachten ihr privilegiertes Leben als weibliche Dandys zwischen Oberschicht und Künstler-Szene. Als Malerin porträtierte Florine Größen der New Yorker Gesellschaft: ihren engen Freund Marcel Duchamp, den Fotografen Baron de Meyer oder den Kritiker Carl van Vechten.
Vor allem aber malte sie ihre Angehörigen: ihre Mutter, während sie Patiencen legt; Schwester Carrie mit Zigarette oder Ettie im roten Kleid. Florine selbst wurde begeisterte Innenausstatterin: Sie gestaltete ihre Räume ganz in Weiß, drapierte Vorhänge aus Cellophan und ließ Bilderrahmen anfertigen, die wie überdimensionierte Kuchen-Spitze aussahen.
Kinderbuch-Palette + androgyne Eleganz
Stettheimer liebte Blumen-Stilleben und hielt das Stadtleben von New York in starkfarbigen Wimmelbildern fest. Meist lenkt ein Vorhang oder eine Markise das Auge ins Bild, was den Eindruck verstärkt, es handele sich um Einblicke in eine geschlossene Gesellschaft. Die Farbpalette ist bunt wie im Kinderbuch: knalliges Gelb, Lila, Rot und blasses Blau oder Grün.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Visions of Modernity – Impressionismus und Klassische Moderne" über die New Yorker Kunst-Szene Anfang des 20. Jahrhunderts im Deutsche Guggenheim, Berlin
und hier eine Besprechung der Ausstellung "Marsden Hartley: Die deutschen Bilder 1913-1915" über Proto-Pop-Art des US-Malers in der Neuen Nationalgalerie, Berlin
und hier einen Beitrag über den Film “Der große Gatsby” – Roman-Verfilmung über die “Goldenen Zwanziger” in New York von Baz Luhrmann mit Leonardo DiCaprio
und hier einen Bericht über die Ausstellung "Carlo Mollino – Maniera moderna" – Retrospektive des italienischen Dandy-Designers im Haus der Kunst, München.
Keine Karriere trotz Kontakten
Aus diesem upper class ghetto bricht nur das Bild „Asbury Park South“ (1920) aus: Der gleichnamige Strandabschnitt war einer der wenigen, der in den USA der 1920er Jahre Schwarzen offen stand. Florine und ihr Kreis suchten ihn auf; sie zeigt fast naiv die vermeintliche Normalität beim dortigen Baden.
Später entwarf sie auch Bühnenbild und Kostüme für die Oper „Four Saints in Three Acts“ (1934). Ein eigenes Ballett-Projekt wurde dagegen nie aufgeführt; die Entwürfe sind ebenfalls im Kunstbau zu sehen. Obwohl Florine Stettheimer alle nötigen Kontakte zu den rich and famous von New York hatte, machte sie keine Karriere im Kunstbetrieb.
Avancierter Eskapismus
Ihre einzige Galerie-Ausstellung war ein flop; danach zeigte sie ihre Bilder nur noch zuhause vor ausgewähltem Publikum. Stettheimer hatte das Zeug zur Stil-Ikone, aber als Künstlerin blieb sie eine Randerscheinung. Sie lebte einen avancierten Eskapismus und schuf sich ihre eigene, versponnene Welt, in der eine fein abgestimmte Ästhetik zum Ausdruck kommt – jedoch stets die Form über die Inhalte dominiert.