
Nachbarn waren Paul Klee (1879-1940) und Wassily Kandinsky (1866-1944) schon Jahre vor dem Ersten Weltkrieg in München-Schwabing; dort lernten sie sich 1911 kennen. Später wurden sie Kollegen am Bauhaus in Weimar: Walter Gropius berief Klee 1921 dorthin, Kandinsky folgte im Jahr darauf.
Info
Klee & Kandinsky – Nachbarn, Freunde, Konkurrenten
21.10.2015 - 24.01.2016
täglich außer montags
10 bis 20 Uhr
im Kunstbau der Städtischen Galerie im Lenbachhaus, Luisenstraße 33, München
Katalog 32 €
Zweite Künstlerfreundschaft d. J.
Ihre persönliche Nähe sorgte immer wieder für wechselseitige Inspiration, die jede aufkommende Konkurrenz überwand. Das zeigt die ihnen gewidmete Ausstellung im Münchener Lenbachhaus; es beschäftigt sich bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr mit einer großen Künstlerfreundschaft, nach „August Macke und Franz Marc“ im Frühling.
Interview mit Kuratorin Christine Hopfengart + Impressionen der Ausstellung; © Zentrum Paul Klee
In Kooperation mit Zentrum Paul Klee
Obwohl der Gedanke nahe liegt, werden erstaunlicherweise die Œuvres von Klee und Kandinsky zum ersten Mal einander gegenübergestellt. Diese Schau entstand in Zusammenarbeit mit dem Zentrum Paul Klee in Bern, wo sie bereits im Spätsommer zu sehen war. Aus eigenen Beständen steuert das Lenbachhaus vorwiegend Frühwerke von Klee bei.
Im unterirdischen „Kunstbau“ sind mehr als 190 Arbeiten der beiden Avantgarde-Künstler zu sehen, darunter viele Leihgaben; sowie Fotografien und Dokumente. Dabei werden in sieben Abschnitten Leben und Werk der Pioniere der Abstraktion miteinander dialogisch verknüpft. So hängen Bilder nebeneinander, die sich die Künstler gegenseitig geschenkt haben, etwa Klees „Rhythmus einer Pflanzung“ und Kandinskys „Kühle Verdichtung“; sie scheint gefährlich rot-grün zu glühen.
Von Bach + Schönberg inspiriert
Anfangs zeichnete der leise Ironiker Klee vorwiegend, wie das feinnervige Blatt „Unheimlicher Moment“ von 1912 belegt. Farben setzte er nur vorsichtig ein, etwa beim Aquarell „Im Steinbruch“ (1913). Dagegen schritt der pathetische Idealist Kandinsky in großen Sprüngen zur Auflösung des Gegenständlichen in reine Formen und Farben – so in „Paradies“ oder „Impression IV“, beide von 1911.
Für beide Künstler war Musik eine wichtige Inspirationsquelle. Als virtuoser Violinist malte Klee Bilder mit Titeln wie „Im Bachschen Stil“ oder „Notturno für Horn“. Derweil übertrug Kandinsky Kompositionen von Arnold Schönberg, dem Erfinder der Zwölfton-Technik, synästhetisch auf die Leinwand.
Klee flieht nach Basel, Kandinsky nach Paris
In den späten 1920er Jahren hatten sich die Freunde formal derart einander angenähert, dass man ihre Bilder nur schwer voneinander unterscheiden kann. Das zeigen etwa die Blätter „Maske mit Fähnchen“ und „Aufrecht“, die beide 1930 jeweils in Spritztechnik ausführten. Zugleich verharren ihre Motive immer öfter in der Schwebe; ein Abschnitt ist mit „Balance und Bewegung“ überschrieben.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Nach Ägypten! Die Reisen von Max Slevogt und Paul Klee" - im K 20, Kunstsammlung NRW, Düsseldorf
und hier eine Besprechung der Ausstellung “Kosmos Farbe: Itten – Klee” über die Bauhaus-Künstler Johannes Itten + Paul Klee im Martin Gropius Bau, Berlin
und hier einen Beitrag über die Ausstellung “Visions of Modernity” über “Impressionismus und Klassische Moderne” mit Werken von Wassily Kandinsky im Deutsche Guggenheim, Berlin.
Mehr Klee als Kandinsky konfisziert
Sein Gemälde „Entwicklung in Braun“ von 1933 spiegelt seinen Blick auf die Zeitläufte ähnlich düster wieder wie das unheilvolle „Lumpengespenst“ vom Klees aus demselben Jahr. Dass 1937 in deutschen Museen 102 Werke von Klee als „entartet“ beschlagnahmt wurden, während von Kandinsky „nur“ 57 Arbeiten aus öffentlichen Sammlungen verschwanden, zeigt auf groteske Weise, welchen Stellenwert beide Künstler in der Weimarer Republik hatten: Der spielerische Klee war deutlich populärer als der theorielastige Kandinsky.
Ihm fiel es in Frankreich schwer, Fuß zu fassen, da seine abstrakte Kunst hier wenig Anerkennung fand. Doch unverdrossen schuf er sein Spätwerk in leuchtenden Farben: Wie unter dem Mikroskop treffen organische Strukturen aufeinander. 1937 sahen sich beide ein letztes Mal, als Kandinsky seinen Freund in der Schweiz besuchte.
Dieses Treffen hat Klee offenbar mit fast überirdischer Energie erfüllt: In den letzten drei Jahren, die ihm noch verblieben, fertigte er weit mehr als 1000 Bilder an. Darunter sind die größten Formate seines gesamten Schaffens – ausgerechnet in der Enge einer Drei-Zimmer-Wohnung.