
„Roms letzter Rivale“ – der Ausstellungstitel klingt hochdramatisch, nach Kampf der Giganten. Doch man muss hinzufügen: in Italien. Die Samniten zählten zu den zahlreichen italischen Völkern, die spätestens ab 1000 v. Chr. über die Alpen auf die Apenninen-Halbinsel eingewandert waren. Jedes von ihnen hatte seine eigene Kultur und Sozialordnung – bis sie allesamt von Rom unterworfen und vollständig romanisiert wurden. Außer Grabbeigaben und spärlichen Bauruinen ist von den meisten nichts geblieben.
Info
Samnium und die Samniten –
Roms letzter Rivale
11.05.2022 - 25.09.2022
täglich außer montags
10 bis 17 Uhr,
mittwochs bis 20 Uhr
in den Staatlichen Antikensammlungen, Königsplatz 1, München
Weitere Informationen zur Ausstellung
Oskisch liest man von rechts nach links
Die Samniten sprachen Oskisch, das in Mittel- und Süditalien verbreitet war. Sie hatten sogar ihre eigene, vom Etruskischen abgeleitete Schrift, die von rechts nach links gelesen wurde. Rund 650 Inschriften sind erhalten; die meisten sehr kurz und aus einem kleinen Repertoire: Bau-, Grab- und Weihinschriften, Verträge und Gesetze – oder Fluchtäfelchen. Jedenfalls nicht genug, um Grammatik und Vokabular des Oskischen zu rekonstruieren; es bleibt zum großen Teil unbekannt.
Impressionen der Ausstellung
Raue Gesellen + tapfere Krieger
Die historische Landschaft Samnium lag in den südlichen Apenninen, auf dem Gebiet der heutigen Region Molise samt angrenzenden Teilen von Kampanien, Latium und Apulien. Dort siedelten die Samniten, nachdem sie sich laut ihrer Ursprungssage von den nördlich wohnenden Sabinern abgespalten hatten. Die Gegend ist bergig und eher karg; in höheren Lagen wurde Weidewirtschaft mit Schafen und Ziegen betrieben. In den Tälern war Ackerbau möglich.
Bei römischen Autoren galten die Samniten als raue Gesellen und tapfere Krieger, die sich oft als Söldner verdingten. Diesem Image verdankten sie auch ihren ersten und einzigen großen Auftritt in der Geschichtsschreibung. Im Laufe des 5. Jahrhunderts v. Chr. drangen sie ins westlich gelegene Kampanien vor und eroberten die Städte Capua sowie Pompeji und Cumae an der Küste. Nur das griechische Neapolis blieb unabhängig. Dabei gerieten sie in Konflikt mit der Römischen Republik, die ihren Einflussbereich nach Süden ausdehnte.
Kaudinisches Joch hilft wenig
Beide Mächte kämpften in drei Samnitenkriegen zwischen 343 und 290 v. Chr. miteinander. Dabei errangen die Samniten im zweiten Krieg 321 v. Chr. einen großen Sieg: Bei den Kaudinischen Pässen kesselten sie das römische Heer in einer engen Schlucht ein. Alle Feinde niedermetzeln wollten die Samniten nicht, sie frei abziehen lassen ebenso wenig – also nahmen sie ihnen die Waffen ab und trieben sie unter einem demütigenden Joch fort. So berichtet es Livius voller Ausschmückungen; das halten moderne Historiker für unglaubwürdig.
Das „kaudinische Joch“ half den Samniten wenig. Die Römer rächten sich und eroberten 305 v. Chr. erstmals die samnitische Hauptstadt Bovianum (jetzt: Bojano). An ihrer Vorherrschaft änderte der dritte Samnitenkrieg ebenso wenig wie 200 Jahre später die Teilnahme der Samniten am Bundesgenossenkrieg (91-88 v. Chr.), dem letzten Aufstand italischer Völker gegen Roms Übermacht.
Ausstellungs-Film über Ausgrabungsstätten in Panorama-Optik; © Maurizio Iazeolla
Ruinen von Pietrabbondante + Saepinum
Bis zur endgültigen Niederlage hatten sich die Samniten eine gewisse innere Autonomie bewahrt, deren Zeugnisse die Schau ausbreitet. Unklar ist, ob sie eine Art Staatsverband kannten oder die Teilgruppen wie Carricini und Pentri im Norden, Caudini im Westen und Hirpini nur zeitweilig Stammesbündnisse schlossen, etwa zur gemeinsamen Kriegsführung.
Zumindest errichteten sie in Pietrabbondante, knapp 50 Kilometer nördlich von Bovianum, in 1000 Meter Höhe eine ausgedehnte Kultstätte mit mehreren Tempeln, die als Bundesheiligtum aller Samniten gedient haben mag. Ein Modell der Überreste ist in der Schau zu sehen. Der andere große Ruinen-Komplex samnitischer Herkunft ist der von Saepinum (Sepino) südlich von Bovianum; am besten erhalten sind zwei Stadttore. Die gesamte Anlage wird im Film zur Ausstellung gezeigt, der in diesem Beitrag als zweiter Videoclip verlinkt ist.
Kupfer-Gehänge für linke Schulter
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Die Etrusker - Von Villanova bis Rom" - grandiose Überblicksschau in München + Aschaffenburg
und hier eine Besprechung der Ausstellung "Pompeji – Leben auf dem Vulkan" - prächtige Präsentation in der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, München
und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Antike Welten" mit Meisterwerken der griechischen + römischen Kunst im Alten Museum, Berlin.
Typisch samnitisch sind dagegen Chatelaines, also dekorative Gehänge, die Frauen an der linken Gewand-Schulter trugen: An Doppelspiralen aus Kupfer hängen bis zu einem Meter langen Ketten mit kleinen Pendeln an den Enden. Neben den geläufigen Bewohnern des griechisch-römischen Pantheons verehrten die Samniten auch eigene Götter: etwa Mefitis, die über Schwefelquellen mit der Unterwelt in Verbindung stand. Als kleine Bronzestatuette mit oskischer Inschrift hält sie eine Ente in der linken Hand.
Nichts Genaues weiß man nicht
Dennoch: Der Rundgang an Vitrinen mit kundig erläuterten Objekten entlang macht vor allem eines deutlich – wie wenig Genaues man über dieses mysteriöse Volk weiß. Es mangelt schlicht an aussagekräftigen Quellen; spätestens in der römischen Kaiserzeit waren sämtliche Eigenarten der Samniter verschwunden. Am längsten hielten sich Spuren ihrer Existenz in Familiennamen: Pontius Pilatus, der als römischer Präfekt in Judäa ein folgenreiches Todesurteil fällte, war Nachfahre der alten samnitischen Adelsfamilie der Pontii.