Scheinbar ein doppelt unmögliches Unterfangen: Anfang der 1990er Jahre wollte eine Schar New Yorker Avantgarde-Musiker nur mit Klängen eine «Radical Jewish Culture» begründen. 20 Jahre später versucht eine Ausstellung, das flüchtige Phänomen museal aufzubereiten – beides funktioniert prächtig.
Info
Radical Jewish Culture - Musikszene New York seit 1990
08.04.2011 - 24.07.2011
täglich 10 - 20 Uhr, montags bis 22 Uhr im Jüdischen Museum Berlin, Lindenstraße 9 - 14
«Intifada» für ein Streichquartett
Beide forderten, Traditionen wie Klezmer hinter sich zu lassen und eine radikal zeitgenössische Musik zu entwickeln. Das gelang. Auf Zorns Label «Tzadik» sind bis heute mehr als 400 Aufnahmen erschienen – in unterschiedlichen Klangfarben, aber mit unverwechselbarem Sound. Viele mit politischem Anspruch: Zorn dirigierte in München die Uraufführung seiner Suite «Kristallnacht», Elliott Sharp komponierte 1996 «Intifada» für ein Streichquartett.
Impressionen der Ausstellung
Anmutung zwischen Tonstudio + Prunk-Sarg
Diesen einzigartigen Klang-Kosmos präsentiert das Jüdische Museum an einem Hohl-Körper aus Pressspan und Samt-Polsterung. Er zieht sich durch alle Räume; seine Anmutung oszilliert zwischen Tonstudio und Prunk-Sarg. Eine Fülle von Notenblättern, Plattenhüllen und Plakaten dokumentieren Entstehung und Verlauf der Bewegung. Wichtige Protagonisten wie Anthony Coleman oder Roy Nathanson kommen in Video-Interviews ausführlich zu Wort. Vor allem aber ist Musik drin – in zahlreichen Konzert-Mitschnitten an Hörstationen.
Die Knitting-Factory-Szene blieb immer klein, und ihr Publikum war es auch: ein paar Tausend Leute in westlichen Metropolen. Ihre Ausstrahlung ist aber kaum zu unterschätzen: In den 1990er Jahren war keine mit analogen Instrumenten eingespielte Musik innovativer. Was genau daran jüdisch ist, kann auch diese Ausstellung kaum klären. Doch das macht nichts, solange sie so gut klingt.