Alice Springs hat sie alle gehabt: Schauspieler wie Dennis Hopper, Künstler wie Roy Lichtenstein und Joseph Beuys, Modeschöpfer wie Yves Saint-Laurent und Yoji Yamamoto, Schriftsteller wie Gore Vidal und Anthony Burgess, Regisseure wie Wim Wenders und Fotografen wie Robert Mapplethorpe. Und nicht nur Männer, sondern auch scharenweise Frauen: Brigitte Nielsen, Sonja Rykiel, Grace Jones usw. Doch Alice Springs ist ihrem Ehemann immer treu geblieben: Sie hat ihre Modelle auf eine Weise abgelichtet, die der von Helmut Newton zum Verwechseln ähnelt.
Info
Alice Springs
12.06.2010 - 30.01.2011
dienstags bis sonntags 10 - 18 Uhr, donnerstags bis 22 Uhr
im Museum für Fotografie, Jebenstraße 2, Berlin
Mysteriös-dominante Wesen
Als sie 1970 anfängt, fotografiert sie gern in Alltagssituationen. Die oft körnigen Schnappschüsse wirken noch leicht verspielt, ganz wie der Zeitgeist. Einige Jahre später beginnt sie mit artifiziellen Stilisierungen, die Frauen als mysteriös-dominante Wesen erscheinen lassen. In den 1980er Jahren greift sie auf nüchterne Strenge mit starken Hell-Dunkel-Kontrasten und symmetrischem Bildaufbau zurück. Und in der Folgezeit wird ihre Bildsprache zunehmend variantenreicher – und formloser. Mal konstruiert sie eigenwillige Posen – wie Brigitte Nielsen, die ihr Baby hochhebt – mal lichtet sie ab, was ihr vor die Linse kommt.
Interview mit Kurator Matthias Harder + Impressionen der Ausstellung
Eintönig heroische Inszenierung
Auch in der Motivik orientiert sich Alice an Helmut: Modestrecken, naturalistische Akte, ästhetisierende Homoerotik und Stars, Stars, Stars. Zwischen Hollywoods goldener Ära und der Fotomodell-Frenesie der 1990er hat kaum jemand dem Starkult so gehuldigt und ihn zugleich bedient wie die Newtons. Das schmeichelt dem Ego der Porträtierten, aber ihre heroische Inszenierung in gestochen scharfen Grautönen wirkt auf Dauer recht eintönig: Wo sich zu viele Götter drängeln, werden alle gleich.
Das gilt auch für die Angebote dieses Museums: Um Newtons Nachlass nach Berlin zu holen, übertrug die Stadt zwei Etagen des wilhelminischen Protzbaus an seine Stiftung. Sie zeigt seit 2005 im Erdgeschoss eine ständige Helmut-Newton-Schau, im ersten Stock wechselnde Ausstellungen seiner Freunde, Weggefährten und Protégés – oder eben seiner Gattin. Kein Wunder, dass hier stets Hochglanz-Ästhetik herrscht.
Helmut-Newton-Gedächtnistempel
Dagegen hat die Restaurierung des Kaisersaals im Obergeschoss fünf Jahre gedauert; erst jetzt kann die Kunstbibliothek mit ihrer Fotosammlung ein Kontrastprogramm bieten. Seit Mai präsentiert sie Architekturfotografie aus 150 Jahren – diese Schau allein ist abwechslungsreicher als alles, was sonst im Haus zu sehen ist.
Der Stiftung kann man das kaum vorwerfen: Sie erfüllt nur ihren Satzungszweck und die geltenden Verträge. Doch dieses Haus ein Fotografie-Museum zu nennen, ist Etikettenschwindel: Es sollte besser Helmut-Newton-Gedächtnistempel heißen.