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Karl Friedrich Schinkel. Geschichte und Poesie

Karl Friedrich Schinkel: Die Sternenhalle der Königin der Nacht; Bühnenbild-Entwurf für die Oper "Zauberflöte" von Mozart (Detail), um 1815. Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett / Reinhard Saczewski
Der große Inszenator: Schinkel war nicht nur Preußens Meister-Architekt. Als Theater-Maler, Innenausstatter und Designer gestaltete er die gesamte Lebenswelt. Die Schau im Kulturforum zeigt ihn als "enthusiastischen Weltverschönerer".

Entfesselte Dekorations-Fantasie

 

Die Kunst der Inszenierung fiel Schinkel leicht: Parallel zu seiner Bau-Tätigkeit malte er historische Landschafts-Bilder, in denen sich Natur und Architektur harmonisch ergänzten. Ein hervorragendes Beispiel dieser romantisch inspirierten Malerei ist seine «Mittelalterliche Stadt an einem Fluss» von 1815: Während am gotischen Dom im Sonnenlicht noch gebaut wird, bewegt sich ein Festzug in Renaissance-Trachten darauf zu.

 

Seiner künstlerischen Fantasie ließ er als Dekorations-Maler für das Theater freien Lauf. Auf gewaltigen Bühnen-Prospekten imaginierte er Bauten aller Epochen und Erdteile: von düsteren nordischen Burgen bis zu aztekischen Feuer-Tempeln in Mexiko oder indischen Palästen in Kaschmir. Für die damals beliebten Dioramen stellte er auch aktuelle Ereignisse dar: etwa den Brand von Moskau 1812, der Napoleons Armee zum Rückzug zwang.

 

Zauberflöten-Königin wie Jungfrau Maria

 

Diese fast vergessenen Panoramen holt die Ausstellung aus dem Archiv des Kupferstich-Kabinetts. Sie zeigen anschaulich, wie kenntnisreich und detailgetreu Schinkel fremde Kulturen vor Augen stellte – und zugleich ins Ideale überhöhte.

 

Etwa auf seinem beliebtesten Bühnen-Bild: der Sternenhalle für die Königin der Nacht aus Mozarts «Zauberflöte». Wolken am Nachthimmel rahmen Sternen-Bänder ein, die eine Kuppel bilden. Mittig thront die Königin auf der Mondsichel wie die Jungfrau Maria: eine Synthese aus Natur, Kultur und Religion.

 

Entsetzen über Englands Fabriken

 

Doch Schinkel griff nicht zu den Sternen, sondern kümmerte sich um höchst Irdisches. Seine Land-Schlösser für die Monarchen-Familie stattete er komplett aus: von Tapeten über Sitzmöbel bis zum Tisch-Service. Solche Design-Entwürfe ließ er als Vorlagen in Muster-Büchern drucken, damit Kunst-Handwerker sie für jedermann herstellten: einen «enthusiastischen Weltverschönerer» hat Bettina von Arnim ihn genannt.

 

Der auch die beginnende Industrialisierung visuell veredeln wollte. 1826 bereiste Schinkel England und war entsetzt über die Fabriken: eine «ungeheure Baumasse von nur Werkmeistern ohne Architektur und fürs nackteste Bedürfnis allein». In Berlin machte er das besser: Seine Bauakademie von 1831 ist zwar ein gleichseitiger Kubus mit gerasterten Fenster-Bändern. Doch die Fassaden sind reich gegliedert und mit Terrakotten geschmückt.

 

Workaholic stirbt an Überarbeitung

 

Hintergrund

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Von mehr als einer Welt" über "Die Künste der Aufklärung" im Kulturforum, Berlin

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung "Karl Friedrich Schinkel – Entwürfe für Bildhauer" in der Alten Nationalgalerie, Berlin

 

und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Schinkel - Die erste Italienische Reise" in der Alten Nationalgalerie.

Dem workaholic, der mit 60 Jahren an Überarbeitung starb, ging es nicht um Zweck-Bauten, sondern um Architektur als ästhetisch-poetisches Erlebnis. Daher betrachtete er als sein Hauptwerk kein Gebäude, sondern das Monumental-Gemälde «Blick in Griechenlands Blüte» von 1825: eine Panorama-Ansicht, auf der emsige Arbeiter in idyllischer Landschaft einen Tempel errichten.

 

Wobei seine Sehnsucht nach der Antike weniger Wirkung entfaltet hat als seine innovativen Bauten. Einer seiner letzten Entwürfe war für den Zaren bestimmt: Für den russischen Herrscher entwarf Schinkel eine riesige Palast-Anlage auf der Krim, deren Errichtung Jahrzehnte gedauert hätte – sie blieb ein Luftschloss.

 

Mies van der Rohe baut Schinkel-Idee

 

Dafür dachte er sich revolutionäre Lösungen aus: Unterhalb der Anlage wollte Schinkel das Gestein aushöhlen, um dort ein Museum für antike Kunstschätze unterzubringen, die damals auf der Halbinsel ausgegraben wurden. Dagegen sollten die Fronten des ebenerdigen Palastes voll verglast werden, um maximale Aussicht zu bieten. Was im 19. Jahrhundert noch unmöglich schien, wurde im 20. verwirklicht: Mies van der Rohe hat in der Neuen Nationalgalerie Schinkels Ideen umgesetzt.