Berlin

1813 – Auf dem Schlachtfeld bei Leipzig: Ein Rundgang durch das Gemälde „Siegesmeldung“ von Johann Peter Krafft

Johann Peter Krafft: „Siegesmeldung nach der Schlacht bei Leipzig“, Wien, 1839. Foto: © Stiftung Deutsches Historisches Museum
Kann man ein historisches Ereignis mithilfe eines einzigen Bildes erklären? Das Deutsche Historische Museum versucht es mit einem Propaganda-Gemälde über die Völkerschlacht – doch seine Gedenk-Ausstellung kommt nicht ohne 300 weitere Objekte aus.

Wie stellt man eine Schlacht aus? Zum 200. Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig gibt es einige Versuche. Den vermutlich originellsten unternimmt das Deutsche Historische Museum (DHM): Es will die Geschichte dieser Schlacht anhand eines einzigen Gemäldes erzählen.

 

Info

 

1813 – Auf dem Schlachtfeld bei Leipzig: Ein Rundgang durch das Gemälde
„Siegesmeldung“ von Johann Peter Krafft

 

22.07.2013 - 16.02.2014

täglich 10 bis 18 Uhr

im Deutschen Historischen Museum, Unter den Linden 2, Berlin

Begleitpublikation 11,80 €

 

Weitere Informationen

Dass so viel in ihm stecken soll, sieht man der „Siegesmeldung des Fürsten Schwarzenberg nach der Schlacht bei Leipzig 1813“ nicht an: Auf den ersten Blick wirkt das Auftragswerk wie ein konventioneller Historien-Schinken.

 

Wandgemälde für Invalidenhaus

 

Johann Peter Krafft (1780 – 1856) aus Hessen, der seit 1799 in Wien lebte, malte es 1817 als Wandgemälde für den Ehrensaal des Wiener Invalidenhauses: Hier versammelten sich alljährlich am 18. Oktober zahlreiche Veteranen zur Gedenkfeier für den Sieg der kaiserlichen Armee und ihrer Verbündeten. Die kleine Leinwandfassung, die im DHM gezeigt wird, entstand 20 Jahre später.

 


Interview mit Kuratorin Dorlis Blume + Impressionen der Ausstellung


 

Bei Napoleons Hofmaler gelernt

 

Krafft, der 1828 Direktor der Wiener Gemäldegalerie werden sollte, verstand sein Handwerk: Der Bildaufbau ist klar gegliedert, Details sind präzise dargestellt. Diese klassizistische Kompositionsweise hatte er pikanterweise 1802 bis 1804 an der Pariser Akademie gelernt: bei Jacques Louis David, dem bedeutendsten Revolutions-Künstler und Hofmaler Napoleons – also des Herrschers, dessen Niederlage das Bild feiert.

 

Der französische Kaiser glänzt durch Abwesenheit; ebenso die Grande Armée. Nur im Staub liegende französische Regimentsfahnen erinnern daran, wen die Sieger geschlagen haben. Sie stehen im Mittelpunkt: Unübersehbar posieren in der Bildmitte die drei Monarchen Zar Alexander I. von Russland, Kaiser Franz I. von Österreich und König Friedrich Wilhelm III. von Preußen. Sie ignorieren einander, was eine dezente Anspielung auf ihre Rivalitäten sein mag.

 

Rund 100.000 Tote

 

Links reitet Fürst Schwarzenberg mit Kavallerie-Offizieren der Verbündeten heran. In der viertägigen Schlacht vom 16. bis 19. Oktober war der 18. der entscheidende Tag: Rund um Leipzig kämpften mehr als eine halbe Million Soldaten – 200.000 unter Napoleons Befehl, mehr als 300.000 auf Seiten der „Heiligen Allianz“. Am nächsten Tag ging das Metzeln innerhalb der Stadtmauern weiter; insgesamt starben rund 100.000 Menschen.

 

Es war die bis dahin größte und blutigste Schlacht der europäischen Geschichte; ihr Grauen lässt das Gemälde nicht ahnen. Fünf jubelnde Soldaten am linken Bildrand sind der einzige Hinweis darauf, wer den Wendepunkt erfocht, der das Ende der französischen Vorherrschaft in Europa einleitete. Nicht die Schlacht ist das Thema, sondern der historische Sieg dreier Monarchen von Gottes Gnaden – Krafft schuf ein Musterbeispiel politischer Propaganda.

 

Papier-Theater ohne großes Geschichtsdrama

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Napoleon und Europa – Traum und Trauma" - in der Bundeskunsthalle, Bonn

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung "Von mehr als einer Welt – Die Künste der Aufklärung" - im Kulturforum, Berlin

 

und hier einen Bericht über den Film "Die Königin und der Leibarzt" - Dänisches Historien- Drama über die Monarchie um 1800 mit Mads Mikkelsen von Nikolaj Arcel

 

200 Jahre später kann das DHM es dabei natürlich nicht belassen. Es müht sich redlich, mit 300 weiteren Exponaten vom Schlachtpferd-Skelett über Uniformen und Flugblätter bis zu Gewehrkugeln die gesamte Vor- und Nachgeschichte zu erzählen: angefangen von Napoleons Eroberung halb Europas bis zur Neuordnung des Kontinents auf dem Wiener Kongress 1815.

 

Das gelingt mehr oder weniger – je nachdem, wie anschaulich die verfügbaren Objekte sind. Nur mit Kraffts Gemälde hat dies kaum etwas zu tun: Der Maler hielt einen Moment fest, das Museum will 15 Jahre Kontext erläutern. Da hilft es nichts, einzelne Bild-Figuren wie Papp-Kameraden im Raum aufzustellen, quasi als Stationen-Parcours wie in den damals beliebten Papier-Theatern: Sie fügen sich nicht zum großen Geschichtsdrama der Epoche.

 

Einblicke, wie unglamourös das Gemetzel von Leipzig abgelaufen sein muss, bieten Video-Monitore. Freiwillige schlüpfen in ihrer Freizeit in historische Uniformen und spielen Schlachten nach: Sie marschieren monoton, stellen sich in Reihen auf, laden durch, feuern und fallen tot um – oder schwer verwundet, was noch schlimmer war, da man ihnen kaum helfen konnte und sie ihren Verletzungen meist qualvoll erlagen. Solches re-enactment ist meist faktengetreu – und zeigt die wahre Völkerschlacht.