
Elfenbein kommt in dieser Ausstellung kaum vor: drei kleine, fein geschnitzte Griffe für Fliegenwedel, mehr nicht. Sie entstanden um 1900 und zeigen behütete Uniformenträger, offenbar Kolonialbeamte. Derlei gehörte nicht zur traditionellen Formensprache. Kein Wunder: Elefantenzähne waren Jahrhunderte lang ein gefragter, kostbarer Exportartikel.
Info
Afrikanische Meister: Kunst der Elfenbeinküste
28.06.2014 - 05.10.2014
täglich außer montags 10 bis 19 Uhr, dienstags und mittwochs bis 21 Uhr
in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland,
Friedrich-Ebert-Allee 4, Bonn
Katalog 32 €
Künstlerisch produktive Region
Ihre Namen haben bei Kennern und Liebhabern afrikanischer Kulturen einen guten Klang. Die Elfenbeinküste zählt zu den künstlerisch produktivsten Regionen in Schwarzafrika; Werke ihrer Bewohner sind bei Sammlern seit langem beliebt. Dazu zählen neben kleinen Metallguss-Arbeiten und Textilien vor allem Objekte aus Holz: Masken, Figuren, Statuen und Gebrauchsgegenstände wie Türpfosten, Spielbretter und Prunklöffel.
Impressionen der Ausstellung
Hochkarätig bestückter Überblick
Die Ausstellung wurde im ethnologischen Museum Rietberg in Zürich konzipiert; für dessen langjährigen Direktor Eberhardt Fischer und seinen Afrika-Kurator Lorenz Homberger ist es quasi die Krönung ihres Lebenswerks. Beide forschen seit Jahrzehnten über das Thema, auch vor Ort: Sie steuern zur Schau eigene Fotos und Filmaufnahmen von Tänzern, Festen und Schnitzern in Aktion bei.
Zudem haben sie erstklassige Arbeiten aus aller Welt zusammengetragen. Zehn Leihgaben kommen aus dem Musée des Civilisations der Elfenbeinküste, die übrigen aus Museen von Budapest bis Dallas sowie etlichen Privatsammlungen. Ein derart hochkarätig bestückter Überblick über die Kunst der Elfenbeinküste war vermutlich noch nie zu sehen: Alle 200 Exponate, entstanden Ende des 19./ Anfang des 20. Jahrhunderts, sind ausnahmslos Meisterwerke.
Alle unterschlugen Künstler-Namen
Die Kuratoren unterteilen sie nach Völkern, wie es im Kunstbetrieb Usus ist. Allerdings nur, um diese Gliederung sofort zu unterlaufen. Ihr Anspruch ist, „mit dem Vorurteil des ‚anonymen afrikanischen Bildhauers‘ Schluss zu machen und diese grandiosen Kunstwerke auch Afrikanern zuzuschreiben“ – sprich: einzelnen Künstlern. Die sind fast nie namentlich bekannt.
Früher gaben heimische Auftraggeber oft nicht preis, wer für sie aufwändige Masken und Skulpturen schuf, damit kein Konkurrent bei demjenigen noch prestigeträchtigere Stücke bestellen konnte. Namen angesehener Bildhauer gerieten nach ihrem Tod in Afrikas schriftlosen Kulturen rasch in Vergessenheit. Und Kolonialherren, die nach 1900 Holzarbeiten aufkauften, interessierten sich nicht für ihre Schöpfer.
Meister der schönen Brüste
Doch die übliche Klassifizierung „Kunst des xy-Volkes“ ist so ignorant wie falsch, argumentieren die Macher und ihre Kollegen: Könner überwanden geläufige Vorlagen und schufen eigenständige, unverwechselbare Kunstwerke. Das zeigen sie mit Mitteln der Kunstgeschichte, vor allem Provenienz- und Stilvergleichen. So lassen sich viele Arbeiten, die heute weltweit verstreut sind, auf einzelne Künstler zurückführen – denen sie Notnamen wie „Meister der Schaufelhände“ oder „Meister der schönen Brüste“ geben.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Nok - Ein Ursprung afrikanischer Skulptur" über 2000 Jahre alte Werke aus Nigeria im Liebieghaus, Frankfurt am Main
und hier eine Besprechung der Ausstellung “Minkisi – Skulpturen vom unteren Kongo” mit faszinierenden Nagel-Fetischen im Grassi Museum, Leipzig
und hier einen Beitrag über die grandiose Ausstellung "Dogon - Weltkulturerbe aus Afrika" - in der Bundeskunsthalle, Bonn.
Ehebruch wie im prallen Leben
Das Haus hat 2012 mit seiner grandiosen Ausstellung zur Dogon-Kultur in Mali gezeigt, wie man mit einfallsreich vielseitiger Inszenierung auch Laien für exotische Themen begeistern kann. Dagegen fällt diese Schau deutlich ab; was angesichts der wunderbaren Werkauswahl jammerschade ist. Wie man es besser macht, demonstrieren die Kuratoren selbst in einem Annex mit Holzarbeiten von drei zeitgenössischen Künstlern aus der Elfenbeinküste.
An ihren großformatigen Skulpturen-Gruppen wird deutlich, dass dort die Schnitzkunst-Tradition bis heute quicklebendig ist. Blickfang ist ein Ensemble von acht Figuren, die eine Ehebruch-Szene darstellen. Wie aus dem prallen Leben: Die Frau wird angeprangert, ihr Liebhaber gezüchtigt, und der Älteste zahlt dem Gehörnten eine Entschädigung. Das ist kein Deko-Kitsch für Neureiche oder Touristen: Solche Gruppen werden noch heute bei Umzügen durch die Straßen getragen.