Wahre Schätze sind meist schwer zu finden. Das gilt auch für die Meisterwerke der Impressionismus-Schau im Städel: Man muss erst die Dauerausstellung im Haupthaus durchqueren, um zur Sonderschau im Nebengebäude zu gelangen. Dort führt der Weg über eine schmale Treppe ins Untergeschoss hinab.
Info
Monet und die Geburt des Impressionismus
11.03.2015 - 28.06.2015
täglich außer montags
10 bis 19 Uhr, donnerstags + freitags bis 21 Uhr im Städel Museum, Schaumainkai 63, Frankfurt/ Main
Katalog 39,90 €;
Begleitheft 7,50 €
Freiluft-Malerei im Atelier
Künstler wie Camille Corot, Gustave Courbet und Eugène Boudin beeinflussten die späteren Impressionisten mit der Unmittelbarkeit ihrer Bilder, die damals geradezu skizzenhaft wirkte. Allerdings stellten die Barbizon-Künstler ihre Gemälde noch im Atelier fertig und setzten sie oft aus mehreren Sujets zusammen; dagegen arbeiteten die Impressionisten unmittelbar vor ihrem Motiv.
Statements von Kurator Felix Krämer und Direktor Max Hollein + Impressionen der Ausstellung; © Städel
Radikaler Stilwechsel beim „Mittagessen“
Das zeigt der nächste Saal: Ab den 1860er Jahren begannen auch die Impressionisten, im Wald von Fontainebleau zu malen. Wobei sich ihre Bilder anfangs von denen ihrer Vorgänger oft nur unwesentlich unterschieden. Kein Wunder, denn die personelle Verflechtung war eng: Claude Monet wurde von Eugène Boudin in die Freilichtmalerei eingeführt. Seine Kollegen Camille Pissarro und Berthe Morisot waren Schüler von Camille Corot.
Bald radikalisierten die Impressionisten ihren Ansatz. Das lässt sich an zwei gleich betitelten Gemälden von Monet exemplarisch nachvollziehen. Auf dem monumentalen „Mittagessen“ von 1868/69 liegt der Akzent noch auf den Personen: einem unverheirateten Paar im Esszimmer samt Kind, damals ein skandalöser Bildgegenstand. Die Leinwand ist weitgehend in dunklen Braun- und Grautönen gehalten.
Malerei als Momentaufnahme
Das vier Jahre später im Garten entstandene Bild „Mittagessen: dekorative Tafel“ sieht völlig anders aus. Die Figuren sind an den Rand gerückt und beinahe unkenntlich; der Akzent liegt ganz auf dem flirrenden, leuchtend bunten Farbenspiel von Blumen und Lichtreflexen. Personen und Dinge waren nur noch Anlässe, um visuelle Eindrücke wiederzugeben: Malerei wurde zur Momentaufnahme.
Auch die Themenauswahl änderte sich. Während die pleinair-Maler noch romantisch unberührte Natur vorzogen, sind auf impressionistischen Bildern häufig Eingriffe des Menschen in die Landschaft zu sehen: Straßen, Wege oder Gärten. Natur wird zur Erholungszone für Städter, deren Lebenswelt sich rasch modernisiert: Das geschäftige Treiben auf den Boulevards von Paris, Bahnhöfe und Vergnügungslokale wird zu bevorzugten Sujets von Malern wie Pissarro, Edgar Degas oder Auguste Renoir. Alltag hält Einzug in die Kunst.
Gleiche Motive bei wechselnder Witterung
Derlei lichteten zur gleichen Zeit die ersten professionelle Fotografen ab; klassische Beispiele sind ebenso in der Schau zu sehen. Damit war die Malerei von der Aufgabe entbunden, die Wirklichkeit zu dokumentieren. Ihren neuen Freiraum nutzten die Impressionisten, indem sie das Subjektive und Flüchtige von Sinneseindrücken hervorhoben; am radikalsten tat das Monet.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Monet, Gauguin, van Gogh … Inspiration Japan" - hervorragende Ausstellung über Japonismus in der Malerei im Folkwang Museum, Essen
und hier einen Bericht über die Ausstellung "Pissarro – Der Vater des Impressionismus" – umfassende Retrospektive im Von Der Heydt-Museum, Wuppertal
und hier eine Besprechung der Ausstellung “Turner – Monet – Twombly: Later Paintings” mit Werken von Claude Monet in der Staatsgalerie Stuttgart.
Mit Gemälden Feinde vertreiben
Monets Spätphase stellt den Höhepunkt des Impressionismus dar; dieser Stil hatte sich von der herkömmlichen figurativen Malerei emanzipiert und leitete zur Moderne über. Da mutet zunächst seltsam an, dass der letzte Saal voller Hauptwerke als „Epilog“ bezeichnet wird. Es ist nur sinnvoll im Rahmen des Ausstellungs-Konzepts, sich ausdrücklich auf die Anfänge dieser Richtung zu konzentrieren: als allmähliche Evolution, deren Verlauf sich sehr genau nachvollziehen lässt.
Wie schockierend diese Bilder zunächst auf den Großteil des damaligen Publikums gewirkt haben, wird in einem Nebenraum zum Thema „Der Impressionismus in der Karikatur“ deutlich. Auf einer Zeichnung benutzen Soldaten auf dem Schlachtfeld erfolgreich impressionistische Gemälde, um feindliche Türken zu vertreiben. Da soll noch jemand behaupten, Kunst sei zu nichts nütze!