
Auch Gefühle folgen einer Logik; das behauptet zumindest der Titel der Japan-Schau im Kunstmuseum Moritzburg. Mit 84 Werken von 13 Künstlern ist sie laut Veranstalter „eine der bisher umfangreichsten Ausstellungen zeitgenössischer japanischer Kunst in Deutschland“, was bezeichnend für das gegenwärtige Verhältnis beider Nationen ist.
Info
Logical Emotion - Zeitgenössische Kunst aus Japan
23.05.2015 - 26.07.2015
täglich außer mittwochs
10 bis 18 Uhr
im Kunstmuseum Moritzburg, Friedemann-Bach-Platz 5, Halle/ Saale
150 Jahre Diplomatie Tokio + Bern
Grund genug also, genauer hinzusehen, wenn sich die Gelegenheit bietet. Warum in Halle an der Saale? Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit Museen in Krakau und Zürich; damit feiern die Schweiz und Japan den 150. Jahrestag der Aufnahme ihrer diplomatischen Beziehungen. Zudem lehrt an der Universität Halle-Wittenberg eine renommierte Japanologin, die seit 2010 Ehrenpräsidentin der Deutsch-Japanischen Gesellschaft ist. Sie dürfte sich für die Station in Sachsen-Anhalt stark gemacht haben; es ist die einzige in Deutschland.
Impressionen der Ausstellung; © koenau
Jenseits von Farbholzschnitten + Kalligraphie
Die Schau versammelt Beispiele aus allen gängigen Disziplinen: Malerei, Fotografie, Installationen und Videos. Dazu wählte Kenjiro Hosaka, Kurator am Nationalmuseum für moderne Kunst in Tokio, 13 Künstler, Architekten und Designer aus; ihre Arbeiten sollen sowohl jüngste Entwicklungen der japanischen Kunst aufzeigen als auch internationale Trends reflektieren.
Gemeinhin verbindet man hierzulande japanische Kunst mit bestimmten Merkmalen: der kargen Ästhetik von Architektur und Design, aufwändig hergestellter Keramik, Farbholzschnitten in kühnen Perspektiven oder virtuoser Tuschemalerei und Kalligraphie aus wenigen Pinselschwüngen. Bei Gegenwartskunst denkt man am ehesten an verspielte Elektronik-Konstruktionen oder bunte, vor Fantasie überbordende manga-Comics, die auch in Deutschland ihre Fangemeinde haben.
Natürliche + künstliche Werkstoffe kombinieren
Damit hat „Logical Emotion“ nichts zu tun: Hier geht es um die logische und zugleich emotionale Zusammenfügung verschiedener Materialien in einem Kunstwerk. In den 1960/70er kam in Japan die „Mono-ha“-Bewegung auf: „Mono“ meint „Material“, „ha“ bedeutet „Schule“. Ihre Anhänger kombinierten natürliche Werkstoffe wie Stein und Holz mit Eisen, Papier, Schnur oder Gummi.
Einer ihrer führenden Vertreter war der 1995 gestorbene Koji Enokura, von dem drei Werke zu sehen sind. In dieser Tradition steht auch Teppei Kaneuji, der ganz unterschiedliche Materialien verwendet. Dazu nutzt er Fundstücke, die er zu Skulpturen zusammenfügt und mit Gips übergießt: Nun sehen sie aus, als wären sie gefroren und von einer Eisschicht überzogen. Dagegen bleibt in seiner Videoarbeit alles im Fluss: auf Papier gezeichnete Gegenstände werden ständig verschoben.
Perfektionistische manga-Collage
Derart spielerisch kann Masayasu Mitsuke nicht vorgehen; er ist ein Meister der so genannten kutani-Keramikmalerei. Normalerweise werden dafür traditionelle Motive wie Fische und Landschaften verwendet. Mitsukes Arbeiten sind jedoch völlig abstrakt; ihre geometrischen Muster zeugen von perfektem Handwerk.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung “Goldene Impressionen: Japanische Malerei 1400 – 1900” im Museum für Ostasiatische Kunst, Köln
und hier einen Bericht über die hervorragende "Hokusai-Retrospektive" - mit Farbholzschnitt-Meisterwerken im Martin-Gropius-Bau, Berlin
und hier eine Besprechung des Films “Wie der Wind sich hebt” – grandioser Animations-Historienfilm über das deutsch-japanische Verhältnis von Hayao Miyazaki
und hier einen Beitrag über die Ausstellung “Ferne Gefährten” - über 150 Jahre deutsch-japanische Beziehungen in den Reiss-Engelhorn-Museen, Mannheim.
Spendenaufruf für benutzte Seifen
Einen starken Kontrast zu Yokoyamas reduziertem Zeichenstil bildet die Installation „Love is calling“ von Yayoi Kusama. Die Künstlerin füllt einen verspiegelten Raum mit neonfarbenen Plastik-Objekten, die mit schwarzen Punkten übersät sind. Von innen beleuchtet, hängen die Skulpturen von der Decke oder sind auf dem Boden installiert; dieser in sich geschlossene Kosmos erinnert an eine künstliche Tropfsteinhöhle.
Den Geruchssinn spricht dagegen Noe Aoki an: Sie hat eine duftende Installation aus Seifen kreiert, die sie mit Stahlstäben zu kleinen Türmchen angeordnet hat. Alle Seifen wurden bereits benutzt und ihr kostenlos zugeschickt, nachdem die Künstlerin zu Spenden aufgerufen hatte; hier stimmt die Chemie.
Strohhalm-Formel im Chemie-Dreieck
An eine chemische Formel erinnert auch die Installation aus 6.000 roten Strohhalmen, die der Architekt Akihisa Hirata eigens für die Ausstellungs-Station in Halle geschaffen. Das passt zur Stadt: Ihr Umland ist seit Mitte der 1930er Jahre von der Chemie-Industrie geprägt, vor allem im so genannten Chemie-Dreieck zwischen Buna, Leuna und Böhlen bei Leipzig. Eine auch in Japan wichtige Branche; zumindest als high tech-Industriestandorte, die weltweit exportieren, sind sich beide Nationen noch nahe.