„Reden ist nicht immer die Lösung“ – ein paradoxer Titel für eine Ausstellung von sieben Video-Installationen, in denen vor allem geredet wird. Als Tischgespräch, Interview oder Tätigkeitsbericht, aber immer wortreich. Genauso paradox ist: Der schönste, weil geistreichste und raffinierteste Beitrag zu dieser Film-Schau steht auf bedrucktem Papier.
Info
Omer Fast »Reden ist nicht immer die Lösung«
18.11.2016 - 12.03.2017
täglich außer dienstags
10 bis 19 Uhr
im Martin-Gropius-Bau, Niederkirchnerstraße 7, Berlin
Markige Zitat-Sprüche locken
Ähnlich plakativ geht es im Heftinneren weiter – optisch. Die Texte sprechen eine andere Sprache: Neben Inhaltsangaben zu allen Videoarbeiten stehen Interviews und Essays, die sie tiefschürfend beleuchten und analysieren. Wobei der Künstler sich den Scherz erlaubt, die Beiträge mit schreiend roten Zitat-Kästen voller markiger Sprüche über Drogen, Faulheit und gescheiterte Ehen zu spicken – die mit dem Fließtext rein gar nichts zu tun haben. Egal: Solche Lektüre-Köder locken immer.
Impressionen der Ausstellung
Kostbare Aufmerksamkeit hervorkitzeln
Omer Fast provoziert gern: vom Ausstellungs-Titel über das yellow press-Begleitheft bis zur Inszenierung. Drei Projektionsräume hat er als naturgetreu als Wartezimmer eingerichtet; wie beim Arzt, auf dem Flughafen und bei der Ausländerbehörde. Was dort auf Monitoren gezeigt wird, lässt aber die Wartezeit ziemlich ungemütlich werden.
Die Provokationen des israelischen Künstlers, der als Kind nach New York kam und seit 2001 in Berlin lebt, sind nicht leer. Ihre Originalität sorgt in einem übersättigten Kunstbetrieb, der längst alle Regelverstöße ad nauseam durchgespielt hat, für die kostbarste Reaktion: Aufmerksamkeit. Wer intelligent irritiert wird, will mehr wissen. Was wahrscheinlicher macht, dass er sich die viertel- bis einstündigen Filme komplett ansieht – und mehr als flüchtige Eindrücke mitnimmt.
Rasend flackernde Info-Kakophonie
Das lohnt: Die Videoarbeiten von Omer Fast erzählen Geschichten. Zwar vielschichtig und doppelbödig, gespiegelt und gebrochen, aber dennoch: Geschichten mit Akteuren und Handlung, oft als Endlosschleife. Sie läuft in „CNN Concatenated“ (etwa: „CNN verknüpft“) von 2002 allein auf Tonspur ab: Der Künstler hat zahllose Schnipsel aus TV-Nachrichten so montiert, dass jeder Sprecher nur ein Wort äußert – ihre rasend flackernde Info-Kakophonie redet den Zuhörer direkt an.
In „Looking Pretty for God“ (2008) kommen Bestatter zu Wort. Sie berichten von Einbalsamier- und Schmink-Tricks, Begräbnis-arrangements und Seelsorge für die Angehörigen; der Umgang mit Leichnamen ist für diese Profis tägliche Routine. Ihre Schilderungen unterlegt Omer Fast mit Bildern von Kindern: Die Extreme berühren sich.
Am Monitor per Knopfdruck töten
Auch das Geschäft von Soldaten ist der Tod; bloß will die Gesellschaft, die sie beschäftigt und bezahlt, nichts davon wissen. In „5.000 Feet is the Best“ erzählt ein Drohnenpilot der US-Luftwaffe 2011 von seinem Arbeitsalltag. Er sitzt in einem dunklen Raum in Las Vegas, beobachtet Monitore und steuert per joystick eine Drohne: 5000 Fuß sei die ideale Flughöhe; daher der Titel. Entdeckt er ein lohnendes Ziel – ob Gebäude, Fahrzeug oder Mensch –, holt er die nötige Erlaubnis ein und liquidiert es per Knopfdruck. Nach fünf Jahren im job leidet er unter Alpträumen und posttraumatischem Stress.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Continuity" – komplexer Experimental-Film über die Heimkehr eines Bundeswehr-Soldaten aus Afghanistan von Omer Fast
und hier einen Bericht über den Film „Remainder“ – faszinierender Identitäts-Thriller von Omer Fast
und hier einen Beitrag über das Filmfestival "Kino der Kunst 2015" mit dem Beitrag „Everything That Rises Must Converge“ von Omer Fast in München
und hier einen Beitrag über das Festival "Kino der Kunst 2013" mit dem Beitrag „5000 Feet is the Best“ von Omer Fast in München.
Porno-Alltag als Höhepunkt
Ganz handfest geht es dagegen in „Everything That Rises Must Converge“ (2013) zu. Der Film begleitet via split screen mehrere Porno-Darsteller durch ihren Alltag – vom Aufstehen über ihre Arbeitszeit bis zum Schlafengehen. Dabei wird die Banalität des Tabusierten ganz beiläufig deutlich. Auch das konstrastiert Omer Fast mit Spielszenen: Ein vermeintlicher Porno-Produzent erzählt, er sei in einer Freie-Liebe-Kommune aufgewachsen; ein Paar liefert sich eine Szene.
Dieser nicht jugendfreie Höhepunkt bildet zugleich das Ende des Ausstellungs-parcours; jüngere Arbeiten wirken wie dürftige Dreingaben. Nach dem Achtungserfolg seines ersten regulären Spielfilms „Remainder“ (2016) brachte der Künstler rasch eine verlängerte Version von „Continuity“ ins Kino. Für diese Schau verteilt er eine Variante als „Spring“ auf fünf Kanäle. Seine aktuelle Produktion „August“ ist die technisch aufwändigste, da in 3D gedreht, und inhaltlich die schwächste: Der berühmte Porträt-Photograph August Sander (1876-1964), im Alter erblindet, hat allerlei Visionen.
Mit Schweigen provozieren
Solche Selbstzitate und Fingerübungen lassen die bislang üppigste Einzelausstellung des Videokünstlers, die zuvor in Paris, Newcastle und Aalborg zu sehen war, ins Belanglose auslaufen. Vielleicht will er damit diskret andeuten, dass ihm nichts Neues einfällt und er sein Schaffen einzustellen gedenkt. Es wäre eine weitere gelungene Provokation.