Clint Eastwood ist eine lebende Kino-Legende. Er feierte seinen Durchbruch als Revolverheld in Italo-Western wie „Für eine Handvoll Dollar“ (1964) oder „Zwei glorreiche Halunken“ (1966). Ab 1971 führte er auch Regie: Anfangs blieb er ein lonesome rider, der einsam und häufig namenlos als Gangster und Retter der Schutzlosen zugleich auftritt. Dabei kämpft er stets für Gerechtigkeit und das Gute, so zum Beispiel noch in „Pale Rider“ (1985).
Info
Unforgiven – Erbarmungslos
Regie: Clint Eastwood,
131 Min., USA 1992;
mit: Clint Eastwood, Gene Hackman, Morgan Freeman
Vorführung im Filmmuseum Düsseldorf
Witwer auf der Schweinefarm
William „Bill“ Munny, gespielt von Eastwood selbst, ist bekannt als kaltblütiger Killer und Trinker. Erst die Liebe einer jungen Frau hat ihn von Missetaten abgebracht. Mit ihr gründet er eine Familie, doch glücklos: Seine Frau stirbt, seine Farm wird von einer Schweinepest heimgesucht und die Zukunft der beiden kleinen Kinder steht auf dem Spiel.
Offizieller Filmtrailer
Antihelden in vertrauten Bildern
Daher lassen sich er und sein früherer Partner Ned Logan (Morgan Freeman) vom jungen Draufgänger „Schofield Kid“ (Jaimz Woolvett) für eine Kopfgeld-Jagd engagieren: Prostituierte haben 1000 Dollar auf zwei Cowboys ausgelobt, die eine der ihren drastisch verstümmelten. Doch Munnys Treffsicherheit ist schlecht; er kommt kaum noch in den Sattel und fällt nicht nur einmal vom Pferd. Aus dem lonesome rider ist eine Karikatur seiner selbst geworden; er scheint neuen Abenteuern kaum gewachsen.
Als Regisseur bedient sich Eastwood dennoch grundlegender Elemente der Western-Bildsprache: Das Trio reitet im Licht des Sonnenuntergangs und übernachtet am Lagerfeuer. Grandiose Landschaften erhalten durch Aufnahmen in der Totale eine fast unerträgliche Weite. Zugleich haben die Charaktere nichts mit früheren Western-Haudegen gemeinsam: Schofield Kid ist extrem kurzsichtig und eignet sich nicht als Scharfschütze; Ned schießt genauso mies wie Munny. Im Schein des Feuers werden die tiefen Falten in ihren Gesichtern deutlich: Die beiden alten Männer haben zu viel gesehen und erlebt.
Demontage der Pistoleros
Somit zerlegt der Film die gängigen Western-Klischees; dabei entpuppt sich William Munny als konsequente Weiterentwicklung von Figuren, die Eastwood einst selbst in jüngeren Jahren verkörpert hat. Während Western- meist auch Weiberhelden sind, meidet Munny nach dem Tod seiner Gattin andere Frauen. Er geht weder ins Bordell noch masturbiert er, wie er seinem Freund Ned eröffnet. Allein dieses Gespräch wäre in klassischen Hollywood-Western undenkbar gewesen. Die Demontage der starken Pistoleros wird in den Folgejahren etwa durch den Überraschungserfolg „Brokeback Mountain“ (2005) von Ang Lee fortgeführt: Seine Cowboys sind schwul.
Munnys Gegenspiel ist nun nicht etwa ein klassischer Bösewicht, sondern der Sheriff der Kleinstadt Big Whiskey: Dort sorgt „Little Bill“ Daggett (Gene Hackman) mit eiserner Hand für Recht und Ordnung. Dabei sind die Rollen vertauscht: Munny hat keinerlei Interesse an einem Konflikt mit Little Bill, der selbst einst ein Revolverheld war. Vergeblich: Geschwächt durch den anstrengenden Ritt, wird Munny von Daggett zusammengeschlagen. Erst als der Sheriff seinen absolut schuldlosen Freund Ned brutal zu Tode foltert, kommt in Munny der alte, zu allem entschlossene und fähige Säufer und Mörder zum Vorschein.
Auspeitschung wie bei Sklavenhaltern
Hintergrund
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und hier eine Besprechung des Films "The Homesman" - hervorragender Spätwestern über Gefangenen-Transport von und mit Tommy Lee Jones.
Zum einen lässt er als einzige Figur den Afroamerikaner Ned Logan auspeitschen – und zwar vom weißen Sheriff Little Bill. Obwohl der Film in Wyoming spielt, also keinem bekannten Sklavenhalter-Staat, wählt der Regisseur eine Einstellung, die an typische Sklaverei-Szenen erinnert: Ned steht gefesselt in einer Gefängniszelle und wird durch die Gitterstäbe gefilmt – abwechselnd mit dem Blick von Little Bill auf den nackten Rücken seines Opfers.
Betrunkener + durchnässter Held
Als er von Neds Tod und der Zurschaustellung seiner Leiche erfährt, rast Munny vor Wut. Anschließend kehrt Eastwood eine weitere Genre-Konvention um: Der Showdown findet nicht in gleißender Mittagssonne statt, sondern nachts bei strömendem Regen. Munny tötet alle Gegner innerhalb kürzester Zeit, Bill wird auf dem Boden liegend exekutiert.
Anschließend wirft Munny seine leere Flasche Whiskey weg und positioniert sich scheinbar zufällig vor einer wehenden US-Flagge. Quasi als bittere Parodie auf mythische Revolverhelden: Betrunken und durchnässt stellt er ihre Antithese dar – ohne Ruhm und Pathos. Nun kehrt Munny zu seinen Kindern zurück und verschwindet mit ihnen gen San Francisco: weit weg von allem, was den Western in der kollektiven Vorstellung ausmacht.
Ein Gastbeitrag von Solange Landau, Filmmuseum Düsseldorf