Der Wilde Westen ist keine Ortsangabe, sondern eine Geisteshaltung: Glückssuche, Überlebenskampf und Selbstjustiz. Kommen raue Wildnis und Pistoleros hoch zu Pferde hinzu, wird ein Film zum Western. Insofern hat der Österreicher Andreas Prochaska einen perfekten Western gedreht: in den Hochalpen.
Info
Das finstere Tal
Regie: Andreas Prochaska,
115 Min., Deutschland/ Österreich 2013;
mit: Sam Riley, Paula Beer, Tobias Moretti
Landschafts-Fotografie mitten im Winter
Der Fremde namens Greider (feinfühlig cool: Sam Riley) kommt ironischerweise aus Amerika, wohin seine Mutter einst ausgewandert ist. Er gibt sich als Fotograf aus, der mitten im Winter Landschaftsaufnahmen machen will, und wird auf dem Hof einer Witwe einquartiert. Von den sechs Brenner-Brüdern, die im Ort das Sagen haben; der Wille ihres Vaters (archaisch grausam: Hans-Michael Rehberg) ist hier Gesetz.
Offizieller Filmtrailer
Clan-Boss beansprucht Hochzeitsnacht
Witwen-Tochter Luzi (ausdrucksstark: Paula Beer) ist von dem unerwarteten Gast angetan: Er bringt eine Ahnung von weiter Welt in die Enge des Dorflebens. Luzi will bald ihren Liebsten Lukas heiraten, doch zugleich graut ihr davor: Der alte Brenner beansprucht bei jeder Hochzeit das ius primae noctis. Noch nie hat ein frisch getrautes Paar gewagt, sich dem zu widersetzen.
Das wird Greider natürlich ändern, wie sämtliche Machtverhältnisse im Dorf; mit ihm verbindet den Fremden mehr, als es zunächst den Anschein hat. Dabei überrascht weniger, wie raffiniert er seine wahren Absichten verfolgt, als vielmehr, wie formvollendet Regisseur Prochaska das ins Bild rückt – unter denkbar unwirtlichen Bedingungen.
Gebirgs-Gefängnis auf Lebenszeit
Anstelle sengender Sonne über der Wüste hängt dichter Nebel über steilen Berghängen. Nadelwald-Dickicht verstellt den Blick; Schnee liegt so hoch, dass man bis zu den Waden einsackt. Dennoch gleitet die Kamera virtuos durchs Unterholz und kriecht behände in die massigen Holzhäuser der Dörfler, in denen jeder düstere Winkel schaudern lässt: ob des Leids, das sich hier zutrug.
Wettergegerbte Gesichter erzählen stumm vom Daseinsfron in ihrem gottverlassenen Nest. In diesem Gefängnis auf Lebenszeit sieht selbst die Feldstein-Kirche wie eine kahle Einzelzelle aus – vor grandios aufragender Gebirgskulisse. Doch die Berge sind Mauern, aus denen es kein Entrinnen gibt; außer durch gewaltsamen Tod.
Untertitel für Mundart fehlen
Mit dem ist Regisseur Prochaska vertraut. Er fing als Cutter von Michael Haneke an, drehte dann diverse TV-Krimis und landete 2006 einen Hit: Sein Horror-Thriller „In drei Tagen bist Du tot“ mit Dialekt sprechenden Laiendarstellern war der erfolgreichste Kino-Spielfilm des Jahres in Österreich.
Hintergrund
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Todessturz in Rasier-Wasserschale
Dabei übernimmt er manches vom Übervater des Genres, Sergio Leone, wie die Wechsel von extrem nahen Porträt-Aufnahmen zu Panorama-Totalen. Andere Schnitte sind völlig eigenständig und originell; etwa vom Sturz in den Abgrund zu einer Wasserschale, mit der sich der Fremde rasiert. Da wird glasklar, wer beim Unfall seine Hand im Spiel hatte.
Oder der Prototyp einer Bob-Bahn, auf der die Brenner-Brüder Holz ins Tal schaffen; ein bekanntlich hochriskanter Sport. An solchen liebevoll in Szene gesetzten Details zeigt sich die ungeheure Sorgfalt, mit der dieser Film komponiert wurde; keine Einstellung und kein Wortwechsel sind zuviel. Und wenn die alte Fabel von der Befreiung aus Tyrannei und Bestrafung der Übeltäter zu Ende erzählt ist, wird deutlich: Die Wahrheit des Western passt auch zu Südtirol.