Sabin Tambrea + Henriette Confurius

Die Herrlichkeit des Lebens

Franz (Sabin Tambrea) und Dora (Henriette Confurius) genießen ihre Zweisamkeit. Foto: © Majestic
(Kinostart: 14.3.) Im Kino gewesen, gelacht: Diese Filmbiographie über Franz Kafkas letzte Jahre befreit den Autoren vom Image des ewigen Sauertopfs. Den Hintergrund der gelungenen Romanverfilmung von Georg Maas und Judith Kaufmann bildet Kafkas Liebe zur Tänzerin Dora Diamant.

Lebensfreude ist nicht gerade das erste, was einem zu Franz Kafka einfällt. Allzu miesepetrig und anämisch wirkt der Autor auf den meisten erhaltenen Fotografien, und seine auf den ersten Blick traurigen Werke tun ihr übriges. Doch mitunter scheint in ihnen auch ein besonderer, absurder Witz auf, der nahelegt, dass auch Kafka durchaus mal Spaß hatte. Das will der biografische Spielfilm von Georg Maas und Judith Kaufmanns herausstreichen; er zeichnet die letzten, halbwegs glücklichen Jahre des Schriftstellers nach, in denen dieser zugleich auch sehr produktiv war.

 

Info

 

Die Herrlichkeit des Lebens

 

Regie: Georg Maas, Judith Kaufmann,

98 Min., Deutschland/ Österreich 2024;

mit: Sabin Tambrea, Henriette Confurius, Manuel Rubey, Daniela Golpashin

 

Weitere Informationen zum Film

 

Zunächst begegnet man dem  gesundheitlich angeschlagenen Franz Kafka (Sabin Tambrea) 1923 bei der Sommerfrische an der Ostsee. Im Gegensatz zu den sonnenhungrigen Großstädtern bleibt er am Strand abseits und stets korrekt im Anzug gekleidet. Später wird sich herausstellen, dass er sich seines durch die fortgeschrittene Tuberkulose ausgemergelten Körpers schämt. Das genaue Gegenteil davon ist die junge Tänzerin Dora Diamant (Henriette Confurius), die in einem Ferienlager jüdische Kinder aus Berlin betreut und vor Energie nur so strotzt. Sie ist ganz anders als er aufgewachsen, nämlich in Polen in einer traditionellen jüdischen Umgebung.

 

Ein seltsamer Herr

 

Den seltsamen Herrn findet sie aber faszinierend, äußerst kultiviert und auch ein wenig witzig. Wie zufällig kreuzen sich immer wieder ihre Wege, später dann absichtlich. Unverkennbar ist auch Kafka sehr an ihr interessiert. Sie ist völlig anders als alle Menschen, die ihm bisher begegnet sind. Sie scheint ihm frei, unvoreingenommen und voller innerer Stärke. Kurz: Sie vereint alle Eigenschaften, die er wahrscheinlich selbst gerne hätte. Noch als 40-jähriger leidet er unter dem zu starken Einfluss seines dominanten Vaters.

Offizieller Filmtrailer


 

Kein freudloser Tropf

 

Als der Sommer zu Ende geht, haben sich die beiden unsterblich ineinander verliebt und planen, gemeinsam nach Berlin zu gehen. Aber Franz´ instabiler Gesundheitszustand und das Veto des Vaters zwingen ihn zurück nach Prag. Auch finanziell ist er immer noch von seiner Familie  abhängig. Dora bereitet indessen in Berlin ein potenziell gemeinsames Leben vor. Sie sucht eine Wohnung und tauscht mit Franz lange, gefühlvolle Briefe aus, bis der sich endlich auf den Weg nach Berlin machen kann.

 

Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Michael Kumpfmüller zeichnet dieser Film ein ungewohntes Kafka-Bild und konterkariert damit sein Image als vermeintlich freudloser Tropf, das vor allem durch die Rezeption seiner Werke geprägt ist. Er wird als Mensch porträtiert, der zwar leidet, aber nicht verzweifelt und dabei durchaus am Leben hängt. Großen Anteil hat daran zweifellos Dora Diamant, die dem nicht mehr ganz jungen Mann ihre bedingungslose Liebe schenkt. Das ist etwas, das er bisher nicht kannte.

 

Prager Enge + Berliner Kargheit

 

Und noch etwa anderes ist neu für ihn: das echte Leben. Bald plagen Finanzsorgen die Liebenden, und ihr Geld reicht nicht einmal für genug Heizmaterial im Winter. Selbst selbst wenn im großbürgerlichen Prager Haushalt der Eltern weder Privatsphäre noch Ruhe zum Nachdenken existierten, so waren die Grundbedürfnisse doch allemal gedeckt. Von der dennoch erdrückenden Atmosphäre im Elternhaus bekommt man nebenbei einen Eindruck, wenn Franz sich durch dunkle, holzgetäfelte Flure den Weg in seine Kammer bahnen muss.

 

Hintergrund

 

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Die kurze und intensive Berliner Zeit findet größtenteils in einer karg eingerichteten Hinterhauswohnung statt. Hier wird gefeiert,  gelebt und geliebt. Der rege Austausch mit Dora könnte ein Jungbrunnen für den kränkelnden Schriftsteller sein, doch ihr Glück währt nicht lange. Zwar kann Franz weit weg von seiner vereinnahmenden Familie endlich wieder schreiben. Doch der harsche Berliner Winter und die galoppierende Inflation setzen seiner Gesundheit zu sehr zu. Irgendwann bleibt nur noch der Weg ins Sanatorium.

 

Kein großes Gefühlskino

 

Wer eine konventionelle Biografie erwartet, wird enttäuscht. Ein „Biopic“ lag auch nicht in der Absicht der Macher. Ihnen geht es, wie schon dem Roman, um eine schöne und melodramatische Liebesgeschichte. Von Beginn an ist klar, dass diese keine Zukunft hat. Das allein gäbe viel Potential für großes Gefühlskino, das hier aber glücklicherweise nicht ausgeschöpft wird. Der Film begnügt sich damit, zuzusehen, wie sich zwei Menschen finden und die knappe gemeinsame Zeit nutzen.

 

Dass einer der beiden posthum zum literarischen Monument wurde, ist dabei unerheblich. Denn dieser Kafka ist ein warmherziger und äußerst unterhaltsamer Mensch, der mit dem weitverbreiteten Bild des zerquälten Autors nur wenig gemein hat. Der Film haucht ihm somit im übertragenen Sinne Leben ein und macht ihn damit nahbarer. Großen Anteil daran haben auch die sehr gut miteinander harmonierenden Schauspieler; sie verkörpern stets Menschen und keine historischen  Figuren. Kafka-Fans befriedigt das vielleicht nicht. Sehenswert ist es aber allemal.