Die „Salonkunst“ ist der Buhmann der Kunstgeschichte. In konventionellen Darstellungen der Moderne muss sie als Kontrastfolie herhalten, vor deren Hintergrund sich der Siegeszug der klassischen Avantgarden ab dem Impressionismus umso strahlender abhebt. Wie bei dunklen Gestalten üblich, weiß man nicht so genau, wie Salonkunst eigentlich aussieht – und will es meist gar nicht wissen.
Info
Gut - Wahr - Schön - Meisterwerke des Salon de Paris aus dem Musée d'Orsay
22.09.2017 - 28.01.2018
täglich 10 bis 20 Uhr
in der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, Theatinerstraße 8, München
Katalog 29 €
Auch Neuerer wollen Publikum
Umso verdienstvoller ist diese Ausstellung in der Kunsthalle München: Rund 100 Leihgaben aus dem Pariser Musée d’Orsay räumen mit dem Vorurteil der in altbackenen Schemata erstarrten Salonkunst gründlich auf. Dass die viel Geschmähte in Wirklichkeit ein äußerst vielgestaltiges Phänomen war, wird dabei ebenso deutlich wie die Tatsache, dass viele malerische Neuerungen im Salon ihren Platz hatten: Auch innovative Künstler suchten den Erfolg beim breiten Publikum.
Impressionen der Ausstellung
Kunst-Kanon zur Bildung der Nation
Der schlechte Ruf der Salonkunst beruht hierzulande vor allem auf Unkenntnis. Die Salon-Schau war eine französische Erfindung und bis 1880 eine staatliche Veranstaltung; die meisten gezeigten Werke blieben im Lande. Bereits 1648 entstand in Paris die Académie royale de peinture et de sculpture. Deren Mitglieder stellten ab 1725 jährlich ihre neuesten Arbeiten im Salon Carré des Louvre aus; daher die Bezeichnung Salonkunst.
1797 wurde die École des Beaux-Arts gegründet. Nach der Lehrzeit durchliefen ihre Absolventen einen dreistufigen Wettbewerb mit dem Prix de Rome als Hauptgewinn: ein staatliches Stipendium für einen bis zu fünfjährigen Aufenthalt in der Villa Medici, um antike und italienische Originale zu studieren. Aus Rom mussten die Stipendiaten regelmäßig Arbeitsproben schicken; die besten wurden vom Staat ebenso erworben wie herausragende Exponate der Salon-Ausstellungen. Diese Ankäufe sollten als Kunst-Kanon zur Bildung und Selbstvergewisserung der politisch zerrissenen Nation beitragen – eine geradezu vorbildliche Exzellenz-Förderung.
So viel Aufmerksamkeit wie für Oscars
Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden die zweimonatigen Salon-Ausstellungen zu gesellschaftlichen Großereignissen von europaweiter Ausstrahlung. Ab 1857 drängten sich Hunderttausende von Schaulustigen im Palais de l´Industrie, um bis zu 7000 Gemälde, Grafiken und Skulpturen zu bestaunen. Jeder Künstler durfte zwei Werke einreichen; was die Salon-jury zuließ oder nicht, wurde in der Presse erregt diskutiert. Abgelehnte Aspiranten organisierten manchmal Parallel-Schauen. So viel öffentliche Aufmerksamkeit für Kulturelles findet heute allenfalls die Oscar-Vergabe.
Traditionell galten Historienbilder als vornehmste Gattung der Malerei: geschichtliche, mythologische und religiöse sujets mit strahlenden Helden. Das Schöne sollte zugleich das Gute und Wahre darstellen. Doch im von Kriegen, politischen und wirtschaftlichen Krisen erschütterten 19. Jahrhundert schwand der Konsens darüber, was als vorbildlich anzusehen sei. Das schlug sich in der Kunstproduktion nieder: Was auf heutige Betrachter relativ einheitlich wirkt – Großformate mit viel Pathos und nackter Haut –, erschien damaligen Zeitgenossen als sehr unterschiedlich.
Reklame für Zombie-Film
So schieden sich an William Bouguereau (1825-1905) die Geister. Er war im Salon von 1850 mit dem Gemälde „Dante und Vergil“ vertreten. Es zeigt eine Episode aus der „Göttlichen Komödie“: Beide Dichter beobachten in der Hölle, wie ein nackter Tollwütiger einen Alchimisten anfällt und in den Hals beißt. Während man die perfekte Maltechnik des erst 25-Jährigen lobte, wurde der Bildinhalt als grauenhaft, hässlich und trostlos abgetan – kein Wunder: Damit ließe sich jeder Zombie-Film bewerben.