Berlin

Ari-Arirang. Korea – Faszination für ein verschlossenes Königreich

Unbekannter Meister: Suryukjae, Wasser- und Landritual für verstorbene Seelen (Detail), frühes 20. Jh., Malerei auf Textil. Fotoquelle: © ohe
Eine Premiere: Das Museum für Asiatische Kunst und das Ethnologische Museum richten ihre erste Sonderausstellung im Humboldt Forum aus. Doch über die koreanische Kultur erfährt man wenig – den Schauraum füllen willkürlich ausgewählte Exponate wie Kopfbedeckungen und Theatermasken.

So sieht also die erste Sonderausstellung des Museums für Asiatische Kunst und des Ethnologischen Museums im Humboldt Forum aus: ein einzelner Saal voller Vitrinen, nebst einem Vorraum mit drei Exponaten. Derartige Bescheidenheit wäre nicht nötig gewesen: Immerhin war der Umzug beider Museen mit ihren Weltklasse-Sammlungen aus Berlin-Dahlem in die Stadtmitte der Anlass zum Bau der riesigen Schloss-Rekonstruktion.

 

Info

 

Ari-Arirang. Korea – Faszination für ein verschlossenes Königreich

 

13.10.2023 - 21.04.2024

 

täglich außer dienstags 10.30 bis 18.30 Uhr,

im Humboldt Forum, Schlossplatz, Berlin

 

Broschüre gratis

 

Weitere Informationen zur Ausstellung

 

Und immerhin sind seit der ersten Teil-Eröffnung mehr als zwei Jahre vergangen; seit über einem Jahr ist das gesamte Humboldt Forum zugänglich. Da könnte man bei der ersten Sonderschau der beiden wichtigsten Nutzer etwas mehr Aplomb erwarten. Aber nein: Zum Auftakt beschränkt man sich auf eine „umfassende Präsentation der bislang kaum bekannten koreanischen Bestände des Ethnologischen Museums“. Sie reichen bis etwa 1870 zurück; Älteres fehlt.

 

Nur vier Leihgaben aus Seoul

 

Umfassend heißt: rund 120 Objekte, größtenteils sehr kleinteilig. „Wir können nur zeigen, was wir haben“, sagt Kuratorin Maria Sobotka. Obwohl es bekanntlich Leihverkehr gibt: Vier traditionelle Würdenträger-Porträts in Tuschemalerei auf Seide kommen aus dem „National Museum of Korea“ in Seoul. Aber als einzige Leihgaben; alles andere stammt aus dem hauseigenen Depot.

Interview mit Kuratorin Maria Sobotka + Impressionen der Ausstellung


 

Einseitiges Bild voller Leerstellen

 

Die Grundidee ist also nicht, koreanische Geschichte und Kultur dem hiesigen Publikum umfassend näherzubringen, sondern: die Berliner Korea-Kollektion auszubreiten. Dass sie viele Lücken und skurrile Schwerpunkte hat, so dass ein arg einseitiges Bild voller Leerstellen entsteht, darf nicht überraschen. Manche ließen sich durch kompakte Informationen zur Einführung füllen, doch die Macher beschränken sich auf ein halbes Dutzend Kürzest-Texte. An der Wand wie in der ausliegenden Gratis-Broschüre; für letztere Neues zu formulieren, war scheinbar zu aufwändig.

 

Im Vorraum vertreten drei einzelne Exponate die drei Religionen, die Korea geprägt haben. Das erfährt man auf Nachfrage; zu lesen ist das nicht. Zwei überlebensgroße jangseung-Figuren stehen für den Volks-Schamanismus; solche hölzernen „Dorfwächter“ wurden am Ortseingang aufgestellt, um Unheil abzuhalten. Das Ganzkörper-Porträt eines Zivilbeamten vom Ende des 18. Jahrhunderts repräsentiert die Ausrichtung von Eliten und Verwaltung am chinesischen Konfuzianismus. Ein buntes, etwa 100 Jahre altes Wimmelbild mit „Ritualen für verstorbene Seelen“ verweist auf den Buddhismus.

 

Christentum bleibt unerwähnt

 

Ausgeblendet wird jedoch, dass Korea nach den Philippinen diejenige ostasiatische Nation mit den meisten Christen ist: Rund ein Drittel der Südkoreaner gehört christlichen Konfessionen an. Die Missionierung war schon im 19. Jahrhundert erfolgreich und erhielt einen Schub während der Kolonisierung durch Japan ab 1905 – als Akt des geistigen Widerstands gegen die Besatzer. All das bleibt völlig unerwähnt; vermutlich fand sich dazu kein Objekt im Museumsdepot.

 

Dagegen wird im Hauptsaal das Selbstverständnis der konfuzianischen Beamtenschaft gewürdigt – mit historischen Fotos, einem Stellschirmchen, Pinselhalter, Herrenschuhen, Brille im Futteral und Tabakdose. Nebenan erinnert eine Prunkuniform an die – abnehmende – Bedeutung des Militärs im Lauf der langen Herrschaft der Joseon-Dynastie von 1392 bis 1910. Das schöne Geschlecht wird mit Toiletten-Artikeln wie Kamm, Haarnadel, Schminkdöschen und einem Hochzeitsgewand bedacht. Die Aufnahme einer barbusigen Wasserträgerin illustriert, wie stolz Frauen im patriarchalen System während der Stillzeit über die Geburt eines Sohnes waren.

 

Gewagtes im Land der Hüte

 

Den auf dieses Weise eingesparten Platz verwendet die Schau auf ihr Prunkstück: eine ausladende Tribüne mit zwei Dutzend Kopfbedeckungen. Mehr als in vielen anderen Gesellschaften zeigten sie den sozialen Status ihres Trägers an. Da sie ständig in verschiedensten Formen getragen wurden, nannten ausländische Besucher Korea das „Land der Hüte“, betont die Kuratorin. Sie ist davon so angetan, dass die zeitgenössische Modistin Fiona Bennett beauftragt wurde, noch ein paar weitere gewagte Kreationen zu gestalten. Drei davon darf man aufsetzen und sich „Geschichten“ ihrer Träger anhören.

 

Derart verspielte Mitmach-Aktionen würden sich auch bei der letzten Abteilung anbieten: einer Wand voller Masken. Nicht den fein modellierten und raffiniert bemalten Gesichtern der chinesischen Oper oder des japanischen Nō-Theaters, sondern eher grobschlächtigen Exemplaren für burleske Bauernschwänke. Ohnehin wirken viele Elemente der koreanischen Kultur wie rustikale Volksausgaben chinesischer und japanischer Vorlagen. Inwieweit die beiden mächtigen Nachbarn Korea beeinflusst haben, wird aber nirgends angesprochen.

 

Erstmal im Fundus stöbern

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Checkpoint – Grenzblicke aus Korea" – koreanische Gegenwartskunst mit politischem Bezug im Kunstmuseum Wolfsburg

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung "Entdeckung Korea! – Schätze aus deutschen Museen" – Überblicksschau über Geschichte + Kultur der Halbinsel in Leipzig, Frankfurt + Stuttgart

 

und hier einen Beitrag über den Film "Minari – Wo wir Wurzeln schlagen" über eine koreanische Einwandererfamilie von Lee Isaac Chung, Oscar-prämiert

 

und hier einen Bericht über die "Neueröffnung Museum für Asiatische Kunst + Ethnologisches Museum im Humboldt Forum" (1. Teil) im September 2021, Berlin.

 

Stattdessen endet die Schau mit Tafelbildern: an der klassischen Moderne orientierten Werken von Bae Unseong (1900-1978) und einem ganzen Schwung von Blättern der zeitgenössischen Künstlerin Yerin Hong, die in naiver Manier Alltagsszenen zeichnet und koloriert. Offenbar war sie zeitweise in Berlin, wovon ihre Motive zeugen, und ist mit dem Macher-Team vertraut; andernfalls wäre unerklärlich, warum ihre banalen Bildchen so üppig inszeniert werden.

 

Dieser Missgriff ist symptomatisch für das ganze Unterfangen, dem offenkundig ein schlüssiges Konzept fehlt. Am Anfang stand nicht die Frage, welches Thema man möglichst überzeugend dem Publikum präsentieren will, sondern ein Rundgang durch den Fundus: Was haben wir denn auf Lager, und passt das irgendwie in die Räume? Das mag bei einem Heimatmuseum angehen, das seine Sommerschau plant – bei zwei ethnographischen Museen mit Beständen von Weltgeltung wirkt es dilettantisch.

 

Kein Aufstieg in die erste Liga

 

Sie sind ins Humboldt Forum verlegt worden, damit sie in Sachen Attraktivität und Strahlkraft künftig in der ersten Liga mitspielen, mit dem British Museum in London, dem New Yorker Metropolitan Museum oder dem Musée du Quai Branly in Paris. Ihre Sammlungen gäben das her. Doch ihrem Personal war es mit verstaubt-verzetteltem Spezialistentum gelungen, schon den alten Standort in Berlin-Dahlem leer zu fegen. Die erste Sonderausstellung im neuen Haus lässt nicht hoffen, dass sich das bald ändern wird.