Berlin

Caspar David Friedrich – Unendliche Landschaften

Caspar David Friedrich: Der einsame Baum, 1822, Öl auf Leinwand, 55 x 71 cm. Fotoquelle: Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie
Wo der romantische Maler gleich zwei Mal entdeckt wurde: Für den Durchbruch von C.D. Friedrich war die Alte Nationalgalerie entscheidend, doch zum 250. Geburtstag widmet sie ihm erstmals eine Werkschau – diese lässt in ihrer Konzentration auf „Friedrich pur“ keine Wünsche offen.

Keine Sorge: Diese Ausstellung ist keine Neuauflage derjenigen in der Hamburger Kunsthalle, die bis Ende März mehr als 330.000 Schaulustige angelockt hat. Die zweite große Jubiläumsschau anlässlich des 250. Geburtstags von Caspar David Friedrich (1774-1840) bemüht sich weder um Aktualität noch um Bezüge zum Zeitgeist. Stattdessen konzentriert sie sich ganz unaufgeregt auf das Lebensthema des Malers: Landschaften. Sie kommen in den großzügigen Sälen der Alten Nationalgalerie wunderbar zur Geltung.

 

Info

 

Caspar David Friedrich -
Unendliche Landschaften

 

19.04.2024 - 04.08.2024

täglich außer montags 10 bis 18 Uhr, freitags und samstags bis 20 Uhr,
ab 5. Mai ab 9 Uhr und zusätzlich donnerstags bis 20 Uhr

in der Alten Nationalgalerie, Museumsinsel, Berlin

 

Katalog 30 €

 

Weitere Informationen zur Ausstellung

 

Webportal zum 250. Geburtstag von C.D.F.

 

„Friedrich pur“ bringt Kuratorin Birgit Verwiebe ihre Auswahl von 115 Werken auf den Punkt. Wobei sich der Maler nur ein paar Monate lang in Berlin aufgehalten hat, auf einer Reise 1798 von Kopenhagen nach Dresden. Doch diese Zwischenstation hatte weitreichende Folgen. Durch dabei geknüpfte Kontakte gelangten 1810 zwei seiner Landschafts-Gemälde in die Berliner Akademieausstellung: der „Mönch am Meer“ (1808/10) und die „Abtei im Eichwald“ (1809/10) – beide Werke begrüßen nun an prominenter Stelle das Publikum.

 

Berühmt durch zwei Königs-Bilder

 

Mit ihnen wurde Friedrich schlagartig berühmt. König Friedrich Wilhelm III erwarb das Bilderpaar für 450 Taler; später kauften er und seine Kinder weitere Gemälde von Caspar David Friedrich an. Geistesgrößen wie Friedrich Schleiermacher, Clemens von Brentano, Achim von Arnim oder Heinrich von Kleist schwärmten von ihm, die Berliner Akademie der Künste nahm ihn als Mitglied auf. Zudem legte der Sammler Johann Heinrich Wagener mit seinen Erwerbungen von Friedrich-Gemälden den Grundstein zur Nationalgalerie.

Impressionen der Ausstellung


 

Klassiker + kaum Bekanntes

 

Ohne den Durchbruch in der preußischen Hauptstadt wäre Friedrich wohl kein so populärer Künstler geworden. Dennoch geriet er in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Vergessenheit. Für seine Wiederentdeckung sorgte 1906 abermals Berlin: Zur „Deutschen Jahrhundertausstellung“ holte Nationalgalerie-Direktor Hugo von Tschudi etliche Bilder des Romantikers aus dem Depot. Von 93 Werken, die damals zu sehen waren, hängen jetzt 45 in demselben Gebäude. Keine Frage: Die erste Friedrich-Retrospektive auf der Berliner Museumsinsel war einfach überfällig.

 

Natürlich sind unter den gezeigten 61 Gemälden und 54 Zeichnungen zahlreiche Klassiker: etwa der „Kreidefelsen auf Rügen“ (1818/9), der „Mondaufgang am Meer“ (1822), das „Eismeer“ (1823/4) oder der „Watzmann“ (1824/5). Daneben finden sich aber auch weniger bekannte Werke wie die „Landschaft mit Windmühlen“ (1822/23), die an holländische Landschaftsmalerei erinnert, oder eine geradezu schwülstige „Kathedrale“ (1818); auf diesem Bild singt ein putziger Engelschor vor einem hochgotischen Sakralbau, der aus einem Wolkenmeer emporschießt.

 

Entgrenzung des Naturraums

 

Grob aufgeteilt sind die Exponate nach den Schwerpunkten Meer und Gebirge. Sie bilden zugleich – mit der Geburtsstadt Greifswald und dem späteren Lebensmittelpunkt Dresden – Friedrichs biografische Pole und spiegeln sich in seinen Seelenlandschaften wider. Diese umkreisen immer wieder die Sujets Küste, Ufer und Meer. „Mit keinem Bildgegenstand ließ sich die Entgrenzung des Naturraums überzeugender darstellen“, stellt die Kunsthistorikerin Anina Gröger fest.

 

Ob die „Zwei Männer am Meer“ (1817) oder die „Frau am Strand von Rügen“ (1818): Ein in der Ferne verschwimmender Horizont und der weite Himmel, der sich darüber wölbt, sind perfekte Sinnbilder für die Unendlichkeit von Zeit und Raum. Als besonders schönes Beispiel dafür darf das „Seestück bei Mondschein“ (1827/28) gelten: Ganz auf Schwarz- und Blautöne reduziert, verbreitet einzig das sich im Wasser spiegelnde Mondlicht, das ein Segelboot in der Mitte beleuchtet, einen Hoffnungsschimmer.

 

Zeichnungen als Versatzstücke

 

Die Grafik-Exponate – meist aus dem reichen Bestand des Kupferstichkabinetts – führen vor, dass Friedrich schon früh präzise realistische Zeichnungen von Landstrichen mit Gewässern anfertigte, die er später für große Werke wie den „Mönch am Meer“ verwendete. So läuft ein um 1815 skizziertes „Segelschiff“ drei Jahre später den „Greifswalder Hafen“ (1818/20) an.

 

Am anderen Ende seines Themenspektrums stehen die Gebirgslandschaften. Friedrich durchwanderte ausgiebig den Harz, die Sächsische Schweiz oder das Riesengebirge, um dort seine Eindrücke in Detailstudien festzuhalten. Daraus komponierte er im Atelier später Gemälde mit geistig-religiösen Inhalten.

 

Fantasielandschaften steuern Emotionen

 

Mal hüllt er die Berge in mystische Nebel aus feinsten Farbnuancen wie bei der „Riesengebirgslandschaft mit aufsteigendem Nebel“ (1819/20). Mal verweist er wie beim Bild „Kreuz im Gebirge“ (1812) mit diesem Symbol überdeutlich auf den allmächtigen Urheber der Schöpfung. Trotz seiner akribischen Vorbereitung mit Naturstudien erschafft er damit Fantasielandschaften, die es in dieser Form nirgendwo gibt.

 

Doch erzeugen sie stets eine stimmungsvolle Atmosphäre, sprechen die Emotionen des Betrachters an und evozieren damit Gemütslagen wie Sehnsucht, Hoffnung oder Demut. Ein prägnantes Beispiel dafür ist „Der Watzmann“ (1824/25); diesen alpinen Gipfel hat der Maler nie gesehen. Indem er verschiedene Elemente wie Hänge, Felsen und Bergflanken staffelt, inszeniert er jedoch den Eindruck göttlicher Erhabenheit; der betrachtende Blick wird geschickt himmelwärts gelenkt.

 

Variationen in Serie

 

Sehr reizvoll ist auch die Gegenüberstellung von Bildpaaren. Mit Werken im gleichen Format spielt der Künstler Motive in Varianten durch, um die Wirkung unterschiedlicher Jahres- und Tageszeiten einzufangen: hier ein in herbstlichen Grün- und Brauntönen gehaltener „Tannenwald mit Wasserfall“ (1828) – dort finstere, aber von weißen Tupfen besprenkelte Bäume mit dem Titel „Frühschnee“ (1827).

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Caspar David Friedrich – Kunst für eine neue Zeit"  – große Werkschau zum 250. Geburtstag in der Hamburger Kunsthalle

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung "Wanderlust – Von Caspar David Friedrich bis Renoir" – opulent bestückte Schau zu 200 Jahren Natur-Erkundung in der Kunst in der Alten Nationalgalerie, Berlin

 

und hier einen Beitrag über die Ausstellung  "Mehr Licht – Die Befreiung der Natur" – hervorragende Überblicks-Schau über Freiluft-Ölskizzen des 19. Jh. in Düsseldorf + Lübeck mit Werken von Caspar David Friedrich.

 

und hier einen Bericht über die Ausstellung "Die Sammlung des Bankiers Wagener: Die Gründung der Nationalgalerie" zum 150. Jahrestag ihrer Eröffnung mit Werken von Caspar David Friedrich.

 

Daran knüpfen Werke an, die Friedrich in mehreren Variationen malte. Etwa drei Mal das Bild „Zwei Männer in Betrachtung des Mondes“ (1818/20), wobei er in der intensiv leuchtenden Fassung von 1824 einen Mann gegen die Silhouette einer Frau austauschte; wohl die seiner Gattin Caroline, die er sechs Jahre zuvor geheiratet hatte. Auch sein „Kreuz an der Ostsee“ hat der Künstler mehrmals kopiert – weil es zum Verkaufsschlager geworden war?

 

Konzentration aufs Wesentliche

 

Wie sehr Friedrich an seinen Kompositionen gefeilt hat, belegen neue Erkenntnisse zur Maltechnik – Ergebnisse eines seit zehn Jahren laufenden Forschungsprojekts. So lassen sich auf Infrarot-Reflektogrammen vom „Eismeer“-Gemälde Konturen von Schiffen entdecken, die der Künstler später übermalt hat. Ähnlich gibt es bei seinem „Greifswalder Hafen“ (1818/20) Unterzeichnungen von Ruderbooten, die er nicht ausführte – Friedrich war ein großer Meister des Weglassens und der Konzentration aufs Wesentliche.

 

Den Schlussakzent setzt jedoch ein Zeitgenosse. Der japanische Künstler Hiroyuki Masuyama, der seit 2001 in Düsseldorf lebt und arbeitet, hat an realen Entstehungsorten von Friedrichs Werken unzählige Fotos angefertigt und anschließend für LED-Leuchtkästen zusammengepuzzelt. Auf diese Weise rekonstruiert Masuyama ikonische Gemälde wie den „Mondaufgang am Meer“, aber auch verloren gegangene Arbeiten.

 

Was bleibt für Dresden?

 

Täuschend echt sehen diese Bilder aus, würden nicht zuweilen Menschen der Jetztzeit darauf erscheinen. Doch gerade das macht ihre Zeitlosigkeit offenkundig. Diese hervorragend konzipierte Gedenkschau lässt keine Wünsche von Friedrich-Liebhabern offen; man darf gespannt sein, was die dritte Ausstellung zum Jubiläumsjahr ab Ende August in Dresden dem noch hinzufügen will.