Stein-Gesichter schauen uns an: Drei mannshohe Stelen in stark stilisierter menschlicher Gestalt begrüßen die Besucher. Diese Figuren sind mindestens 5.000 Jahre alt und wurden vor kurzem im Norden Saudi-Arabiens nahe Tayma’ und Ha’il gefunden – beide Städte waren in der Antike bedeutende Wirtschafts-Zentren.
Info
Roads of Arabia – Archäologische Schätze aus Saudi-Arabien
26.01.2011 - 09.04.2012
täglich 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr im Museum für Islamische Kunst, Pergamonmuseum, Am Kupfergraben, Berlin
Katalog 45 €
Uralte Traditionen und Kontinuitäten
Ein programmatischer Auftakt: Die von der saudischen Regierung finanzierte Schau, die zuvor in Paris, Barcelona und Sankt Petersburg zu sehen war, soll uralte Traditionen und Kontinuitäten in der Region demonstrieren. Für den Westen nichts Neues: Dass Kulturen nicht vom Himmel fallen, sondern sich durch ständigen Austausch wandeln und fortentwickeln, gilt in Europa als Binse.
Interview mit Museums-Direktor Stefan Weber und Impressionen der Ausstellung
Bindemittel für eine fragile Nation
Für das wahhabitische Königreich bedeutet diese Einsicht eine kleine Kulturrevolution: Es gab hoch entwickelte Zivilisationen auf dem Gebiet des heutigen Saudi-Arabien, bevor der Islam aufkam. Dessen Formierung speiste sich aus älteren Quellen – selbst die Heiligtümer von Mekka waren bereits viel besuchte Wallfahrts-Orte, als Mohammed hier seine Lehre verkündete.
Dieses Eingeständnis kommt einem Affront gegen den erzkonservativen Klerus gleich. Der hatte lange die Beschäftigung mit der vorislamischen Epoche eingeschränkt. Seit den 1970er Jahren wird in Saudi-Arabien systematisch geforscht; spektakuläre Entdeckungen gelangen erst in jüngster Zeit. Kräftig gefördert vom Königshaus, das die Berufung auf eine Jahrtausende alte Geschichte als Bindemittel für seine junge und fragile Nation einsetzen will.
Oasen mit eigener Schrift
Was Archäologen aus dem Wüstenboden ausgruben, ist erstaunlich – für alle, die sich dort nur ausgedörrte Sandflächen mit spärlichen Oasen vorstellen können. So unwirtlich war die Halbinsel früher nicht; noch vor 10.000 Jahren fiel drei Mal mehr Regen als heute. Seit jeher wird sie bewohnt, zeitweise dichter als gegenwärtig: Sogar in historischer Zeit wurden viele Flächen landwirtschaftlich genutzt, die nun verödet sind.
Allerdings waren die Siedlungs-Strukturen schon immer sehr ausgedünnt und weit verstreut. Die Menschen lebten in kleinen Ortschaften entlang der Handels-Routen von Karawanen. Weihrauch und Myrrhe aus der Südküste, dem heutigen Jemen, waren in der gesamten antiken Welt begehrt. Die isolierte Lage etlicher Oasen begünstigte kulturelle Zersplitterung: Manche von ihnen kannten nicht nur lokale Sprachen, sondern auch ihre eigene Schrift.
Schrift-Tafel mit römischem Kaiser
Gleichzeitig reichte der Fernhandel sehr weit: Mitten im Landesinneren tauchen Keramik aus dem heutigen Irak und Iran, griechische Münzen und römisches Glas auf. Offenbar war die Halbinsel um die Zeitenwende herum weitgehend hellenisiert und später romanisiert – das belegen Zeugnisse von Festungs-Architektur bis zu Fresken-Malereien mit Bankett-Szenen.
Im nordwestlichen Mada’in Salih, der nach Petra in Jordanien zweitwichtigsten Stadt im Reich der Nabatäer, wurde 2003 eine lateinische Schrift-Tafel aus dem Jahr 177 n.Chr. gefunden; sie bezieht sich auf den römischen Kaiser Mark Aurel.