
Und die Bibel hat doch Recht: «Die Weisheit baut sich ein Haus» – kann es eine schönere Definition der Bibliothek geben? Sie findet sich im Alten Testament in den Sprüchen Salomos; dabei waren zu dieser Zeit kaum Häuser notwendig, um Geistes-Schätze aufzubewahren.
Info
Die Weisheit baut sich ein Haus - Architektur und Geschichte von Bibliotheken
14.07.2011 - 16.10.2011
täglich außer montags 10 - 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr in der Pinakothek der Moderne, München
Katalog 35 €, im Buchhandel 49,95 €
Alphabet als Ordnungsprinzip
Mit Erfindung des Buchdrucks explodierte die Zahl der Publikationen – nun wurde die Bibliothek zur eigenständigen Bauaufgabe. Deren Geschichte zeigt das Architekturmuseum der TU München in den Räumen der Pinakothek der Moderne anhand von Plänen, Fotos und Modellen mustergültig geordnet. Das entspricht dem Gegenstand der Schau: Bibliotheken dienen dazu, die Fülle des Wissens zu ordnen und leicht zugänglich zu machen.
Eine Sammlung von 50.000 Büchern sei ebenso wenig eine Bibliothek wie 30.000 Mann eine Armee, bemerkte 1627 der französische Gelehrte Gabriel Naudé. Deren Systematisierung ist der erste Teil der Schau gewidmet: mit bibliophilen Raritäten aus der Stiftung Werner Oechslin im schweizerischen Einsiedeln. Dass die Anordnung der Buchstaben im Alphabet und der Wörter im Lexikon gleichsam das Ordnungsprinzip für Bibliotheken vorgibt, wurde schon früh erkannt.
Eine der ersten neuzeitlichen Bibliotheken entwarf Michelangelo Anfang des 16. Jahrhunderts in Florenz: Die Laurenziana ähnelt mit axialer Ausrichtung und den parallel angeordneten Lesebänken einem Kirchenschiff. Bald bildeten sich Saal- und Zentralbauten als wichtigste Bibliothekstypen heraus. Wie die von Karl Friedrich Schinkel 1835 geplante «Königliche Bibliothek»: Sie wurde nie gebaut, setzte aber mit ihrer rigiden Rasterung Maßstäbe.
Intro- und extrovertierte Bibliotheken
Andere Bibliotheken – insbesondere Freihand-Bibliotheken, in denen alle Benutzer auf jedes Werk zugreifen können – betonten vor allem den Lesesaal als demokratischen Gemeinschafts-Raum, in dem alle Wege zusammenlaufen: etwa die 1927 eröffnete Stockholmer Stadtbücherei von Gunnar Asplund. Daran hat sich wenig geändert; mittlerweile unterscheidet man noch «introvertierte» von «extrovertierten» Bibliotheken.
Die introvertierten schirmen sich nach außen ab und bieten geschützte Räume der Konzentration – so etwa die neue Bibliothek von Alexandria, die 2002 fertig gestellte wurde. Die extrovertierten öffnen sich der Umgebung, laden zum Flanieren und Stöbern ein: Nach diesem Muster werden heutzutage viele Mediatheken angelegt. Sie bieten neben Büchern auch andere Datenträger und Zugang zu virtuellen Informationen.
Nirgendwo das gesamte Weltwissen
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Eine Bibliothek macht Geschichte" über 350 Jahre Staatsbibliothek zu Berlin im Deutschen Historischen Museum, Berlin
und hier eine Besprechung der Ausstellung von SANAA Tokio - Kazuyo Sejima + Ryue Nishizawa im Aedes Architekturforum Berlin.
Dennoch sind in den letzten Jahrzehnten mehr Bibliotheken gebaut worden als je zuvor. Mit den düster-strengen Kathedralen der Lektüre von einst haben sie jedoch wenig gemeinsam. Herzog & de Meuron für Cottbus und SANAA für Lausanne haben biomorphe, von Licht durchflutete Gebilde entworfen, die Nutzern ihren Aufenthalt so angenehm wie möglich machen sollen. Damit auch die Generation Internet gerne zum guten Buch greift.