Schlösser mit Pompeij-Motiven ausgemalt
Ähnlich gastfreundlich war Fürst Franz von Anhalt-Dessau, der Pompeji 1766 auf seiner «Grand Tour» durch Italien besuchte. Die Ausgrabungs-Funde beeindruckten ihn sehr: Nach seiner Rückkehr ließ er ab 1773 die Schlösser seines «Gartenreiches» in Wörlitz bei Dessau mit Wand- und Decken-Malereien im antiken Stil ausschmücken.
Sie sind bis heute ausgezeichnet erhalten. Dieses Erbe nimmt das Gartenreich zum Anlass für die Parallel-Ausstellung «Fremde Welt ganz nah» im Obergeschoss von Schloss Wörlitz. Zudem können Besucher mit einer «Entdecker-Karte» den zahlreichen Spuren nachgehen, die Franz’ Begeisterung für Pompeji und Herculaneum in Wörlitz hinterlassen hat.
Impressionen aus dem Gartenreich von Schloss Wörlitz: künstlicher Vulkan + Villa Hamilton
Miniatur-Vesuv auf künstlicher Insel
Allgegenwärtig sind sie in den fürstlichen Wohngemächern des Schlosses: Fast jeder Raum ist verschwenderisch mit antikisierenden Motiven und Souvenirs ausgestattet. Die damals schwer zu ergattern waren: König Karl III. von Neapel hatte streng verboten, Ausgrabungs-Funde auszuführen; selbst Abzeichnungen waren untersagt.
Fürst Franz behalf sich mit Repliken nach Vorlagen aus Pracht-Bildbänden, die Sir William Hamilton veröffentlicht hatte; der britische Gesandte in Neapel war Hobby-Archäologe. Und der Landesherr schuf sich seine eigenes kleines Pompeji: Im See des Gartenreiches ließ er die «Insel Stein» aufschütten. Samt italienischer Villa als Hommage an Hamilton und einem Miniatur-Vesuv – dem einzigen künstlichen Vulkan in Europa.
Infotainment-Programm für Untertanen
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Besprechung der Ausstellung "Gandhara" über antike graeco-indische Misch-Kulturen in Zentral-Asien im Museum DKM, Duisburg
und hier einen Beitrag zur Ausstellung “Die entfesselte Antike: Aby Warburg und die Geburt der Pathosformel” über die Wanderung antiker Kunst-Formen im Wallraf-Richartz-Museum, Köln
und hier eine Rezension der neuen Dauer-Ausstellung “Antike Welten” mit Meisterwerken der griechischen + römischen Kunst im Alten Museum, Berlin
und hier einen Artikel über die Ausstellung "Königsstadt Naga: Grabungen in der Wüste des Sudan" über das antike Reich von Meroë zwischen Ägypten und Schwarzafrika im Kunstforum der Berliner Volksbank.
Der Fürst ergötzte sich nicht nur an diesem skurrilen Spektakel. Er legte seine artifizielle Vulkan-Insel zugleich als Infotainment-Programm für bildungshungrige Untertanen an, die allzeit freien Zugang hatten: Neben dem Pseudo-Vesuv wurden ein antikes Amphitheater und die Gymnasiums-Mauer von Taormina nachgebaut.
Rundgang erspart Neapel-Reise
Das Berg-Innere ist von Grotten durchlöchert. Sie gestatten dem Publikum gleichsam eine unterirdische Besichtigung des verschütteten Herculaneums. Ausgestattet mit allerlei Spolien, Götter-Statuen und anderen Kunstwerken, erspart der Rundgang dem Besucher die weite Reise ins ferne Neapel.
Bis heute: Zu DDR-Zeiten vernachlässigt, präsentiert sich das Gartenreich inzwischen wieder als Kleinod der Italien-Begeisterung eines kunstsinnigen Duodez-Fürsten. Das in ganz Europa nicht seinesgleichen hat: Feuerspuckende Vulkane gibt es in vielen Ländern – aber einen, der farbiges Wasser ausspeit, nur in Dessau-Wörlitz.