Halle/ Saale + Dessau

Pompeji – Nola – Herculaneum. Katastrophen am Vesuv

Antikisierende Statue und Wand-Gemälde in einer künstlichen Grotte auf der Insel Stein im Garten von Schloss Wörlitz, Gartenreich, Dessau-Wörlitz. Foto: ohe
Als Fürst Franz von Anhalt-Dessau 1766 den Vesuv bestieg, änderte das sein Leben komplett. Das zeigen eine prachtvolle Ausstellung im Landesmuseum von Halle – und im Gartenreich von Dessau-Wörlitz der einzige künstliche Vulkan Europas.

Schlösser mit Pompeij-Motiven ausgemalt

 

Ähnlich gastfreundlich war Fürst Franz von Anhalt-Dessau, der Pompeji 1766 auf seiner «Grand Tour» durch Italien besuchte. Die Ausgrabungs-Funde beeindruckten ihn sehr: Nach seiner Rückkehr ließ er ab 1773 die Schlösser seines «Gartenreiches» in Wörlitz bei Dessau mit Wand- und Decken-Malereien im antiken Stil ausschmücken.

 

Sie sind bis heute ausgezeichnet erhalten. Dieses Erbe nimmt das Gartenreich zum Anlass für die Parallel-Ausstellung «Fremde Welt ganz nah» im Obergeschoss von Schloss Wörlitz. Zudem können Besucher mit einer «Entdecker-Karte» den zahlreichen Spuren nachgehen, die Franz’ Begeisterung für Pompeji und Herculaneum in Wörlitz hinterlassen hat.


Impressionen aus dem Gartenreich von Schloss Wörlitz: künstlicher Vulkan + Villa Hamilton


 

Miniatur-Vesuv auf künstlicher Insel

 

Allgegenwärtig sind sie in den fürstlichen Wohngemächern des Schlosses: Fast jeder Raum ist verschwenderisch mit antikisierenden Motiven und Souvenirs ausgestattet. Die damals schwer zu ergattern waren: König Karl III. von Neapel hatte streng verboten, Ausgrabungs-Funde auszuführen; selbst Abzeichnungen waren untersagt.

 

Fürst Franz behalf sich mit Repliken nach Vorlagen aus Pracht-Bildbänden, die Sir William Hamilton veröffentlicht hatte; der britische Gesandte in Neapel war Hobby-Archäologe. Und der Landesherr schuf sich seine eigenes kleines Pompeji: Im See des Gartenreiches ließ er die «Insel Stein» aufschütten. Samt italienischer Villa als Hommage an Hamilton und einem Miniatur-Vesuv – dem einzigen künstlichen Vulkan in Europa.

 

Infotainment-Programm für Untertanen

 

Hintergrund

Lesen Sie hier eine Besprechung der Ausstellung "Gandhara" über antike graeco-indische Misch-Kulturen in Zentral-Asien im Museum DKM, Duisburg

 

und hier einen Beitrag zur Ausstellung “Die entfesselte Antike: Aby Warburg und die Geburt der Pathosformel” über die Wanderung antiker Kunst-Formen im Wallraf-Richartz-Museum, Köln

 

und hier eine Rezension der neuen Dauer-Ausstellung “Antike Welten” mit Meisterwerken der griechischen + römischen Kunst im Alten Museum, Berlin

 

und hier einen Artikel über die Ausstellung "Königsstadt Naga: Grabungen in der Wüste des Sudan" über das antike Reich von Meroë zwischen Ägypten und Schwarzafrika im Kunstforum der Berliner Volksbank.

Nach mehrjähriger Restaurierung ist er wieder funktionstüchtig: Zu besonderen Anlässen inszeniert die Park-Verwaltung einen «Vulkan-Ausbruch». Dabei schießt Wasser mit Getöse aus der Berg-Spitze, wird beim Herabfließen rot angestrahlt und ergießt sich als vermeintlicher Lava-Strom in den See.

 

Der Fürst ergötzte sich nicht nur an diesem skurrilen Spektakel. Er legte seine artifizielle Vulkan-Insel zugleich als Infotainment-Programm für bildungshungrige Untertanen an, die allzeit freien Zugang hatten: Neben dem Pseudo-Vesuv wurden ein antikes Amphitheater und die Gymnasiums-Mauer von Taormina nachgebaut.

 

Rundgang erspart Neapel-Reise

 

Das Berg-Innere ist von Grotten durchlöchert. Sie gestatten dem Publikum gleichsam eine unterirdische Besichtigung des verschütteten Herculaneums. Ausgestattet mit allerlei Spolien, Götter-Statuen und anderen Kunstwerken, erspart der Rundgang dem Besucher die weite Reise ins ferne Neapel.

 

Bis heute: Zu DDR-Zeiten vernachlässigt, präsentiert sich das Gartenreich inzwischen wieder als Kleinod der Italien-Begeisterung eines kunstsinnigen Duodez-Fürsten. Das in ganz Europa nicht seinesgleichen hat: Feuerspuckende Vulkane gibt es in vielen Ländern – aber einen, der farbiges Wasser ausspeit, nur in Dessau-Wörlitz.