Freiburg im Breisgau

Bellissimo! Italienische Malerei von der Gotik bis zur Renaissance aus dem Lindenau-Museum Altenburg

Domenico Ghirlandaio: Bildnis einer Dame vor Landschaft, um 1480 (Detail). © Lindenau-Museum Altenburg, Fotoquelle: Augustinermuseum – Städtische Museen Freiburg
Schöner wär's, wenn's schöner wär': Das Augustinermuseum zeigt die grandiose Sammlung altitalienischer Malerei aus Altenburg. Allerdings in einer bizarren Präsentation, die offenbar eher der Vermittlung von religiösem Basiswissen als dem Kunstverständnis dienen soll – letzteres findet sich nur im Katalog.

Segen der Kleinstaaterei: 1848 wurde in der damaligen thüringischen Residenzstadt Altenburg mit heute rund 30.000 Einwohnern ein Kunstmuseum eröffnet. Es beherbergte die Kollektion des Staatsmannes, Gelehrten und Mäzens Bernhard August von Lindenau (1779-1854). Er hatte sie mit Blick auf eine gleichzeitig gegründete Kunstschule zusammengetragen, für die sie als Lehr- und Anschauungsmaterial dienen sollte – etwa Gipsabgüsse von Skulpturen, antike Keramiken und Korkmodelle klassischer Bauten. Herzstück waren und sind jedoch 180 Tafelbilder der altitalienischen Malerei, eine der größten derartigen Sammlungen nördlich der Alpen.

 

Info

 

Bellissimo! Italienische Malerei von der Gotik bis zur Renaissance aus dem Lindenau-Museum Altenburg

 

18.05.2024 - 03.11.2024

 

täglich außer montags 10 bis 17 Uhr,

freitags bis 19 Uhr

im Augustinermuseum, Augustinerplatz, Freiburg im Breisgau

 

Katalog 34,90 €

 

Weitere Informationen zur Ausstellung

 

Seit 2020 wird das Lindenau-Museum umfassend saniert; das zieht sich hin und soll voraussichtlich 2027 abgeschlossen sein. In der Zwischenzeit liegt nahe, die Prunkstücke zu verleihen, damit auch Bewohner des westlichsten Westdeutschlands sie ohne weite Reise kennenlernen können. Nun werden rund 100 Werke im Augustinermuseum gezeigt; davon 93 Gemälde und Altartafeln sowie ein paar Gipsabgüsse.

 

Epochen-Umbruch über 260 Jahre

 

93 Originale von der italienischen Spätgotik ab 1270 bis zur Renaissance um 1530: Was für eine einmalige Gelegenheit, die künstlerische Entwicklung über einen Zeitraum von 260 Jahren nachzuzeichnen! Mitsamt dem Wandel von Welt- und Menschenbild, ökonomischen und technischen Fortschritten – immerhin geht es um nichts Geringeres als den Umbruch vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit, auf dessen Grundlagen noch die gegenwärtige Spätmoderne basiert.

Impressionen der Ausstellung


 

Wie im Konfirmanden-Katechismus

 

Dazu bieten sich verschiedene Ansätze an. Etwa, wie Individualisierung zu einer neuartigen Bildproduktion führt, wie in der Sakralkunst starre Schemata durch flexible Kompositionen abgelöst werden, wie die profane Kunst entsteht und einen enormen Aufschwung nimmt, oder wie die Entdeckung der Zentralperspektive ein neues, realistisches Verständnis von Raum hervorbringt. Alle diese Themen werden sehr sachkundig mit passenden Bildbeispielen behandelt – aber nur im vorzüglichen Katalog. Für solchen Erkenntnisgewinn muss man also knapp 35 Euro hinblättern.

 

Die Ausstellung selbst ist anders unterteilt. Von acht Abschnitten – nebst vier Mitmach-Kabinetten – sind allein vier religiösen Themen gewidmet; dazu je einer den regionalen Kunstzentren, profaner Kunst, Plastiken und Lindenaus Sammeltätigkeit. Gewiss spielten Glaube und Sorge ums Seelenheil vor 500 Jahren eine überragende Rolle, aber das wird angesprochen wie im Konfirmanden-Katechismus. „Maria! Von streng bis liebevoll“, heißt es da, oder: „Heilige! Zwischen Himmel und Erde“, gefolgt von: „Christus! Szenen seines Lebens“. Als wolle die Schau religiösen Analphabeten elementares Basiswissen der christlichen Lehre vermitteln.

 

Oberflächliche bis triviale Einführungen

 

Diese bizarre Gliederung setzt sich in der Hängung und Erläuterung der Arbeiten fort. Zum Auftakt empfängt das Publikum eine „Madonnenwolke“: 13 Bilder der Gottesmutter mit Kind, entstanden zwischen 1385 und 1515, chronologisch angeordnet. Nur kurz weist der Kommentar darauf hin, dass der feierliche Goldgrund allmählich Ausblicken in die Landschaft weicht, ebenso die streng thronende Maria einer liebevollen Mama. Andere, subtilere Veränderungen – der Jesusknabe wird unbekleideter und kindlicher, seine Mutter wendet sich ihm anstelle des Betrachters zu – erfährt man nur aus dem Katalog.

 

Ähnlich oberflächlich bis trivial sind die Einführungen in die übrigen Abteilungen formuliert. Etwa: „Jesus Christus steht als Sohn Gottes im Zentrum des christlichen Glaubens. (…) Darstellungen von Szenen aus dem Leben Jesu gehören seit jeher zur christlichen Kunst.“ Leute, denen man damit Neues sagt, dürften sich selten in Altmeister-Ausstellungen verirren. Dieser bis zur Banalität verknappte Tonfall findet sich auch bei den nichtreligiösen Sektionen, etwa derjenigen zu regionalen Kunstzentren.

 

Drei Sätze für acht Malerschulen

 

Die acht Städte Florenz, Siena, Mantua, Padua, Urbino, Ferrara, Perugia und Neapel, die alle eigenständige Malerschulen hervorbrachten (ganz abgesehen von Venedig und Rom), werden mit drei Sätzen abgefertigt – plus einer Landkarte, wo diese Orte zu finden sind. Dabei ließen sich im Vergleich der hier versammelten Werke sehr anschaulich stilistische Unterschiede der Schulen aufzeigen, aber auch das findet nur im Katalog statt. Geradezu absurd ausgedünnt ist das Finale zur profanen Kunst: mit vier Bildern, drei Skulptur-Abgüssen und einer fünfteiligen Raumausstattung.

 

Das abseitige Ausstellungs-Konzept mindert natürlich nicht die Qualität der Originale. Sie beschwören die verschwenderische Vielfalt einer Kunst-Epoche voller Experimentierfreude herauf, als hierzulande Maler und Bildhauer noch kaum das enge Regelwerk der Gotik sprengten. Da lassen sich manche eindrucksvolle Entdeckungen machen, gerade bei weniger bekannten Künstlern aus der zweiten Reihe.

 

Unsichere allein erziehende Mutter

 

Etwa eine grandiose „Madonna mit Kind“, die Marco Zoppo um 1471/8 malte: Anstelle der sonst üblichen Kindfrauen porträtiert er eine gefasste, melancholisch dreinblickende junge Dame. Ihrem Antlitz verleihen akzentuierte Schattenzonen ein kummervolles Aussehen. Konzentriert hält sie ihr mit einem Wams bekleidetes Kind in den Händen, das schwankend auf einer Marmorbrüstung steht. Sein altklug wirkendes Gesichtchen blickt fragend ins Nirgendwo. Nichts an dieser eindringlichen Szene enthält ein Heilsversprechen – alles ist so realistisch fragil wie die unsichere Zukunft einer allein erziehenden Mutter.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension der Ausstellung "Mantegna und Bellini – Meister der Renaissance" –grandiose Doppel-Retrospektive in der Gemäldegalerie, Berlin

 

und hier eine Besprechung der Ausstellung "Spätgotik – Aufbruch in die Neuzeit" – umfassende Epochenschau in der Gemäldegalerie, Berlin

 

und hier einen Bericht über die Ausstellung "Florenz und seine Maler – Von Giotto bis Leonardo da Vinci" – großartige Themenschau über die italienische Renaissance in der Alten Pinakothek, München

 

und hier einen Beitrag über die Ausstellung "Donatello – Erfinder der Renaissance" – famose Retrospektive seiner Skulpturen und Reliefs in der Gemäldegalerie, Berlin

 

und hier eine Kritik der Ausstellung "The Botticelli Renaissance" – zwiespältige Werkschau des Renaissance-Künstlers in der Gemäldegalerie, Berlin.

 

Ähnlich eigenständig ist der „Heilige Hieronymus“, den ein Jahrhundert zuvor Giovanni del Biondo als extremes Hochformat schuf. Die Maltechnik des Florentiners ist deutlich gröber, aber seine Komposition sehr originell. Der fast lebensgroße Heilige mit Kardinalshut zeigt eine Schrift den drei kleinen Stifter-Nonnen unten am Saum seines Mantels; gegenüber kauert ein friedlicher Löwe, dem Hieronymus der Legende nach einen Dorn aus der Pranke zog. Seitdem ist die Raubkatze sein ständiger Begleiter.

 

Es fehlt am Willen, nicht Sachverstand

 

Die Lindenau-Kollektion kann auch mit großen Namen aufwarten. Wie Arbeiten aus der Werkstatt von Sandro Botticelli oder solchen von Fra Angelico, etwa der denkwürdigen „Feuerprobe des heiligen Franziskus vor dem Sultan“ (1429). In Ägypten schlug der Heilige muslimischen Würdenträgern eine Wette vor: Wenn er unbeschadet durch Flammen schreiten könne, sollten sich alle Anwesenden zum Christentum bekehren – was der Sultan ablehnte. Die Szene in leuchtenden Farben – und einer der ersten Darstellungen von Himmel in tiefem Blau – mit lebendig arrangiertem und optisch abgeschnittenen Personal gehörte ursprünglich zu einer Predella, also der vielteiligen Unterreihe einer Altar-Retabel.

 

Häufig wurden solche Retabeln später demontiert, um die Einzelteile zu verkaufen. In etlichen Fällen demonstriert die Ausstellung anhand von Umriss-Skizzen der Retabeln, an welcher Stelle sich das jeweilige Exponat ursprünglich befand – es mangelt ihr also nicht an kunsthistorischem Sachverstand. Aber am Willen, ihn auch dem Publikum prägnant zu vermitteln, ohne es zum Katalog-Kauf zu nötigen. Doch für Schulklassen, denen man erst einmal das Einmaleins des Christentums vermitteln müsste, ist die Lindenau-Sammlung ohnehin zu delikat und entrückt.