Niloufar Taghizadeh

Googoosh – Made of Fire

Googoosh heute. Fotoquelle: © kinofreund eG 2024
(Kinostart: 10.10.) Big in Teheran: Vor dem Sturz des Schah war Googoosh im Iran ein berühmter Popstar, danach verstummte sie 20 Jahre lang. Im Doku-Porträt von Regisseurin Niloufar Taghizadeh gibt sie mitreißende Comeback-Konzerte – Exil-Iraner aller Altersstufen sind völlig aus dem Häuschen.

Ob in Los Angeles, Toronto, Dubai oder Frankfurt am Main: Überall füllt die iranische Sängerin Googoosh die Konzerthallen. Wieviele Fans kommen, hängt von der Größe der dortigen exiliranischen Gemeinde ab. Die Sängerin war in ihrer Heimat vor dem Sturz des Schahs eine berühmte Pop-Sängerin, durfte aber nach der Islamischen Revolution 1979 nicht mehr öffentlich auftreten. Im Jahr 2000 verließ sie den Iran und wurde zu einer Symbolfigur der persischen Diaspora.

 

Info

 

Googoosh – Made of Fire

 

Regie: Niloufar Taghizadeh;

95 Min., Deutschland

 

Weitere Informationen zum Film

 

In ihrem Dokumentarfilm zeichnet die Regisseurin Niloufar Taghizadeh den Lebensweg der Sängerin und Schauspielerin nach, indem sie Googoosh meist selbst zurückblicken lässt. Heute wohnt die mittlerweile 74-jährige in Los Angeles und erzählt ihre Erinnerungen erfrischend freimütig. Als Faegheh Atashin wurde sie in Teheran geboren; ihre Eltern waren aus Aserbaidschan eingewandert.

 

Berufsverbot bei Rückkehr in Heimat

 

Ihr Vater, ein Akrobat und Tänzer, steuerte zunächst als Manager ihr gesamtes Dasein. Dem konnte sie sich nur durch Flucht in eine Ehe entziehen – der ersten von vieren. Als sie im Iran längst ein populäre Sängerin geworden war, versuchte sie erfolglos, sich auch in Europa eine Karriere aufzubauen. Dann ging sie in die USA, wurde durch ihren damaligen Mann kokainsüchtig, kam davon los, kehrte in einen radikal veränderten Iran zurück – und wurde dort mit Berufsverbot belegt.

Offizieller Filmtrailer OmU


 

Hände zittern wie Espenlaub

 

Danach sei sie für 20 Jahre „unsichtbar“ gewesen, berichtet Googoosh: eine durchschnittliche Frau unter dem Kopftuch. Erst ein Angebot, im Ausland auf Tournee zu gehen, befreite sie aus dieser erzwungenen Passivität. Die Veranstalter nahmen sie zwar nach Strich und Faden aus, aber sie schöpfte auf der Bühne neues Selbstbewusstsein – und damit die Kraft, dem Iran für immer den Rücken zu kehren.

 

Der entwaffnende Moment, als Googoosh bei ihrem ersten Comeback-Konzert in Kanada dem Publikum ihre wie Espenlaub zitternden Hände zeigt, wurde auf Film festgehalten. Der Ausschnitt ist einer der wenigen gut erhaltenen Archivfunde, die Regisseurin Taghizadeh aufbietet. Dagegen sind VHS-Aufnahmen aus der Zeit vor 1980 offenbar etliche Male umkopiert worden – darunter auch von iranischen Spielfilmen, bei denen Googoosh mitwirkte. Diese Bilder sehen entsprechend unscharf und mitgenommen aus.

 

Viele Lieder an-, aber nie ausgespielt

 

Das künstlerische Klima in der späten Schah-Zeit, die Modernisierung nach westlichem Vorbild anstrebte, und Googooshs Rolle darin bleiben ebenfalls flüchtig und schwer zu greifen. So werden zwar Auftritte von ihr in TV-Shows immer wieder an-, aber ihre Lieder leider nie ausgespielt. Immerhin vermitteln die Untertitel einen Eindruck davon, welch enorme Rolle die blumige persische Poesie in den Texten dieser Popmusik spielte.

 

Auch wenn Googoosh und ihre jeweiligen Gesangspartner mitunter aussahen wie das deutsche Schlagerpärchen Cindy & Bert: lyrisch und musikalisch waren ihre Lieder selten leichtgewichtig. Sie stammen von angesehenen Textern und Produzenten. Vielleicht wirken sie deswegen auch meist zeitlos.

 

In den Armen liegen, mitsingen + weinen

 

Mitschnitte von Googooshs umjubelten Auftritten aus jüngerer Zeit legen jedenfalls nahe, dass ihre Wirkung auf das Exil-Publikum ungebrochen ist. Sie zeigen Iranerinnen und Iraner aller Altersstufen, die sich in den Armen liegen, mitsingen und oft dabei weinen – auch junge Leute, die keine Erinnerungen an die Epoche vor der Islamischen Revolution haben können.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Raving Iran" – Dokumentation über Teherans Underground-Techno-Szene von Susanne Regina Meures

 

und hier eine Besprechung des Films "Sonita" - Doku-Porträt einer afghanischen Polit-Rapperin von Rokhsareh Ghaem

 

und hier einen Beitrag über den Film "Wüstentänzer – Afshins verbotener Traum von Freiheit" - elegant unaufdringliches Polit-Drama über iranische Tänzer von Richard Raymond.

 

Doch Nostalgie und Wehmut der Musik werden durch die Generationen weitergereicht; verknüpft mit der Wut auf ein Regime, das zahllose Menschen auf dem Gewissen hat. So beginnt der Film mit einer im September 2022 erschütterten Googoosh: Sie hat soeben vom Tod der von der Sittenpolizei ermordeten Mahsa Amini erfahren und weiß nicht, wie sie unter diesen Umständen auftreten und singen soll. Der Grundton von Trauer und Trost durchzieht den ganzen Film. Dabei geht es weniger um politischen Revanchismus als vielmehr um Trennungsschmerz, Hilflosigkeit und Empathie.

 

Im Studio mit Extraportion Bling-Bling

 

Die letzte Station des Films ist ein US-Tonstudio, wo eine Benefiz-Single zugunsten der Protestbewegung im Iran aufgenommen wird. Daran beteiligen sich auch andere prominente Sängerinnen und Schauspielerinnen – mit der für Exil-Iranerinnen obligatorischen Extraportion Bling-Bling. Tatsächlich kommen Männer in dem Film kaum zu Wort; nur die musikalischen Leiter von Googooshs Band geben kurze Kommentare ab.

 

Zudem vermeidet Regisseurin Taghizadeh die in heutigen Musik-Dokus üblichen Superlative, wobei gern von verschollenen Genies die Rede ist, die aufgespürt und wiederentdeckt werden müssen. Das hat Googoosh so wenig nötig wie prominente Fürsprecher: Ihre Geschichte ist dramatisch und hoffnungsvoll genug, um auch außerhalb exiliranischer Kreise gewürdigt zu werden.