Joel + Ethan Coen

Hail, Caesar!

Fast ein Tyrannensturz: Der entführte Star-Schauspieler Baird Whitlock (George Clooney) erwacht im Zenturio-Kostüm aus seiner Betäubung. Foto: Universal Pictures
(Kinostart: 18.2.): Er befreit George Clooney aus den Klauen linker Kidnapper und sucht einen Mann für die schwangere Scarlett Johansson: Den Alltag eines Filmstudio-Troubleshooters verwandeln die Brüder Coen in eine grandiose Hommage auf Hollywoods goldene Ära.

Eddie Mannix hat sein Leben der Traumfabrik geweiht: Er arbeitet im Dienst der Studios „Capitol Pictures“. Als „Head of Physical Production“ koordiniert er den reibungslosen Ablauf einer ganzen Hand voll von Produktionen: zurzeit das Matrosen-Musical, einen Western, eine Badenixen-revue, das high society-Melodram und den monumentalen Bibelfilm mit Jesus.

 

Info

 

Hail, Caesar!

 

Regie: Joel + Ethan Coen,

106 Min., USA/ Großbritannien 2016;

mit: George Clooney, Josh Brolin, Ralph Fiennes, Tilda Swinton, Scarlett Johansson

 

Website zum Film

 

Der Preis ist hoch: Alle 24 Stunden geht er zur Beichte, und 24 Stunden lang sehnt sich Mannix nach den Zigaretten, die ihm seine Frau verboten hat. Einen ganzen Tag des Jahres 1950 begleiten die Coen-Brüder ihren Helden, von Josh Brolin einmal mehr hinreißend gespielt, durch seinen Alltag.

 

Vier Geistliche begutachten Jesus-Film

 

Hier muss ein starlet aus seinem vertragswidrigen Fototermin herausgeholt werden; ein anderes soll unter die Haube gebracht werden, da es der skandinavische Starregisseur geschwängert hat. Ein Rabbi, zwei Priester – Katholik und Protestant – sowie ein orthodoxer Patriarch werden als Experten befragt, ob die Jesus-Darstellung im titelgebenden Sandalenfilm „Hail Caesar!“ jemanden davon abhalten könnte, ins Kino zu gehen.

Offizieller Filmtrailer


 

Tilda Swinton als doppelte Klatschtante

 

All das verläuft so chaotisch wie komisch. Ähnlich wie bei früheren Komödien der Coen-Brüder, etwa „Barton Fink“ (1991) oder „The Big Lebowski“ (1998), erscheint es ziemlich unmöglich, die Handlung wiederzugeben. Jeder der zahlreichen Erzählstränge ist unberechenbar und meist mit dem cameo-Auftritt eines Stars angereichert: Tilda Swinton läuft gleich doppelt als zwei Klatschreporterinnen zu großer Form auf.

 

Mittendrin sorgt die Entführung des Starschauspielers Baird Whitlock (George Clooney) durch linke Verschwörer für eine gewisse Dramatik: Drehbuchautoren, die sich schlecht bezahlt fühlen, wollen mit klassenkämpferischen Parolen mehr Geld aus dem Studiosystem herausschlagen. Diese Unterwanderung stellen die Coens ziemlich genau so da, wie sie sich der Kommunisten-Jäger Joe McCarthy wohl vorgestellt hat – vielleicht ein bisschen vertrottelter, aber dafür mit Herbert Marcuse, dem Vordenker der „Kritischen Theorie“.

 

Wie im Kino-Spiegelzelt

 

Alles klar: Der Referenz-Zirkus von Joel und Ethan Coen gastiert wieder in der Stadt. Es entbehrt nicht eines gewissen Charmes, dass dieser Film übers Filmemachen und die goldene Hollywood-Ära die diesjährige Berlinale eröffnet hat. Die Regie-Brüder springen von set zu set, von Star zu starlet, und wie in einem Kino-Spiegelzelt wirft jedes Bild weitere Film-Bilder aus dem kollektiven Erinnerungsschatz zurück.

 

Man darf rätseln, welcher Star sich in welcher Figur bricht, und sich daran erinnern lassen, welche seltsamen Regisseur-Typen, aus der Provinz ins Rampenlicht katapultierten Darsteller-Zugpferde und emsigen Strippenzieher damals in Hollywood unterwegs waren. Reihenweise werden Film-Klassiker zitiert und zwischendrin show-Choreografien der alten Schule in Vollendung aufgeführt.

 

„Hollywood Babylon“ mit Jugendfreigabe

 

Scarlett Johansson tanzt im Meerjungfrauen-Kostüm ein Wasserballett, Channing Tatum fegt als steppender Matrose über die Tische – später wird er ein sowjetisches U-Boot besteigen. Dabei erinnert „Hail Caesar!“ an andere Filme über Hollywood, etwa Robert Altmans „The Player“ (1992). Allerdings geht es den Coen-Brüdern kaum darum, zu enthüllen oder zu entlarven; eher um das Gegenteil.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Besprechung des Films “Inside Llewyn Davis” – tragikomisches Porträt eines erfolglosen Folkmusikers von Joel + Ethan Coen

 

und hier eine Rezension des Films „The Artist“ - brillante Hommage auf die "Goldene Ära" Hollywoods von Michel Hazanavicius, 2012 mit fünf Oscars prämiert

 

und hier einen Beitrag über den Film „Maps to the Stars“ – sarkastische Satire über Hollywoods Filmbranche von David Cronenberg

 

und hier einen Bericht über den Film “The Real American – Joe McCarthy” – Dokudrama über den US-Kommunistenjäger der 1950er Jahre von Lutz Hachmeister.

Das ist nicht neu: Seit fast zwanzig Jahren sieht ihr postmodernes Kino aus Zitaten der Filmgeschichte so aus, als wollten die Coen-Brüder nichts erklären oder behaupten, sondern wirklich nur spielen! Da liegt der Vergleich mit einem anderen Bilder-Jongleur nahe: Während Quentin Tarantino sich mit immer größeren und hohleren Gesten aus dem Fenster seines Video-Archivs lehnt, schlagen die Coens einen Purzelbaum zurück in die 1950er Jahre. Sie flunkern der Periode eine vermeintliche Unschuld auf den Leib – als sei es die jugendfreie Ausgabe der Skandal-Chronik „Hollywood Babylon“ (1959).

 

Regisseure erscheinen im Himmel

 

Doch im Gegensatz zu Tarantino erschöpft sich ihr Humor nicht in Gewalt gegen Frauen und endlosem Rezitieren des N-Wortes. Sie haben im Lauf der Jahre Charaktere geschaffen, die trotz ihrer offensichtlichen Konstruiertheit geeignet sind, Identifikation und Empathie herzustellen. Selbst wenn sie, wie George Clooney, in der Uniform eines römischen Centurio herumlaufen.

 

Versteht sich, dass dabei grandios zweckfreier Zeitvertreib herauskommt. Warum dann die ganze Mühe? Die dickköpfige Antwort gibt Eddie Mannix dem hartnäckigen headhunter des Rüstungsherstellers Lockheed, dessen Abwerbungsversuche er ablehnt: Er bleibt Hollywood treu, weil „es sich richtig anfühlt“.

 

Filme machen ist für ihn Glaubenssache, denn auf die Tröstungen der Traumfabrik mag keiner verzichten. Auch seine Schöpfer nicht: Zum Schluss schwenkt die Kamera des Jesus-Film-im-Films in den Himmel, wo im gleißenden Sonnenlicht geschrieben steht: „Directed by Joel & Ethan Coen“.