Romeo und Julia im Urlaubs-Paradies: Der zwölfjährige Sam, ungeliebtes Waisenkind bei Pflege-Eltern, büchst aus dem Pfadfinder-Lager aus, um seine Flamme zu entführen. Die gleichaltrige Suzy zieht sich im Leuchtturm-Haus ihrer kauzigen Eltern (Bill Murray und Frances McDormand) am liebsten mit Fantasy-Büchern und Fernglas in ihre Leseecke zurück.
Info
Moonrise Kingdom
Regie: Wes Anderson, 94 min., USA 2012;
mit: Bruce Willis, Bill Murray, Tilda Swinton
Flucht vor Elektro-Schocks
Doch das junge Glück währt nicht lang: Der Insel-Polizist (Bruce Willis) und die Pfadfinder unter Scout Master Ward (Edward Norton) spüren die Ausreißer bald auf; das Jugendamt (Tilda Swinton) will Sam ins Erziehungsheim stecken und mit Elektro-Schocks behandeln lassen. Da ermöglichen seine Kumpels dem Pärchen eine zweite Flucht – und ein tobendes Gewitter sorgt dafür, dass diese love story besser als bei Shakespeare ausgeht.
Offizieller Film-Trailer
Detailverliebte Ausstattungs-Orgie
Diese Backfisch-Romanze würde keinen Volljährigen ins Kino locken, hätte sie nicht Wes Anderson verfilmt. Hollywoods verspieltester Regisseur lebt seine Freude an detailverliebten Ausstattungs-Orgien voll aus. Er zeichnet jede Einstellung im Storyboard penibel vor und arrangiert sie symmetrisch, bevor er sie ablichtet – Film als bonbonbunter Reigen aus Bilderbuch-Illustrationen.
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
Lesen Sie hier eine Besprechung der Verfilmung des Bestsellers "Naokos Lächeln" von Haruki Murakami über 60er-Jahre-Stimmung in Japan
und hier ein Interview mit Tilda Swinton über ihre Hauptrolle im Italo-Melodram "I am love" von Luca Guadagnino.
Auftakt des Film-Festivals von Cannes
Dieses Affentheater stürmischer Leidenschaften im Wasserglas schiene völlig sinnfrei, würde es nicht im Jahr 1965 spielen. Damals ließen die Beatles ihre Pilzköpfe lang wachsen und veröffentlichten das Album «Rubber Soul»; der Westen warf seinen ganzen Wohlstands-Ballast aus Polyester-Hemden und gesitteten Tischmanieren über Bord, um freie Liebe und andere Abenteuer zu wagen.
Welcher Kater dieser Aufbruchs-Stimmung folgte, ist bekannt – aber Anderson erinnert an den Zauber, der allen Anfängen innewohnt. Wie jedem Auftakt des Film-Festivals von Cannes, das «Moonrise Kingdom» eröffnet hat.