Seit einem Jahr sitzt WikiLeaks-Gründer Julian Assange in der Botschaft von Ecuador in London fest. Seit drei Jahren sitzt Bradly Manning, der via WikiLeaks zum größten whistleblower aller Zeiten wurde, ohne Verurteilung im Gefängnis. Ihm droht lebenslängliche Haft, vielleicht sogar die Todesstrafe.
Info
We Steal Secrets: The Story of WikiLeaks
Regie: Alex Gibney
130 Min., USA 2013
mit: Julian Assange, Adrian Lamo, Bradley Manning
Mehr Enthüllungen unter Obama
Barak Obama konnte sein „Yes We Can“ in weiten Teilen nicht verwirklichen. Die USA sind außenpolitisch so unbeliebt wie noch nie; unter Obama werden mehr whistleblower aktiv als unter Bush, und generell tut sich der aktuelle Präsident schwer mit Begnadigungen.
Offizieller Filmtrailer
Mitauslöser des Arabischen Frühlings
In Tunesien und Ägypten gingen Menschen gegen die herrschenden Kleptokraten auf die Straßen, nachdem ihre engen Verbindungen mit Washington aufgedeckt worden waren, und traten den „Arabischen Frühling“ los. Vor wenigen Wochen warf Edward Snowden den nächsten Stein. All das ist ein Resultat des spektakulären Enthüllungen, dessen Initiator Manning und dessen technischer Vollstrecker Assange waren.
„We Steal Secrets“ ist ein Doppelporträt dieser beiden so unterschiedlichen Charaktere. Hier der schillernde, exaltierte Hacker Assange, der rasch Rockstar-Ruhm erlangte; dort der introvertierte Außenseiter Manning, der nach eigenen Worten lieber eine Frau wäre. Über den Inhaftierten erfahren wir viel aus den Aussagen einiger Kameraden und vor allem durch die Transkripte von Chats; er führte sie mit dem Ex-Hacker Adrian Lamo, der ihn schließlich an die Behörden verpfiff.
Eine Million Dollar für Interview
Assange dagegen hat sich in so vielen wichtigen Situationen filmen lassen, dass es unnötig ist, diese drehbuchreifen Ereignisse nachzuspielen: Er spielt sich selbst in Echtzeit. Für ein Interview mit Regisseur Alex Gibney stellte er Bedingungen: Er forderte eine Million Dollar – Geld, dass er für das anhängige Gerichtsverfahren in Schweden gut gebrauchen könnte.
Auch die Ereignisse, die dazu führten, werden im Film klar und ausgewogen erläutert. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg: von den Coups des jungen australischen Hackers „Mendax“, der in militärische Sicherheitssysteme eindrang, bis zu den ersten veröffentlichten Leaks, bei denen es noch um Schwarzgeld in Schweizer Banken ging.
Datenstrom zeigt komplexe Dynamik
Von Mannings Kontaktaufnahme mit Lano und Assange bis zu seiner Verhaftung im Mai 2010, dem Schlagabtausch zwischen WikiLeaks und der US-Regierung bis zu Assanges Isolation und dem Auseinanderbrechen der WikiLeaks-Strukturen wird alles anschaulich dargestellt.
Die ausgezeichnete Montage verknüpft Interviews, Animationen, Filmausschnitte und YouTube-Schnipsel mit WikiLeaks-Material wie dem notorischen „Collateral Murder“-Video, auf dem US-Soldaten irakische Zivilisten erschießen. Dieser Datenstrom macht die komplexe Dynamik der Ereignisse nachvollziehbar – mit ein paar Zeitsprüngen.
Medien vergrätzt + Menschenleben riskiert
Hintergrund
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Oder, als Assange die unabhängige Rolle im Dienste der Wahrheit aufgab, um sich klar gegen die USA zu stellen, worauf Washington seine Gegenpropaganda-Maschine entfesselte. Am Ende mussten WikiLeaks-Mitarbeiter Verschwiegenheits-Erklärungen unterschreiben: Assange war in der Position angekommen, die er einst bekämpft hatte.
Privat-Vendetta statt Transparenz
Er verinnerlichte, bemerkt Ex-WikiLeaks-Sprecher Daniel Domscheidt-Berg, die Kriegslogik der USA für seine Sache; sie wurde von einem öffentlichen Kampf um Wahrheit und Transparenz immer mehr zu seiner Privat-Vendetta.
Assange ist in der US-Öffentlichkeit mittlerweile ein Medienereignis von gestern, Manning ist Verschlusssache. Umso wichtiger ist es, zu erinnern, was sie leisteten, was sie verbindet und was sie unterscheidet. „We Steal Secrets“ handelt von neuester Weltgeschichte, aufbereitet in appetitlicher und erhellender Form.