
In Frankreich ist der Roman „La religieuse“ („Die Nonne“) des Aufklärers und Philosophen Denis Diderot (1713 – 1784) weithin bekannter Schulstoff: Eine junge Frau wird gegen ihren Willen in ein Kloster gesperrt und wehrt sich erfolglos. Der Roman war zu seiner Zeit sehr gewagt und provokativ: als Streitschrift klagt er Willkür und Intoleranz der Kirche an.
Die Nonne Regie: Guillaume Nicloux 114 Min., Frankreich/ Deutschland/ Belgien 2012 mit: Pauline Étienne, Isabelle Huppert, Martina Gedeck Info
Kind im Kloster kostet nichts
Frankreich 1765: Die 16-jährige Suzanne Simonin – die Pauline Étienne stark, aber verletzlich spielt – wird von ihren Eltern in ein Kloster abgeschoben. Die Mitgift für die älteren Schwestern hat die Familie fast ruiniert; im Kloster kostet die junge Frau kein Geld. Außerdem wurde Suzanne unehelich geboren und soll nun den Fehltritt ihrer Mutter (steif und unnahbar: Martina Gedeck) sühnen.
Offizieller Filmtrailer
Nur Papst persönlich könnte helfen
Das junge Mädchen wehrt sich, so gut sie kann. Mit all ihrem Mut verweigert sie das Gelübde, das sie lebenslang an die Kirche binden wird. Doch mangels Alternativen und Unterstützung landet sie trotzdem hinter gefängnisartigen Klostermauern und wird zur Nonne geweiht. Nur der Papst höchstpersönlich könnte diese Weihe wieder aufheben, doch schon der Gedanke daran wird als Besessenheit durch Sünde und Teufel erachtet.
Suzanne ist zwar durchaus religiös, fühlt sich aber im Kloster eingeschlossen und fehl am Platz. Der Freiheitsdrang der jungen Frau ist so groß, dass sie die Auflehnung gegen ein übermächtiges System wagt. Sie gerät dadurch in eine Opferrolle, an der sie fast zerbricht.
Pädophile Mutter Oberin
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit Lesen Sie hier einen Bericht über die aktuelle Ausstellung "CREDO – Christianisierung Europas im Mittelalter" an drei Orten in Paderborn und hier einen Beitrag über den Film "An ihrer Stelle - Fill the Void" von Rama Burshtein über die Last jüdisch-orthodoxer Traditionen für eine junge Frau und hier eine Besprechung der Dokumentation "Die große Passion" von Jörg Adolph über die Passionsspiele in Oberammergau. Hintergrund
Dieser Film ist klar gefilmt und schnörkellos erzählt, doch unruhig und anstrengend: Die Geschichte verheddert sich zwischen historischer Vorlage, Kostümen und persönlichem Schicksal. Das hoffnungsvolle Ende nimmt aus Diderots Roman die Brisanz und lässt den Film zum Schluss gar kitschig werden.
Klosterleben als bloße Kulisse
Regisseur Nicloux gelingt es nicht, einen Erzählrhythmus zu finden; er reduziert das Klosterleben auf eine bloße Kulisse fürs Suzannes Schicksal. Die Figuren bleiben artifiziell und leblos; sie geben nur die Kontrastfolie für die Probleme der jungen Frau ab.
Immerhin wirken die Drehorte sehr atmosphärisch: Die deutschen Klöster Maulbronn und Bronnbach erlauben authentische Einblicke in Räume, die sowohl geschützte Orte der Hingabe an den Glauben als auch Gefängnis sein können. Ein Film mit starker Hauptdarstellerin, der trotzdem nicht im Gedächtnis haften bleibt.