Niels Arden Oplev

Flatliners

Jamie (James Norton), Courtney (Ellen Page), Ray (Diego Luna) und Marlo (Nina Dobrev) während eines ihrer Nahtod-Experimente. Foto: © 2017 Sony Pictures
(Kinostart: 30.11.) Auf der anderen Seite warten Alpträume: Medizin-Studenten, die sich Nahtod-Erfahrungen aussetzen, werden von Horror und Schuldgefühlen gequält. In seinem Remake eines Thrillers von 1990 fällt Regisseur Niels Arden Oplev wenig Neues ein.

Als die Herrschaften in weiß noch Halbgötter waren, von denen man die Klärung letzter Fragen erhoffte, war die Erforschung von Nahtod-Erfahrungen recht populär. Menschen, die als klinisch tot galten, etwa während eines Herzstillstands, erzählten nach ihrer Rückkehr ins Leben von allerlei Visionen: Sie hatten Lichter gesehen, Tunnel durchflogen und in Vergangenheit oder Zukunft geblickt. Ihre Berichte in Magazinen und Büchern erreichten in den 1970/80er Jahren ein großes Publikum.

 

Info

 

Flatliners

 

Regie: Niels Arden Oplev,

110 Min., USA 2017;

mit: Ellen Page, Diego Luna, Nina Dobrev, James Norton

 

Website zum Film

 

Die einen sahen darin Beweise für die Existenz von Jenseits und Leben nach dem Tod, andere taten das als bloße Halluzinationen ab. Dazu drehte Regisseur Joel Schumacher 1990 den erfolgreichen Medizin-Thriller „Flatliners – Heute ist ein schöner Tag zum Sterben“ mit Kiefer Sutherland in der Hauptrolle: Als Medizin-Student überredet er vier Kommilitonen, darunter Julia Roberts und Kevin Bacon, sich kurzzeitig in den Todeszustand versetzen zu lassen. Zwar gelingt nach wenigen Minuten ihre Wiederbelebung, doch der Preis ist hoch: Alle werden von bösen Erinnerungen und Schuldgefühlen gequält.

 

Bekannt durch „Verblendung“

 

Nun hat Regisseur Niels Arden Oplev ein remake gedreht, das leider nicht mehr ist als genau das. Dabei kennt sich der Däne im supense genre bestens aus: Mit „Verblendung“, dem ersten Teil der „Millenium-Trilogie“ des schwedischen Krimi-Autors Stieg Larsson, wurde Oplev 2009 international bekannt. Vier Jahre später gelang ihm mit „Dead Man Down“ ein solider, spannender Rache-Thriller mit Colin Farrell und Noomi Rapace.

Offizieller Filmtrailer


 

Fabeln christlicher Heiligen-Legenden

 

Bei der Neufassung von „Flatliners“ hatte aber offenbar keiner der Beteiligten irgendeine Idee, wie man den Vorgängerfilm sinnvoll weiter entwickeln könne. Immerhin sind seither 27 Jahre vergangen, in denen Neurowissenschaften und Medizintechnik enorme Fortschritte gemacht haben. Auf deren Grundlage ließe sich das Thema viel detaillierter und erhellender behandeln.

 

Aber das Drehbuch weiß nichts davon. Außer bei der IT-Ausstattung: Die ehrgeizigen Studis starren dauernd in ihre MacBooks, im Krankenhaus stehen überall Ganzkörper-scanner herum, und fürs Kopf-Kino im künstlichen Koma wird ein wenig CGI-Klimbim aufgeboten. Ansonsten bleibt alles wie vor einem Vierteljahrhundert – wobei die Grundstruktur der Fabel wesentlich älter ist. Sie geht auf Bekehrungs-Erzählungen der christlichen Hagiographie zurück; etwa das Damaskus-Erlebnis von Paulus.

 

Erst Höhenrausch, dann fieser Kater

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "A Cure for Wellness" visuell beeindruckender Mystery-Medizin-Thriller über ein Sanatorium von Gore Verbinski

 

und hier eine Besprechung des Films "Dead Man Down" gelungener Rache-Thriller  mit Colin Farrell + Noomi Rapace von Niels Arden Oplev

 

und hier einen Bericht über den Film "Side Effects" spannender Psychopharmaka-Thriller mit Jude Law von Steven Soderbergh

 

und hier einen Beitrag über den Film "Dr. Ketel – Der Schatten von Neukölln" – messerscharfer Medizin-Thriller von Linus de Paoli.

 

Fast alle im Flatliners-Quintett haben Sündenfälle oder gar konkrete Leichen im seelischen Keller. Courtney (Ellen Page) verschuldete einen Autounfall, bei dem ihre kleine Schwester umkam. Marlo (Nina Dobrev) ließ einen Patienten der Uni-Klinik durch einen Kunstfehler sterben. Jamie (James Norton) schwängerte als teenager eine Kellnerin und ließ sie sitzen. Bis hin zu Sophia (Kiersey Clemons), die schlüpfrige Fotos einer Mitschülerin ihren Klassenkameraden in der high school zeigte – im Facebook-Zeitalter ein unverzeihliches Vergehen.

 

Kein Wunder, dass die Nahtod-Probanden von argen Alpträumen geplagt werden. Kurz nach dem Kick erleben sie ein high wie nach Konsum von Ecstasy oder Kokain mit Geistesblitzen, party-Laune und casual sex, gefolgt von fiesem moralischen Kater. Das läuft so schematisch ab, als hätte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung am script mitgewirkt – und so vorhersehbar, wie sich ihr jährlicher „Drogen- und Suchtbericht“ liest. Inklusive eines abschreckenden Beispiels: Ihren finalen horror trip überlebt Courtney nicht.

 

Kiefer Sutherland geht am Stock

 

Doch Heilung ist möglich: Ein Flatliner nach dem anderen stellt sich den Dämonen seiner Vergangenheit, bemüht sich um Versöhnung und erhält Vergebung. So wird am Ende alles gut – die geläuterten Jungmediziner beschränken sich künftig auf kassentaugliche Therapien, sehr zum Wohlgefallen ihres Chefarztes Kiefer Sutherland. Er tritt quasi als Reminiszenz an den Originalfilm auf, geht aber am Stock; wie das gesamte remake.