Daniel Craig + Tilda Swinton

Love is the Devil – Studie für ein Porträt von Francis Bacon (WA)

Francis Bacon (Derek Jacobi) in seinem Atelier. Foto: Rapid Eye Movies
(Kinostart: 21.3.) Wenn die Liebe von der Decke fällt: Regisseur John Maybury porträtiert die Beziehung zwischen dem Künstler Francis Bacon und seinem proletarischen Liebhaber im Stil des Meistermalers. Der Film von 1998 ist eine Studie über Verzweiflung und Abhängigkeiten.

Von der ersten Minute an lässt „Love is the Devil“ keinen Zweifel daran, dass alles in Verzweiflung enden wird. Kunst und Leben erweisen sich in diesem Fall als auf Engste miteinander verknüpft. Bildfragmente und Erinnerung kehren mit der Wucht einer Bombe zurück, verkündet eine Stimme aus dem Off während der Eingangssequenz. Die Splitter, die ihre Detonation verursacht, zerfetzen als „grausame Kopien der Erfahrung“ alles Lebendige. Das gilt für alle Beteiligten – auch und gerade für die Überlebenden.

 

Info

 

Love is the Devil - Studie für ein Porträt von Francis Bacon (WA)

 

Regie: John Maybury,

89 Min., Großbritannien 1998;

mit: Derek Jacobi, Daniel Craig, Tilda Swinton

 

Weitere Informationen zum Film

 

Alles beginnt damit, dass ein ungeschickter Einbrecher durchs Oberlicht ins Atelier des Star-Malers der 1960er Jahre Francis Bacon (Derek Jacobi) stürzt. Es handelt sich um den Klein-Ganoven Georg Dyer (Daniel Craig). Unbeholfen erhebt er sich und erkundet die Umgebung, die ihn mit ihren düsteren Bildern und Skizzen verunsichert. Dann betritt mit den Worten „Wen haben wir denn da?“ der Künstler die Szene. Obwohl Dyer jünger, größer und trainierter ist als sein Gegenüber, ist Bacon sofort der überlegene der beiden Männer. Statt den Einbrecher, den ihm das Schicksal vor die Füße geworfen zu haben scheint, der Polizei zu übergeben, bittet er ihn in sein Bett.

 

Eine asymmetrische Beziehung

 

Zwischen den beiden entwickelt sich eine Beziehung, die von Anfang an asymmetrisch ist und es bis zuletzt bleiben wird. Auf der einen Seite steht der hofierte und reiche Künstler, der es sich leisten kann, seine Spleens und seine Homosexualität auszuleben, lange bevor das ansatzweise gesellschaftlich akzeptiert ist. Dyer auf der anderen Seite hingegen verfügt kaum über Bildung und kommt aus einfachsten Verhältnissen. Den eigenen Freundeskreis gibt er für Bacon entgegen aller Warnungen auf und lässt sich ganz auf dessen ebenfalls halbseidenen Bohèmezirkel ein. Hier wird er allerdings nie wirklich akzeptiert werden.

Offizieller Filmtrailer OV


 

Die Kunst der Zerstörung

 

In der ersten Zeit genießt er den luxuriösen Lebensstil, den die Beziehung zum Maler für ihn mit sich bringt. Vor allem aber hängt er an den Stunden ihrer Zweisamkeit voll tiefer Empfindungen und masochistischem Sex, bei dem ihm die dominante Rolle zukommt. Doch bald sind diese Stunden rar gesät, da Bacons Ruhm immer weiter wächst und er schnell von Dyer gelangweilt ist. Er entzieht ihm Stück für Stück die Zuwendung und beobachtet stattdessen, wie sein lebensuntüchtiger Partner bald ganz von Ängsten beherrscht wird. Immer mitleidloser macht er den gequälten Geliebten zum Motiv seiner von Gewalt, Zerstörung und Tod geprägten Kunstproduktion.

 

Für seinen Erstlingsfilm von 1998, der vom Verleih nun wiederaufgeführt wird, durfte John Maybury keine Kunstwerke Francis Bacons verwenden. Dafür hat er das gesamte Design seines Films mutig im Sinne der Bildsprache des Malers gestaltet. In Verzerrungen, Spiegelungen, Rahmungen, Zeitmanipulationen und mit Spotlights in dunklen Räumen bringt er die Essenz der Baconschen Auffassung der menschlichen Existenz auf den Punkt: Nichts ist gewiss, außer der Tod, auf den alles hinausläuft.

 

Eigenständige Umsetzung im Stil Bacons

 

Im Original trägt der Film den Titelzusatz „Studie für ein Porträt von Francis Bacon“. Damit lehnt er sich einerseits an Titel an, die Bacon selbst seinen Bildern und Bildserien gab – etwa „Studie zu einem Porträt von Lucien Freud“ oder „Drei Studien für eine Kreuzigung“. Zum anderen weist er auf den eigenen fragmentarischen Charakter hin.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Egon Schiele – Tod und Mädchen" – schwungvolles Biopic über den Wiener Expressionisten von Dieter Berner

 

und hier eine Besprechung des Films "Meine Zeit mit Cézanne" über den Maler Paul Cézanne von Danièle Thompson

 

und hier einen Beitrag über die  Ausstellung "Francis Bacon – Unsichtbare Räume" - ausgezeichnete Retrospektive des britischen Künstlers in der Staatsgalerie, Stuttgart.

 

Denn „Love is the Devil“ geht es weniger darum, im Sinne eines Künstler-Biopics umfassend das Leben des Porträtierten und seine Zeit auszudeuten. Stattdessen versucht er, Stimmungen und Motivik des Werks in einer künstlerisch genuin eigenständigen Umsetzung einzufangen. Das gelingt immer wieder: zum Beispiel in theatralisch-blutigen Alptraum-Szenen, die Dyers wachsende Paranoia bebildern. Sex zwischen den Liebhabern wird in Anlehnung an ineinander verschlungene Ringkämpfer im Stile Bacons gezeigt.

 

Gealterte Ästhetik, überzeugende Darsteller

 

An anderen Stellen, insbesondere in Bar- oder Casino-Szenen, erweist sich die Ästhetik aber immer wieder auch deutlich ihrer Entstehungszeit verhaftet. Rückblickend hätte es dem Film gutgetan, in seiner bisweilen an Klischees grenzenden Fixierung auf das coole Künstlergenie etwas weniger dick aufzutragen. Auch gute Nachahmungen ikonischer Regie-Vorbilder wie Derek Jarman und David Lynch bleiben eben vor allem das: Nachahmungen.

 

Dennoch gelingen Maybury viele Szenen, die in ihrer stilisierten Bildgewalt im Gedächtnis bleiben. Mit Derek Jacobi und Daniel Craig verfügt er zudem über zwei Hauptdarsteller, die zwischen beherzt forschenden Mal-Sessions und alkoholbefeuerten Selbstmordversuchen zur Gänze überzeugen. Und dann ist auch noch Tilda Swinton in einer Nebenrolle zu bewundern, was die Wiederaufführung endgültig rechtfertigt.