Oliver Masucci

Bad Director

Gregor Samsa (Oliver Masucci) in Aktion. Foto: © Nachtlicht Film, 2023
(Kinostart: 9.5.) Ein Film als ausgestreckter Mittelfinger: Regisseur Oskar Roehler lässt seinem Weltekel freien Lauf und betreibt zugleich monomanische Nabelschau. Kein Wunder bei dieser Vorlage – seinem Roman „Selbstverfickung“ von 2017. Nur bei einer heiligen Hure im Bordell fühlt er sich wohl.

Oskar Roehler hat mal wieder einen Film über sich gedreht. Das ist nichts Neues: Wie kaum ein anderer Kino-Kollege spiegelt sich der in Starnberg geborene Regisseur in seinen Arbeiten am liebsten selbst. Fast die Hälfte seines Gesamtwerks, das immerhin 16 Spielfilme umfasst, lässt sich offen oder verschlüsselt als autobiografisch betrachten.

 

Info

 

Bad Director

 

Regie: Oskar Roehler,

131 Min., Deutschland 2023;

mit: Oliver Masucci, Bella Dayne, Anne Ratte-Polle

 

Weitere Informationen zum Film

 

Dabei wuchs die Liste der Roehler-Darsteller im Lauf der Jahre an; sie reicht nun von Lars Rudolph (in „Die Unberührbare“, 2000) über Tom Schilling („Tod den Hippies!! Es lebe der Punk“, 2015) bis zu seinem jüngsten Alter Ego Oliver Masucci. Der verkörpert den Regisseur in einer Phase, die man als umfassenden Weltekel bezeichnen könnte: Ekel vor dem Filmgeschäft, vor den Menschen und nicht zuletzt vor sich selbst.

 

Wie der Held einer Kafka-Erzählung

 

Der Hass auf fast alles in Roehlers Leben, vor allem aber seine eigene, nur von ihm selbst als „links“ bezeichnete Vergangenheit, muss quasi über Nacht gekommen sein. Jedenfalls heißt sein Protagonist, genauso wie die Hauptfigur in Franz Kafkas Erzählung „Die Verwandlung“, Gregor Samsa – der eines Morgens als Käfer aufwacht. Er ist, wie stets wenn Roehler in seinen eigenen Filmen auftritt, eine narzisstisch verzerrte Projektion seiner selbst.

Offizieller Filmtrailer


 

Logorrhoe eines einsamen U-Bahn-Penners

 

Dieser „Bad Director“ ist ein cholerischer und zugleich weinerlicher Typ, der sich und sein Leben kaum noch unter Kontrolle hat. Sein Talent, sein Mut und seine Neugier sind Paranoia und Enttäuschung gewichen. Seine Monologe gleichen der Logorrhoe eines einsamen Trinkers in der U-Bahn, an dem jeder Fahrgast angestrengt vorbeischaut.

 

Rhythmisiert wird seine Suada von „Äh“ und „Öh“ und „Ja?“. Als wäre all das nicht deutlich genug, verrät seine Lektüre, wie Samsa über die Welt denkt: Er schleppt Oswald Spenglers Wälzer „Der Untergang des Abendlandes“ von 1922 mit sich herum. Für dieses Wrack aus Prahlerei und Selbstmitleid hat sich Masucci als Vorbild für seine Mimik offenbar den vor Gericht grimassierenden Donald Trump und den Schimpansen Caesar aus „Planet Der Affen: Prevolution“ (2011) gewählt.

 

Jede Entscheidung ist bewusst dämlich

 

Also formt Masucci den Mund zum Trichter, zieht die Lippen hinter die Zähne, schiebt mit der Nase die Hornbrille hoch und lässt seiner ewig schlechten Laune freien Lauf – was er den ganzen Film lang durchhält. Es scheint, als hätte Roehler bei allen anderen künstlerischen Entscheidungen ebenfalls bewusst die jeweils dämlichste getroffen. Da er alles beschissen findet, liegt über allem absichtliche Beknacktheit. Professionelle Schauspieler üben sich im overacting, andere sind offenbar Laiendarsteller oder dürfen so tun.

 

„Bad Director“ ist eine Reise durch eine bizarre Welt des schlechten Geschmacks, in der Innen- und Außenwelt nicht mehr zu unterscheiden sind – Samsas Träume sehen genau so aus wie die Realität. Durch Roehlers Augen ist die Welt ein einziger Alptraum eines Spießers, der uns diese fade Wahrheit genüsslich aufs Brot schmiert. Wie üblich schont er sich dabei selbst am wenigsten.

 

Panische Angst vorm Älterwerden

 

Auf der Suche nach einem Drehplan und den richtigen Schmerztabletten taumelt Samsa greinend durch die Gänge des Filmstudios. Dabei offenbart sich die wahre Hauptfigur des Films: Roehlers Inneres Kind, das offenbar panische Angst vor dem Älterwerden hat. Samsas Reaktion besteht aus Hass auf alle, die jünger sind.

 

Kommunikation mit seinem Team ist unmöglich; vom Regie-Assistenten abwärts sehen für ihn alle wie Türsteher und Barkeeper der Berghain-Technodisco aus. Zwar tun die alten Hasen von der Produktionsfirma beim Feierabendbier verständnisvoll und nicken Samsas Eskapaden ab, doch heimlich arbeiten sie daran, ihn abzusägen.

 

Zweistündiger Selbstporträt-Kotzschwall

 

Richtig wohl fühlt sich der einstige Meisterregisseur nur im Bordell, wo er seine Obsession mit der heiligen Hure Grete auslebt. Bella Dayne ist dafür goldrichtig besetzt; mit absichtlich schlecht gespieltem russischem Akzent. Trotzdem verdient sie Respekt: Sie muss den Hintern hin- und das Gesicht hochhalten, wenn Masucci wortreich um seine Erektionen bangt und versucht, ihr den einzigen Satz beizubringen, der ihn hart macht: „Ich bin eine wilde, schwanzgeile Suhrkamp-Lektorin, die nur ans Ficken denken kann“.

 

Man kann das durchaus als Kernaussage des Films stehen lassen, denn etwas Besseres kommt nicht. Es gibt keine Dramaturgie, die ihren Namen verdienen würde, und keinen Humor; nur furchtbare Monologe voller Rassismus und Nazi-Fantasien, auf dass die verhassten woke people im Quadrat springen vor Entrüstung. Auch aus doppelten Ebenen, wenn etwa Schauspieler Schauspieler spielen, zieht der Film keinen Gewinn. Er bleibt ein mehr als zweistündiger Kotzschwall von Selbstporträt.

 

Plagiate dreier Kollegen

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Enfant Terrible" – Biopic über die Regie-Ikone Rainer Werner Fassbinder von Oskar Roehler

 

und hier eine Besprechung des Films "Tod den Hippies – Es lebe der Punk!" über die Underground-Szene in Westberlin um 1980 von Oskar Roehler

 

und hier einen Beitrag über den Film "Quellen des Lebens" – nabelschaufixierte Familien-Neurosen-Saga von Oskar Roehler.

 

Was hat Roehler bloß so ruiniert? Die schonungslose Selbstbefragung war nicht der sympathischste, aber stets der ehrlichste Teil seiner Filme. Da zeigte sich ein emotional instabiler Opportunist, der vor allem vom Ehrgeiz besessen war, es allen zeigen zu wollen. Was immer „es“ war – seine Versuche einer kritischen Auseinandersetzung gipfelten zuweilen in unvergesslichen Eskapaden.

 

Nun plagiiert der 60-Jährige nur noch: So greift er mal wieder auf Methoden seines Vorbildes Rainer Werner Fassbinder zurück, dazu neuerdings auf die von Christoph Schlingensief (Übertreibung, Gekeife, Ausflippen) und von Helge Schneider (Absurdität, indifferente Laiendarsteller). Doch Roehlers Verfahren, das stets um den eigenen Nabel kreiste, hat sich endgültig erschöpft.

 

Nächstes Projekt mit Til Schweiger

 

“Bad Director“ möchte, vermutlich in Anlehnung an den Drogen-Cop-Schocker „Bad Lieutnant“ (1992) von Abel Ferrara, das sprichwörtliche Zugunglück sein, bei dem man nicht wegschauen kann. Aber der Film gleicht einer Fahrt im Bummelzug mit einem kreuzdummen Sitznachbarn, der nie die Klappe halten kann.

 

Er hat nur einen Vorzug: Wer unbedingt wissen will, wie es Oskar Roehler gerade geht, kann sich damit die Lektüre seines Romans „Selbstverfickung“ von 2017 ersparen, auf dem dieser Quatsch basiert. Will Roehler diesen kreativen Totalabsturz noch weiter steigern, müsste er sich beim nächsten Projekt konsequenterweise mit Til Schweiger zusammentun.