Emma Stone + Jesse Plemons

Bugonia

Die Verschwörungstheoretiker Don (Aidan Delbis, li.) und Teddy (Jesse Plemons, mi.) entführen die Pharma-CEO Michelle Fuller (Emma Stone), da sie sie für eine Außerirdische halten. Foto: Focus Features © 2025
(Kinostart: 30.10.) Allein gegen die Aliens: Zwei Spinner entführen eine Konzern-Chefin, um die Erde vor Außerirdischen zu retten. Sein Remake einer koreanischen Sci-Fi-Komödie gerät Regisseur Giorgos Lanthimos zur flachen Parabel von Frauen-Aufstieg und Männer-Deklassierung – trotz exzellenter Schauspieler.

Das Interessanteste am neuen Film von Giorgos Lanthimos ist sein Werbeplakat. Obwohl einfach und klar gestaltet, dauert es einen Moment, bis man das Motiv erkennt: Zu sehen ist das glatzköpfige Haupt von Emma Stone, das sie mit leicht geöffnetem Mund und weit aufgerissenen Augen in den Nacken legt – in Extase? In überwältigendem Schmerz? In Agonie? Man weiß es nicht, und die roten und gelben Schlieren viskoser Flüssigkeiten, die von oben auf sie herabfließen, tragen nichts zur Aufklärung bei. Da bleibt alles im vieldeutig Ungefähren.

 

Info

 

Bugonia

 

Regie: Giorgos Lanthimos,

120 Min., Irland/ Großbritannien/ Kanada/ Südkorea 2025;

mit: Emma Stone, Jesse Plemons, Aidan Delbis

 

Weitere Informationen zum Film

 

Doch dieses Bild hat mit dem Film nur die Haarlosigkeit der Hauptdarstellerin gemeinsam. Und sie bezieht sich um die Ecke gedacht auf dessen Handlung: die Entführung einer Top-Managerin. Seitdem Delila im Alten Testament ihren Mann Samson an die Philister verriet, die ihm das Kopfhaar schoren und ihn dadurch seiner Kraft beraubten, symbolisiert Haar- zugleich Machtverlust.

 

Bienen entstehen in toten Ochsen

 

Ähnlich altehrwürdig ist der Aberglaube, auf den sich der Filmtitel bezieht: Im Mittelmeerraum vermutete man einst, dass Bienenvölker in verwesenden Kadavern toter Ochsen entstünden. Mit solchen Anspielungen auf antike Mythologie reichert der griechische Regisseur gern seine Filme an. Allerdings hat er das bizarre Sujet diesmal seiner Vorlage entnommen: „Bugonia“ ist das Remake der obskuren südkoreanischen Science-Fiction-Komödie „Save the Green Planet!“ von 2003.

Offizieller Filmtrailer


 

Ausgang des Psycho-Duells steht fest

 

Mit weitgehend ähnlichem Plot: Zwei versponnene Verschwörungstheoretiker kidnappen einen CEO, weil sie glauben, dieser wolle die Erde zerstören. Nur ist der Boss zwei Jahrzehnte später in Lanthimos‘ Version eine Frau: Emma Stone spielt Michelle Fuller, die Chefin eines Biotech-Pharmakonzerns, mit eisiger Kontrollwut und beinharter Durchsetzungsstärke. Doch ihre Karate-Künste helfen ihr nichts: Die beiden Hinterwäldler Teddy (Jesse Plemons) und Don (Aidan Delbis) verschleppen sie in ihr abgelegenes Holzhaus – samt Folterkeller und Bienenstöcken im Garten.

 

Dass Hobby-Imker Teddy argwöhnt, die Machenschaften des Konzerns trügen zum Bienensterben bei, mag noch angehen. Seine Überzeugung, Michelle werde als Außerirdische die Menschheit ausschalten, beruht jedoch auf besonders wahnwitzigen Spielarten von Internet-Paranoia; selbst sein geistesschwacher Cousin Don will nicht recht daran glauben. Was dem Psycho-Duell von Täter und Opfer jede Spannung nimmt: Von vorneherein ist klar, dass Teddy den Kürzeren ziehen wird.

 

Minderbemittelter „Psycho“-Nachfahre

 

„Es existiert kein denkbares Szenario, bei dem ihr davon profitiert“, zischt Michelle ihm bei einem der langatmigen Verhöre entgegen, womit sie den Ablauf der Geschichte in einem Satz zusammenfasst. Alles Übrige sind gesuchte Einfälle, die mal skurril – Fettcreme im Gesicht – und mal abstoßend ausfallen: Eine derart quälende Elektroschock-Folter war schon lange nicht mehr auf der Leinwand zu sehen.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Kinds of Kindness" – komplex verrätselter Episodenfilm von Giorgos Lanthimos mit Emma Stone + Jesse Plemons

 

und hier eine Besprechung des Films "Poor Things" – opulent-eindimensionales Sex-Horror-Märchen von Giorgos Lanthimos mit Emma Stone

 

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und hier eine Kritik des Films "The Killing of a Sacred Deer" – absurder Familien-Psychothriller von Giorgos Lanthimos mit Colin Farrell

 

und hier einen Bericht über den Film "The Lobster" – grotesk surreale Beziehungs-Dystopie von Giorgos Lanthimos mit Rachel Weisz.

 

Oder sie motivieren das Geschehen auf allzu naheliegende Weise: Teddy hasst den Pharmakonzern, für den er als Packer arbeitet, weil seine Mama bei einer Medikamenten-Studie ins Koma fiel. Mutterliebe macht begriffsstutzig: Als minderbemittelter Nachfahre von Norman Bates in Alfred Hitchcocks Klassiker „Psycho“ (1960) lässt er sich von Michelle überreden, ihr Gefrierschutzmittel in die Adern zu jagen, um sie aufzuwecken. So geschmackvoll ist der morbide Humor von „Bugonia“.

 

Schlusspointe für Superhelden-Gucker

 

Regisseur Lanthimos verzerrt seine Protagonisten zu Karikaturen: Die Pharma-Bossin erscheint als Ekelpaket von Powerfrau, ihre Widersacher als desorganisierte Deppen. Da hilft es wenig, dass alle drei exzellent gespielt werden. Wobei Jesse Plemons paradoxerweise am ehesten Sympathie weckt: reflektiert und höflich ist er selbstlos um Weltrettung bemüht – und zieht zu jeder Vernehmung seinen Anzug samt Schlips an.

 

Schon klar: Michelle repräsentiert den unaufhaltsamen Aufstieg von Frauen in die Machtzentralen, und Teddy die hilflos-schwachsinnige Gegenwehr von Männern im poor white trash, die dauerhaft deklassiert werden. Aber mehr als diese platte Groteske hat Lanthimos dazu nicht zu sagen. „Bugonia“ ist sein unattraktivster Film seit „The Killing of a Sacred Deer“ (2017) – jener war zu verrätselt, der neue hingegen fällt zu eindimensional aus. Und die mit großem Aufwand und erlesenen Aufnahmen inszenierte Schlusspointe dürfte vor allem denjenigen Zuschauern von Superhelden-Filmen gefallen, die ihr Weltbild aus denselben Quellen beziehen wie Teddy.