
Das Interessanteste am neuen Film von Giorgos Lanthimos ist sein Werbeplakat. Obwohl einfach und klar gestaltet, dauert es einen Moment, bis man das Motiv erkennt: Zu sehen ist das glatzköpfige Haupt von Emma Stone, das sie mit leicht geöffnetem Mund und weit aufgerissenen Augen in den Nacken legt – in Extase? In überwältigendem Schmerz? In Agonie? Man weiß es nicht, und die roten und gelben Schlieren viskoser Flüssigkeiten, die von oben auf sie herabfließen, tragen nichts zur Aufklärung bei. Da bleibt alles im vieldeutig Ungefähren.
Info
Bugonia
Regie: Giorgos Lanthimos,
120 Min., Irland/ Großbritannien/ Kanada/ Südkorea 2025;
mit: Emma Stone, Jesse Plemons, Aidan Delbis
Weitere Informationen zum Film
Bienen entstehen in toten Ochsen
Ähnlich altehrwürdig ist der Aberglaube, auf den sich der Filmtitel bezieht: Im Mittelmeerraum vermutete man einst, dass Bienenvölker in verwesenden Kadavern toter Ochsen entstünden. Mit solchen Anspielungen auf antike Mythologie reichert der griechische Regisseur gern seine Filme an. Allerdings hat er das bizarre Sujet diesmal seiner Vorlage entnommen: „Bugonia“ ist das Remake der obskuren südkoreanischen Science-Fiction-Komödie „Save the Green Planet!“ von 2003.
Offizieller Filmtrailer
Ausgang des Psycho-Duells steht fest
Mit weitgehend ähnlichem Plot: Zwei versponnene Verschwörungstheoretiker kidnappen einen CEO, weil sie glauben, dieser wolle die Erde zerstören. Nur ist der Boss zwei Jahrzehnte später in Lanthimos‘ Version eine Frau: Emma Stone spielt Michelle Fuller, die Chefin eines Biotech-Pharmakonzerns, mit eisiger Kontrollwut und beinharter Durchsetzungsstärke. Doch ihre Karate-Künste helfen ihr nichts: Die beiden Hinterwäldler Teddy (Jesse Plemons) und Don (Aidan Delbis) verschleppen sie in ihr abgelegenes Holzhaus – samt Folterkeller und Bienenstöcken im Garten.
Dass Hobby-Imker Teddy argwöhnt, die Machenschaften des Konzerns trügen zum Bienensterben bei, mag noch angehen. Seine Überzeugung, Michelle werde als Außerirdische die Menschheit ausschalten, beruht jedoch auf besonders wahnwitzigen Spielarten von Internet-Paranoia; selbst sein geistesschwacher Cousin Don will nicht recht daran glauben. Was dem Psycho-Duell von Täter und Opfer jede Spannung nimmt: Von vorneherein ist klar, dass Teddy den Kürzeren ziehen wird.
Minderbemittelter „Psycho“-Nachfahre
„Es existiert kein denkbares Szenario, bei dem ihr davon profitiert“, zischt Michelle ihm bei einem der langatmigen Verhöre entgegen, womit sie den Ablauf der Geschichte in einem Satz zusammenfasst. Alles Übrige sind gesuchte Einfälle, die mal skurril – Fettcreme im Gesicht – und mal abstoßend ausfallen: Eine derart quälende Elektroschock-Folter war schon lange nicht mehr auf der Leinwand zu sehen.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Kinds of Kindness" – komplex verrätselter Episodenfilm von Giorgos Lanthimos mit Emma Stone + Jesse Plemons
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und hier eine Kritik des Films "The Killing of a Sacred Deer" – absurder Familien-Psychothriller von Giorgos Lanthimos mit Colin Farrell
und hier einen Bericht über den Film "The Lobster" – grotesk surreale Beziehungs-Dystopie von Giorgos Lanthimos mit Rachel Weisz.
Schlusspointe für Superhelden-Gucker
Regisseur Lanthimos verzerrt seine Protagonisten zu Karikaturen: Die Pharma-Bossin erscheint als Ekelpaket von Powerfrau, ihre Widersacher als desorganisierte Deppen. Da hilft es wenig, dass alle drei exzellent gespielt werden. Wobei Jesse Plemons paradoxerweise am ehesten Sympathie weckt: reflektiert und höflich ist er selbstlos um Weltrettung bemüht – und zieht zu jeder Vernehmung seinen Anzug samt Schlips an.
Schon klar: Michelle repräsentiert den unaufhaltsamen Aufstieg von Frauen in die Machtzentralen, und Teddy die hilflos-schwachsinnige Gegenwehr von Männern im poor white trash, die dauerhaft deklassiert werden. Aber mehr als diese platte Groteske hat Lanthimos dazu nicht zu sagen. „Bugonia“ ist sein unattraktivster Film seit „The Killing of a Sacred Deer“ (2017) – jener war zu verrätselt, der neue hingegen fällt zu eindimensional aus. Und die mit großem Aufwand und erlesenen Aufnahmen inszenierte Schlusspointe dürfte vor allem denjenigen Zuschauern von Superhelden-Filmen gefallen, die ihr Weltbild aus denselben Quellen beziehen wie Teddy.
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