
Science fiction-Filme wollen oft hoch hinaus: in die unendlichen Weiten des Weltalls und in stark spekulative Gedankenwelten. Leider gerinnen solche Ambitionen oft zu halbgaren Gebilden oder gar haarsträubendem Quatsch. Wie etwa im prätentiösen Film „I Origins“ (2014) von Mike Cahill; da lag die menschliche Seele im Auge des Betrachters.
Info
Chappie
Regie: Neill Blomkamp
120 Min., USA 2015;
mit: Sigourney Weaver, Hugh Jackman, Sharlto Copley
Künstliche Intelligenz in rostiger Hülle
Treibt man diesen Gedanken weiter, kommt man irgendwann zu einem derart abseitigen Ergebnis wie „Chappie“. Der dritte Film des südafrikanischen Regisseurs Neill Blomkamp zelebriert genüsslich die white trash– und gangsta-Kultur – und gibt sich selbst ein wenig unterbelichtet. Doch unter einer rostigen Roboter-Hülle steckt die wohl erste künstliche Intelligenz (KI) im Kino, die nicht nur hauen und stechen kann, sondern auch den Zuschauer berührt und zum Denken anregt.
Offizieller Filmtrailer
Maschinen, die malen oder Musik spielen
Johannesburg in naher Zukunft: Südafrikas Metropole ist fest im Griff skrupelloser Verbrecher-Banden. Um der Lage Herr zu werden, setzt die Polizei hoch entwickelte Kampf-Roboter ein. Diese Androiden ersinnt Deon Wilson (Dev Patel), Chefentwickler eines Waffenkonzerns. Das Steckenpferd des genialen nerd ist jedoch ein Programm für echtes menschliches Bewusstsein.
Als Deon einen Durchbruch erzielt, will er das KI-Programm einem Androiden einsetzen. Seine Chefin (Sigourney Weaver) hat kein Interesse an Maschinen, die „malen oder Musik spielen“ können. Daher entwendet er einen defekten Polizei-Roboter und experimentiert auf eigene Faust. Doch sein Versuchskaninchen stehlen ihm die Gangster Ninja (Watkin Tudor Jones) und Yolandi (Yo-Landi Visser).
Gangsta rap aus Südafrika von „Die Antwoord“
Beide wollen „Chappie“, der über eigenes Bewusstsein verfügt, zum Gangster ausbilden, um mit seiner Hilfe einen Geldtransporter auszurauben. Über die kruden Erziehungsmethoden für sein Baby ist nicht nur Deon entsetzt. Auch Yolandi entwickelt allmählich echte Muttergefühle. Dagegen will ein Ex-Militär alle Androiden durch von Menschen gesteuerte Kampfmaschinen ersetzen.
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
Lesen Sie hier eine Kritik des Films "Jupiter Ascending" von Lana + Andy Wachowski über die Rettung der Menschheit durch eine Putzfrau
und hier eine Besprechung des Films “The Zero Theorem – Das Leben passiert jedem” – sarkastische SciFi-Groteske von Terry Gilliam
und hier einen Beitrag über den Film “I Origins – Im Auge des Ursprungs” – Identitäts-Mystik-Drama von Mike Cahill
und hier einen Bericht über den Film "Zulu" - Politkrimi aus Südafrika von Jérôme Salle mit Forest Whitaker über Bio-Waffen des Apartheids-Regimes.
Konditionierung oder eigenes Ego?
Dass ausgerechnet diese unterbelichteten Kretins einen hochbegabten Roboter adoptieren, führt zu vielen grotesken Erziehungs-Konflikten. Während Chappies Schöpfer ihm Friedfertigkeit und Kreativität vermitteln will, stehen bei seinen neuen Stiefeltern Schießübungen und coole gangsta moves auf dem Lehrplan.
Keine Frage: Diese multitalentierte Blechbüchse ist so ziemlich die knuddeligste sci-fi-Figur seit E.T. mit seinen Versuchen, nach Hause zu telefonieren. Doch dieser Film stellt in seiner familienfreundlichen Verpackung ernste Fragen: Ist unsere Persönlichkeit allein das Resultat von Konditionierung durch unsere Umwelt, oder hat sie einen eigenen, unveränderlichen Kern?
Technik wird menschlicher
Im Gegensatz zu megalomanen Kollegen wie etwa den Wachowski-Geschwistern („Cloud Atlas“, „Jupiter Ascending“) versucht Neill Blomkamp nicht, seinen letzten Film „Elysium“ (2013) über Klassenkampf im All durch noch mehr Aufwand zu übertreffen, sondern nimmt sich eher ein Stück zurück. Anstatt mit Gigantismus zu protzen, macht er Technik menschlicher. Damit führt der Filmemacher ein Genre, das in jüngster Zeit immer kälter und steriler wurde, wieder zu inhaltlich relevanten und anrührenden Geschichten zurück.