
Ein blockbuster über einen Genozid, gepaart mit einer Liebesgeschichte in der Tradition von „Ben Hur“ und „Krieg und Frieden“ – geht das? Die Produzenten von „The Promise“ haben es mit einem Budget von 90 Millionen Dollar gewagt und, zumindest in den USA, finanziellen Schiffbruch erlitten. Doch ihre Motivation war wohl nicht in erster Linie Profit, sondern die Thematisierung des Völkermordes an der armenischen Bevölkerung. Er wird von der türkischen Regierung nach wie vor bestritten.
Info
The Promise -
Die Erinnerung bleibt
Regie: Terry George,
133 Min., USA 2017;
mit: Oscar Isaac, Christian Bale, Charlotte Le Bon
Lagerhaft oder Todesmärsche
Als der Erste Weltkrieg ausbricht, nutzt die jungtürkische Regierung der Offiziere Enver, Cemal und Talât Pascha diese Gelegenheit, um die Armenier kollektiv zu diskreditieren: Sie spionierten für das feindliche Zarenreich und bereiteten Aufstände vor, hieß es. Anführer und Intellektuelle werden verhaftet, ihre Vermögen konfisziert. Bald werden alle Armenier verfolgt, vor allem in ihrem Hauptsiedlungsgebiet Ostanatolien: Dörfer werden ausradiert, ihre Bewohner zu Lagerhaft verurteilt oder Todesmärschen in die syrische Wüste gezwungen.
Offizieller Filmtrailer
40 Tage auf dem Musa Dagh
Wie aus einer Atmosphäre multikultureller Toleranz im Nu blanker Hass wird, der alle Gewissheiten wegbrechen läst, erlebt der Zuschauer durch die Augen des unheroischen Helden Mikael. In Istanbul begegnet er der aus Frankreich zurückgekehrten Ana (Charlotte Le Bon) und ihrem US-amerikanischen Journalistenfreund Chris (Christian Bale). Natürlich verliebt sich Mikael, wenn auch mit Skrupeln – er ist ja daheim verlobt. Das Trio wird im Film immer wieder getrennt und findet wieder zusammen.
Ihre Odyssee endet zunächst am Musa Dagh. Auf diesem Berg nahe der Mittelmeerküste konnten sich 4000 Armenier 40 Tage lang gegen das türkische Militär behaupten, bis sie von einem französischen Kriegsschiff gerettet wurden. Die Geschichte ihres erfolgreichen Widerstands hat der Schriftsteller Franz Werfel 1933 im Roman „Die 40 Tage des Musa Dagh“ fiktionalisiert. Doch die Hoffnung, dass nun alles gut wird, stirbt zuletzt.
Kino, das andere gerne machen würden
Mit all seinen Stärken und Schwächen – etwa dem aufgesetzt wirkenden Akzent von Oscar Issac, der ansonsten ganz famos spielt – ist „The Promise“ diejenige Art von Kino, die Produzenten wie UFA-Chef Nico Hofmann gerne machen würden: die Vergegenwärtigung historischer Ereignisse am Beispiel persönlicher Erfahrungen, nur mit größerem Budget und ohne deutschen Narzissmus. Regisseur Fatih Akin hat das 2014 mit „The Cut“ versucht; leider litt seine Sicht auf den Armenier-Genozid an einer überkonstruierten Handlung und etwas hölzernen Inszenierung.
Der nordirische Regisseur Terry George hingegen bringt die für das Thema nötige Erfahrung mit. In Filmen wie „Mütter & Söhne“ (1996) oder „Hotel Ruanda“ (2004) schafft er es, die Atmosphäre der Hilflosigkeit angesichts politischer Gewalt heraufzubeschwören und jede Form von Widerstand als alternativlos erscheinen zu lassen. So wird das Dasein im türkischen Arbeitslager überzeugend als Hölle auf Erden dargestellt.
Geschichte streift Gegenwart
Als Mikael aus ihm fliehen kann und bald darauf das Ausmaß der Deportation begreift, rutscht die Inszenierung mit Bildern, die sonst Filmen über die shoah vorbehalten sind, ins Apokalyptische. Das ist arg, aber nicht völlig unberechtigt: Der von den verbündeten Deutschen gedeckte Genozid an den türkischen Armeniern hatte erwiesenermaßen Vorbildfunktion für den holocaust. So überbietet der Film trotz seines kommerziellen Scheiterns seine europäischen Vorgänger: In „Das Haus der Lerchen“ erzählten die italienischen Regie-Brüder Paolo und Vittorio Taviani 2007 eine ähnliche Geschichte. Aber sie lief von Beginn an elegisch, holprig und hoffnungslos ihrem traurigen Ende entgegen.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Innen Leben - Insyriated" - packend klaustrophobisches Drama über den Bürgerkrieg in Syrien von Philippe Van Leeuw
und hier eine Besprechung des Films "The Cut" - ambitioniertes Melodram über den Völkermord an den Armeniern von Fatih Akin
und hier einen Beitrag über den Film "Anduni - Fremde Heimat" über Armenier in Deutschland von Samira Radsi.
Grauen wird nicht beschönigt
Das Motto des Films aber, nach dem stets dort, wo zwei Armenier aufeinandertreffen, auch Armenien ist, nimmt immerhin Abstand von Blut- und Boden-Gedanken und vererbtem Hass, der solche Konflikte endlos ausdehnen kann. Zwar gibt es seit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 wieder Armenien als souveränen Staat, doch die armenische Identität ist seit dem Genozid geprägt durch ihre Diaspora; das nimmt der Polemik ihren aggressiven Charakter.
Das Anliegen des Films ist nicht Rache, sondern die Widerlegung des Diktums, demzufolge Geschichte von Siegern geschrieben wird. Die türkische Seite wird keineswegs kollektiv diffamiert, das Grauen aber auch nicht beschönigt. Die Anerkennung des Genozids durch Ankara könnte die Grundlage einer Versöhnung sein; doch bislang fordert das die armenische Regierung in Jerewan vergeblich.