Fair is foul, and foul is fair: Die Umwertung aller Werte bringen Shakespeares Hexen auf eine unvergessliche Stabreim-Kurzformel. Geschichte als Schleudertrommel, die das Unterste nach oben hebt, das Gemeinste auf den Thron hievt und Amoral triumphieren lässt. Allerdings nur auf Zeit: Das Verdrängte kehrt wieder, rächt sich und stellt die geschändete Ordnung wieder her. Das ist „Macbeth“. Wirklich?
Info
Macbeth
Regie: Justin Kurzel,
Min., Großbritannien 2015;
mit: Michael Fassbender, Marion Cotillard, David Thewlis
Gewalt als Kettenreaktion
Doch Macbeth ist nicht nur ein machthungriger Aufsteiger, der sich den Weg an die Spitze freimordet. Drei der fünf Akte handeln vom seelischen Preis seiner Schandtaten: Den Usurpator peinigen Ängste und Visionen. Er lässt Weggefährten und Mitwisser verfolgen und liquidieren, rottet zur Abschreckung ihre Familien aus und verliert dennoch letztlich alles. Gewalt als Kettenreaktion, die immer neue Gewalt gebiert, bis sie in Selbstzerstörung mündet.
Offizieller Filmtrailer
Monströse Untaten sensibler Charaktere
Insofern ist die Fabel hochmoralisch: Verbrechen lohnt sich nicht – doch würde der Titelheld nicht am Ende entmachtet, wäre das Stück nihilistisch. Denn seine Widersacher, die Recht und Moral repräsentieren, bleiben eher blass. Shakespeare konzentriert sich auf Macbeth und seine Lady, deren allmähliches Versinken in der Tyrannei er unerbittlich auskostet. Lange Monologe schildern ihre Zweifel, Schuldgefühle und Furcht vor jedem nächsten Schritt. Beide sind sensible Charaktere voller Skrupel; erst das macht ihre Untaten so monströs.
Diese Ambivalenz hat schon viele Filmregisseure gereizt. Am erfolgreichsten war Roman Polanski, der mit seiner Version von 1971 die Ermordung seiner Frau Sharon Tate verarbeitete. Am originellsten ist „Das Schloss im Spinnwebwald“ von Akira Kurosawa, der 1957 das Drama unter Samurais im alten Japan verlegte. Fügt dem der australische Regisseur Justin Kurzel eine neue Lesart hinzu?
Hierarchien + Rituale als einziger Luxus
Allerdings: mit Hyper-Realismus, der zugleich bis zum Äußersten stilisiert wird. Die Ausstattung ist authentisch historisch: Schottische Schlösser sind kahle und kalte Gemäuer, die Akteure in grobe Tuche gehüllt. Bei Gefechten treffen zerlumpte, vernarbte Gestalten aufeinander; die Schlachtszenen sind ein Furioso aus Gebrüll, Schlammspritzern und Knochenmühle – das lässt erahnen, wie unsäglich elend und brutal Leben und Sterben im 11. Jahrhundert gewesen sein muss.
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
Lesen Sie hier eine Besprechung des Films "Es ist schwer, ein Gott zu sein" - hypernaturalistische Mittelalter-Parabel von Alexej German
und hier einen Bericht über den Film "Cäsar muss sterben" – Doku-Drama über Shakespeare-Inszenierung im Gefängnis von Paolo + Vittorio Taviani, Berlinale-Siegerfilm 2012
und hier einen Beitrag über den Film “Anonymus” – Literatur-Thriller über Shakespeares Autorenschaft von Roland Emmerich.
Waschen blutiger Hände entfällt
Um sich dann, wie Shakespeare, mit Macbeth und seiner Gemahlin in ihre Privatgemächer zurückzuziehen. Michael Fassbender ist ein faszinierender Antiheld: von endlosen Waffengängen gezeichnet, grübelnd in sich gekehrt, entgleiten ihm zusehends die Züge und Zügel, je mehr er sich in seinen Blutrausch hineinsteigert.
Als Lady Macbeth erscheint Marion Cotillard zuerst wie eine Lichtgestalt in dieser tristen Welt aus Grobianen und Vetteln – bis sie ihrem Mann einflüstert, König Duncan (David Thewlis) zu beseitigen, und damit das Unheil in Gang setzt. Im Film ist ihr Part etwas kleiner als auf der Bühne; wahnhaftes Waschen blutiger Hände entfällt, doch bis zu ihrem Selbstmord hat Cotillard einen fabelhaften Auftritt.
Apocalypse now
Ansonsten bleiben alle wichtigen Elemente des Dramas erhalten, ebenso Shakespeares unsterbliche Verse. Wenn schließlich die Untergangs-Prophezeiung der Hexen eintrifft, weil sich der Wald von Birnam ‚bewegt‘, indem er in Flammen aufgeht, dann wird das zum überwältigenden Inferno – apocalypse now. Die Feuersbrunst reißt alles mit und wirbelt es in die Luft: Fair is foul, and foul is fair.