Wes Anderson

Asteroid City

Wunderkind Woodrow (Jack Ryan) beobachtet mit einem Teleskop den Himmel. Foto : Courtesy of Pop. 87 Productions/Focus Features
(Kinostart: 15.6.) Regisseur Wes Anderson, Meister der ausgetüftelt verschachtelten Bastelkomödie, entführt sein Publikum diesmal in ein US-Wüstenstädtchen der 1950er Jahre. Alles ist wie üblich kunterbunt, symmetrisch, skurril und absurd – doch die gewohnte Rezeptur droht in Leerlauf abzugleiten.

Man sieht es sofort: Dies ist ein Wes Anderson Film. Unverwechselbar sind die Prinzipien seiner stilistischen Handschrift: ein perfekt symmetrischer Bildaufbau, ein fast schon obsessives Interesse an historisch korrekten Details, dazu Pastellfarben und Retro-Look, alles ausgefeilt disponiert und komplett durchkomponiert. Damit ist der US-Regisseur im Lauf der Jahre zu einem Markenzeichen geworden; seine Filme bilden ein Genre für sich.

 

Info

 

Asteroid City

 

Regie: Wes Anderson,

104 Min., USA 2023;

mit: Tilda Swinton, Tom Hanks, Scarlett Johansson, Margot Robbie

 

Weitere Informationen zum Film

 

Allein die Schauplätze seiner Geschichten variieren. „Asteroid City“ spielt Mitte der 1950er Jahre in einem fiktiven Wüstenstädtchen im Südwesten der USA; es verdankt seinen Namen einem Meteoriteneinschlag vor 3000 Jahren. Heute befindet sich in dem Nest im Nirgendwo eine Sternwarte der Regierung. Dazu komplettieren eine Tankstelle, ein verlassener Bahnhof und ein Diner das Setting. Alles sieht tadellos aus: Der Sand schimmert wie Pfirsichflaum, der Himmel ist türkisblau. Gelegentlich blüht in der Ferne ein Atompilz von Testzündungen auf; das erscheint so blank poliert und unwirklich wie alles andere.

 

Armada der Hollywood-Stars

 

In diesem abgezirkelten Arrangement tritt ein Ensemble von Hollywood-Stars auf, von denen einige bereits mehrfach in Anderson-Filmen mitspielten. Jason Schwartzman agiert diesmal als verwitweter Kriegsfotograf Augie Steenbeck, Scarlett Johansson als klassische Filmdiva. Jeffrey Wright spielt einen General, Steve Carell den örtlichen Motelbesitzer. Matt Dillon gibt einen Automechaniker und Tilda Swinton die Profi-Astronomin Dr. Hickenlooper.

Offizieller Filmtrailer


 

Wissenschaftspreis für Wunderkind

 

Ein Reigen hervorragender Charakterdarsteller: Alle sprechen engagiert ihre Texte, auch wenn deren Wortlaut noch so absurd erscheint. Denn auch Witz und Ironie und ein gewisser Grad an Coolness gehören zu den üblichen Zutaten einer schrägen Komödie von Wes Anderson. Andererseits stellt sich die Frage: Warum soll man sich seinen neuen Film ansehen, wenn der Regisseur doch stets Variationen des Gleichen bietet? Auch „Astroid City“ bedient die gewohnten Muster. Da bleibt kaum Platz für Überraschungen, trotz stark verschachtelter Handlung.

 

Der Kern des Plots dreht sich um Steenbecks Familie; sein begabter Sohn Woodrow (Jake Ryan) hat das Zeug zum Astronomen. Vor hochkarätigem Publikum sollen der Teenager und andere Nachwuchs-Sternforscher mit einem Jugend-Wissenschaftspreis ausgezeichnet werden. Jedoch wissen weder der Junge noch seine drei Schwestern, dass ihre Mutter vor wenigen Tagen gestorben ist. Vater Augie steckt der Schock über ihren Tod noch in den Knochen; nun hofft er auf die Hilfe seines Schwiegervaters alias Tom Hanks.

 

Theaterstück als Rahmenhandlung

 

Bald überschlagen sich jedoch die Ereignisse: Während der Feierlichkeiten bekommen die anwesenden Gäste Besuch aus dem Weltall in Gestalt eines Außerirdischen. Unverzüglich greift das Militär im Auftrag der Regierung zu Schutzmaßnahmen, und schon sitzt die ganze Busladung von Kindern und Erwachsenen in dem kleinen Sternengucker-Städtchen fest. All das wird von einer Rahmenerzählung zusammengehalten.

 

Wie ein Fernsehmoderator (Bryan Cranston) gleich zu Beginn erklärt, sieht man auf der Leinwand eigentlich ein Theaterstück. Im Verlauf des Films wechselt Anderson immer wieder zwischen Bühnenwelt und Wüste hin und her, um klarzustellen, wie es überhaupt zur Entstehung der Geschichte kam. Jene Passagen, die im Theater spielen, sind in körnigem Schwarzweiß gehalten. Die Stimmung ist gedämpft, ein Hauch Nostalgie über die goldene Ära des Broadway durchweht die Szenen.

 

Bedrohung durch Autoritarismus

 

Vermutlich liegt in dieser Verschränkung von ernsten und heiteren Momenten der Schlüssel zum Verständnis von „Asteroid City“. Allmählich verlagert Wes Anderson den Schwerpunkt seines Schaffens. Seine frühen, herrlich verschrobenen Tragikomödien wie „The Royal Tenenbaums“ (2001) genügten sich selbst und kamen ohne Realitätsbezug aus. Doch mittlerweile schlägt Anderson streckenweise auch nachdenklichere Töne an.

 

Hintergrund

 

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Seine drei letzten Filme spielten im Osteuropa der Zwischenkriegszeit („Grand Budapest Hotel“, 2014), in einem imaginären postapokalyptischen Japan („Isle of Dogs – Ataris Reise“, 2018) und im Frankreich der 1968er-Epoche („The French Dispatch“, 2021). In allen drei Werken war die schleichende Bedrohung durch Autoritarismus mehr oder weniger deutlich präsent. Daran knüpft „Asteroid City“ an: Nach der Invasion durch Aliens verhängt das Militär eine Quarantäne, so dass keiner die Stadt betreten oder verlassen darf – Covid-Lockdowns lassen grüßen.

 

Gut geölte Maschine

 

Dennoch bleibt der Film eine absurd-skurrile Komödie, an der mitzuwirken die Schauspielstars sichtlich Freude haben. Alles funktioniert reibungslos, wie eine gut geölte Maschine – nur merkt man deutlich, wie und wo mit Öl geschmiert wird. Da wächst das Risiko, dass Anderson mit steter Wiederholung seiner Bauanleitung irgendwann sich selbst langweilen wird – und ebenso das Publikum. Leerlauf droht.

 

Dafür lassen sich schon hier erste Anzeichen erkennen. So quietschbunt die Farbgebung auch ist – den Zuschauer beschleicht das Gefühl, dass hinter der leuchtenden Fassade nicht viel Substanz steckt. Der Verdacht bestätigt sich, sobald man das Kino verlässt. In Erinnerung bleibt, was emotional berührt; Andersons Film und seine Figuren tun es nicht.