
„Le Passé“ setzt da ein, wo Asghar Farhadis letzter Film „Nader und Simin – eine Trennung“ aufhörte: bei der Scheidung. Marie (Bérénice Bejo) gelingt, woran ihre Vorgängerin Simin scheiterte: rechtskräftig die Bindung an ihren Ex-Mann zu lösen. Doch damit fangen die Probleme erst an; wie in „Nader und Simin“ ist die Personen-Konstellation komplex und lässt sich kaum entwirren.
Info
Le Passé - Das Vergangene
Regie: Asghar Farhadi,
130 Min., Frankreich/ Italien 2013;
mit: Tahar Rahim, Bérénice Bejo, Ali Mosaffa
Stieftochter mit Rivalen aussöhnen
Er reagiert verschnupft, zumal ihn bald eine weitere Enthüllung kränkt: Marie ist von Samir schwanger. Überdies erwartet sie von Ahmad eine Gefälligkeit. Er soll ihrer halbwüchsigen Tochter Lucie ins Gewissen reden, die Samir schneidet und nur noch zum Schlafen nach Hause kommt, damit der rebellische Teenager sich mit dem Vater ihres ungeborenen Kindes aussöhnt.
Offizieller Filmtrailer
Eingeholt vom geleugneten Schatten
Ahmad lässt sich darauf ein und spricht mit Lucie, zu der er stets ein gutes Verhältnis hatte. Von ihr erfährt er, dass Samirs Noch-Ehefrau einen Selbstmordversuch unternahm, als sie von dessen Affäre mit Marie erfuhr; nun liegt sie als hoffnungsloser Fall im Koma. Samir besucht sie täglich mit schlechtem Gewissen im Krankenhaus – er ist nicht der Einzige, den deshalb Schuldgefühle plagen.
Alles wie in „Nader und Simin“, und doch ganz anders: Waren es dort iranische Großfamilien mit ihren traditionellen Verpflichtungen in alle Richtungen, die Handlungsspielräume der Protagonisten einschränkten, ist es hier die westliche Patchwork-Familie. Aus verflossenen Lieben und gescheiterten Lebensentwürfen schleppen alle Beteiligten Lasten mit sich herum, die sie nicht abschütteln können. Je entschiedener sie den Schatten der Vergangenheit leugnen, desto rascher holt er sie ein.
Allmählich Leichen aus dem Keller holen
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit
Lesen Sie hier eine Besprechung des Films "Nader und Simin - eine Trennung" - Oscar-prämiertes Meisterwerk über eine Ehekrise von Asghar Farhadi
und hier einen Bericht über den Film "The Artist" - brillantes Stummfilm-Remake mit Bérénice Bejo von Michel Hazanavicius
und hier einen kultiversum-Beitrag über “Alles über Elly“ - fesselndes Psycho-Drama im Iran von Asghar Farhadi.
Allmählich werden die seelischen Leichen aus dem Keller geholt und Nerven blank gelegt. Alle Hauptpersonen verbinden nur noch die Konflikte, die sie miteinander austragen: Lautstarker Streit wird zum herrschenden Umgangston. Dass er keine Sekunde lang hysterisch oder affektiert wirkt, liegt an Farhadis Regiekunst: Vor dem Dreh lässt er seine Schauspieler wochenlang proben, bis jedes Wort und jede Geste sitzt.
Beste Schauspielerin in Cannes
In ihrer konzentrierten Intensität erinnern seine Kammerspiele an die seines Vorbilds Ingmar Bergman: Wie der schwedische Regisseur wählt Farhadi schlichte Ausgangssituationen, die er mit präziser Beobachtung zwischenmenschlicher Reaktionen zu Parabeln von universeller Gültigkeit ausbaut.
Dafür wurde „Nader und Simin“ mit Preisen überschüttet: neben dem Goldenen Bären und zwei Silbernen Bären für die besten Darsteller auch dem ersten Auslands-Oscar für einen Film aus dem Iran. Bei „Le Passé“ wurde bislang nur Bérénice Bejo in Cannes als beste Schauspielerin ausgezeichnet; dabei verdient dieser exzellente Film genauso viel Beachtung wie sein Vorgänger.