
Allmählich geht eine Ära zu Ende: Gene Hackman und Jack Nicholson scheinen sich zur Ruhe gesetzt zu haben. Clint Eastwood hatte jüngst seinen wohl letzten Leinwandauftritt in „The Mule“. Andere Helden des Kinos der 1960er und 1970er Jahre sind schon gestorben, Paul Newman etwa.
Info
Ein Gauner & Gentleman
(Old Man and The Gun)
Regie: David Lowery,
93 Min., USA 2018;
mit: Robert Redford, Casey Affleck, Sissy Spacek
Paraderolle zum Abschied
Allzu weit strecken muss sich Redford in David Lowerys Film nicht. Schließlich spielt er einmal mehr eine Rolle, die er aus dem Effeff beherrscht: einen souveränen, lässigen Mann, der mit Charme Vieles erreicht, für das Andere hart arbeiten müssen. Das war immer schon Redfords Paraderolle – und wohl auch der Grund, weswegen er als Schauspieler oft nicht ernst genommen wurde.
Offizieller Filmtrailer
Mit Charme und Knarre
„Ein Gauner & Gentleman“ beruht auf einer wahren Geschichte, die ursprünglich von David Grann für das Magazin „The New Yorker“ aufgeschrieben wurde. Redford spielt Forrest Tucker, dessen Leben sich zwischen Banküberfällen und Gefängnisaufenthalten abspielte. Dieser Tucker verübte keine elaborierten Raubzüge, sondern verließ sich ausschließlich auf seine charmante Art.
In Maßanzug und Hut betrat er kleine Banken im ländlichen Amerika, suchte den Manager auf, zeigte ihm freundlich die Pistole im Jackenhalfter und verlangte ruhig, aber bestimmt Geld. Meist hatte er mit dieser Masche Erfolg. Doch 18 erfolgreiche und zwölf gescheiterte Gefängnisausbrüche belegen, dass Tuckers Methode keineswegs narrensicher war.
Date mit Bankräuber
Der Film setzt Anfang der 1980er Jahre ein. Tucker ist Anfang 70 und raubt mit seinen Kumpanen (Danny Glover und Tom Waits) eine Bank in Texas aus. Auf der Flucht bemerkt er auf der Standspur eine ebenfalls nicht mehr ganz junge Frau und bietet – ganz der Gentleman – seine Hilfe an.
Jewel (Sissy Spacek), so ihr Name, erweist sich als alleinstehende Frau, die durchaus offen ist für einen Gefährten, mit dem sie ihren Lebensabend verbringen kann. Gleich zu Beginn ihrer Bekanntschaft, beim Kaffee in einem Diner, verrät Tucker ihr, dass er ein Bankräuber ist. Doch Jewel mag ihm das nicht so recht glauben.
Beschauliches Philosophieren
Beide bleiben in Verbindung, doch sie treffen sich nur unregelmäßig. Schließlich führen Tuckers kriminelle Aktivitäten ihn kreuz und quer durch den Mittleren Westen – fast wie einen Geschäftsreisenden. Bald ist ihm der Polizist John Hunt (Casey Affleck) auf der Spur. Er führt ein vermeintlich glückliches Leben mit Frau und Kindern, hadert aber mit dem Sinn seines Daseins.
Wenn sich diese beiden Männer, die auf verschiedenen Seiten des Gesetzes stehen, in einem Diner treffen und über ihre Lebensphilosophie sinnieren, fühlt man sich an Michael Manns legendäres Gangsterepos „Heat“ (1995) erinnert, in dem Robert De Niro und Al Pacino die schicksalsverbundenen Antagonisten gaben. Schien in der fiebrigen Atmosphäre des Schauplatzes Los Angeles die Besessenheit der Figuren noch deutlich durch, erzählt der aus Wisconsin stammende David Lowery seine Geschichte bedächtiger, ja geradezu beschaulich.
Gemächlich obsessiv
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "The Mule" - Thriller über Rentner-Drogenkurier von und mit Clint Eastwood
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und hier einen Beitrag über den Film "Der Moment der Wahrheit - Truth" - Medien-Drama von James Vanderbilt mit Robert Redford
und hier eine Besprechung des Films "All is lost" - mitreißendes Seenot-Drama von J.C. Chandor mit Robert Redford.
So ist etwa Tuckers Polizei-Akte gespickt mit Fotos aus seinen legendären Filmen; oder bei einer Montage seiner Ausbrüche ist eine Szene aus dem Klassiker „Ein Mann wird gejagt“ von 1966 mit Marlon Brando und Jane Fonda zu sehen. Doch unter der gemächlichen Oberfläche lässt sich auch die Charakterstudie eines Mannes erkennen, der sich ganz bewusst seiner Obsession hingibt.
Unterschwellig + pathosfrei
Die unterschwellige Tragik der Geschichte wird zunehmend greifbar. Obwohl Tucker in Jewel eigentlich eine liebevolle Gefährtin gefunden hat und ihm seine ihm entfremdete Tochter vor Augen führt, welche zwischenmenschlichen Opfer sein Lebensstil fordert, wird deutlich: Dieser Mann kann nicht anders. Nur wenn er Banken überfällt, ist er ganz bei sich.
Deswegen immer wieder im Gefängnis zu landen – und damit seine Lieben vor den Kopf zu stoßen – ist ein Preis, den er zu bezahlen bereit ist. Dabei legt Redford seine Figur mit typischem Understatement an: ohne großes Drama, ohne Pathos, aber mit der Erfahrung eines Schauspielers, der weiß, dass weniger oft mehr ist. Diese Gelassenheit ist nicht das Einzige, weswegen man Robert Redford noch sehr vermissen wird.