Stefan Haupt

Zwingli – Der Reformator

Ulrich Zwingli (Max Simonischek). Foto: © W-film /C-Films
(Kinostart: 31.10.) Gegen Bezahlung aus dem Fegefeuer: Im 16. Jahrhundert sorgte der Kirchenreformator Ulrich Zwingli für Unruhe in der Schweiz. Der Regisseur Stefan Haupt inszeniert sein ungewöhnliches Leben historisch präzise, aber recht didaktisch.

Als sich Martin Luthers Thesenanschlag vor zwei Jahren zum 500. Mal jährte, gab es nicht nur in der deutschen Museumslandschaft, sondern auch im Fernsehprogramm kein Entrinnen vor dem Initiator der Reformation. Nun hat es ein anderer Religionserneuerer auf die große Leinwand geschafft. Ulrich Zwingli (1484-1531) war einer der Gründerväter der reformierten Kirche in der Schweiz, neben Johannes Calvin und Heinrich Bullinger, die seine Ideen weiterführten.

 

Info

 

Zwingli – Der Reformator

 

Regie: Sarah Sophia Meyer, Max Simonischek, Anatole Taubmant,

128 Min., Schweiz/ Deutschland 2018;

mit: Sarah Sophia Meyer, Max Simonischek, Anatole Taubman

 

Website zum Film

 

Der Historienfilm setzt 1519 ein, als der damals noch weitgehend unbekannte Zwingli (Max Simonischek) als so genannter Leutpriester ans Großmünster in Zürich berufen wurde. Den gebürtigen Bauernsohn zeichnete eine große Volksnähe aus, im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen. Diese Eigenschaft wird gleich in den ersten Szenen deutlich, als Zwingli Straßenkinder spontan mit Musik bespaßt.

 

Seelenrettung gegen Geld

 

Die junge Witwe Anna Reinhart (Sarah Sophia Meyer) ist zufällig dabei; schon in diesem Moment ist klar, dass der Geistliche eine besondere Rolle in ihrem Leben spielen wird. Anna ist auf dem Weg ins Münster, um eine Totenmesse für ihren verstorbenen Mann lesen zu lassen – gegen Bezahlung. Die Geistlichkeit redet den Leuten ein, dass nur so die Seelen der Toten aus dem Fegefeuer erlöst werden. Ulrich Zwingli ist erbost über solche Praktiken, die mit dem Glauben der Menschen Geld verdienen.

Offizieller Filmtrailer


 

Nicht so radikal wie die Täufer

 

Unverblümt prangerte der Reformator seinerzeit die Missstände der Kirche an. Auch reduzierte Zwingli den Gottesdienst auf die reine Bibelauslegung und predigte auf Deutsch, nicht in lateinischer Sprache. Die Abschaffung des Zölibats forderte er auch aus Eigeninteresse; schließlich wollte der Priester seine wilde Ehe mit Anna legalisieren lassen. Am meisten Feinde machte sich Ulrich Zwingli aber mit seiner Idee, das Kircheneigentum zu verstaatlichen und die Erträge in Armenfürsorge und Bildung zu investieren.

 

Den Rat der Stadt Zürich hatte er mit dieser Forderung zwar auf seiner Seite. Auch bei anderen Fragen stärkte der Rat seinem Leutpriester den Rücken, etwa bei seinem Streben nach Unabhängigkeit von der Macht der Kirche. Die radikale Bilderstürmerei der Täuferbewegung um Felix Manz, einem frühen Wegbegleiter Zwinglis, war dann aber doch zu viel für die Stadtoberen. In der Geschichtsschreibung wird diese Bewegung bisweilen als linker Flügel der Reformation bezeichnet; sie sorgte nicht zuletzt durch ihre renitente Haltung gegenüber der staatlichen Obrigkeit für Unruhe.

 

Kargheit statt Opulenz

 

Manz wurde 1527 aufgrund eines Gerichtsurteils in der Züricher Limmat ertränkt und so zum ersten Märtyrer der Bewegung. Übrigens kam es erst 2004 zu einer offiziellen Versöhnung zwischen Reformierten und Täufern. Und natürlich riefen die Zürcher Aktivitäten seinerzeit den erbitterten Widerstand der romtreuen Kirchenoberen hervor: Mit brutalen Methoden versuchten sie, die Veränderungen aufzuhalten.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Verteidiger des Glaubens – das Scheitern eines Papstes" - Doku über die Ursachen für den Rücktritt von Benedikt XVI. von Christoph Röhl

 

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Regisseur Stefan Haupt hat all das mit großer Sorgfalt inszeniert. Die ruhigen Einstellungen und farbentsättigten Bilder wirken historisch stimmig. Kargheit und soziale Enge bestimmten damals das Dasein der meisten Menschen; Krankheiten und Kriege erschwerten es zusätzlich. Daher liegt es nahe, dass dieser Historienfilm alles andere als opulent wirkt.

 

Verwicklungen brav entwirrt

 

Die Schauspieler geben ihr Bestes, den gesteckten Rahmen mit Leben zu füllen. Max Simonischek als Zwingli trägt seine eigenwillige Kopfbedeckung mit Würde; Sarah Sophia Meyers stille Anna zeigt, wie viel Mut es brauchte, sich als Frau den sozialen Regeln zu widersetzen. Trotzdem lassen einen die Charaktere seltsam unberührt. Sie haben etwas von Schachfiguren, die auf dem Spielfeld der Geschichte hin- und herbewegt werden.

 

Das liegt vor allem an Haupts vorhersehbarer und biederer Inszenierung, die sich an bewährten Konventionen des Historiengenres orientiert. „Zwingli – Der Reformator“ arbeitet die komplexen Verstrickungen zwischen Kirche, Politik und der Privatsphäre der Menschen geradezu lehrbuchmäßig heraus. Ein historisch bedeutsames Fastenbrechen, das so genannte Zürcher Wurstessen, die Bibelübersetzung ins Schweizerdeutsche, der theologische Konflikt mit Luther – all diese Stationen werden pflichtschuldig abgehakt.

 

Nüchtern wie Protestantismus

 

Das Publikum soll etwas lernen – und tut das zweifellos auch. So gesehen, eignet sich der Film hervorragend als Einführung in die Geschichte der Reformation in der Schweiz. Leider hat sich dabei aber auch die Nüchternheit eingeschlichen, die man mit der reformierten Kirche verbindet – was das Sehen eher zur Bildungspflicht denn zu einem Kinovergnügen macht.