
Als sich Martin Luthers Thesenanschlag vor zwei Jahren zum 500. Mal jährte, gab es nicht nur in der deutschen Museumslandschaft, sondern auch im Fernsehprogramm kein Entrinnen vor dem Initiator der Reformation. Nun hat es ein anderer Religionserneuerer auf die große Leinwand geschafft. Ulrich Zwingli (1484-1531) war einer der Gründerväter der reformierten Kirche in der Schweiz, neben Johannes Calvin und Heinrich Bullinger, die seine Ideen weiterführten.
Info
Zwingli – Der Reformator
Regie: Sarah Sophia Meyer, Max Simonischek, Anatole Taubmant,
128 Min., Schweiz/ Deutschland 2018;
mit: Sarah Sophia Meyer, Max Simonischek, Anatole Taubman
Seelenrettung gegen Geld
Die junge Witwe Anna Reinhart (Sarah Sophia Meyer) ist zufällig dabei; schon in diesem Moment ist klar, dass der Geistliche eine besondere Rolle in ihrem Leben spielen wird. Anna ist auf dem Weg ins Münster, um eine Totenmesse für ihren verstorbenen Mann lesen zu lassen – gegen Bezahlung. Die Geistlichkeit redet den Leuten ein, dass nur so die Seelen der Toten aus dem Fegefeuer erlöst werden. Ulrich Zwingli ist erbost über solche Praktiken, die mit dem Glauben der Menschen Geld verdienen.
Offizieller Filmtrailer
Nicht so radikal wie die Täufer
Unverblümt prangerte der Reformator seinerzeit die Missstände der Kirche an. Auch reduzierte Zwingli den Gottesdienst auf die reine Bibelauslegung und predigte auf Deutsch, nicht in lateinischer Sprache. Die Abschaffung des Zölibats forderte er auch aus Eigeninteresse; schließlich wollte der Priester seine wilde Ehe mit Anna legalisieren lassen. Am meisten Feinde machte sich Ulrich Zwingli aber mit seiner Idee, das Kircheneigentum zu verstaatlichen und die Erträge in Armenfürsorge und Bildung zu investieren.
Den Rat der Stadt Zürich hatte er mit dieser Forderung zwar auf seiner Seite. Auch bei anderen Fragen stärkte der Rat seinem Leutpriester den Rücken, etwa bei seinem Streben nach Unabhängigkeit von der Macht der Kirche. Die radikale Bilderstürmerei der Täuferbewegung um Felix Manz, einem frühen Wegbegleiter Zwinglis, war dann aber doch zu viel für die Stadtoberen. In der Geschichtsschreibung wird diese Bewegung bisweilen als linker Flügel der Reformation bezeichnet; sie sorgte nicht zuletzt durch ihre renitente Haltung gegenüber der staatlichen Obrigkeit für Unruhe.
Kargheit statt Opulenz
Manz wurde 1527 aufgrund eines Gerichtsurteils in der Züricher Limmat ertränkt und so zum ersten Märtyrer der Bewegung. Übrigens kam es erst 2004 zu einer offiziellen Versöhnung zwischen Reformierten und Täufern. Und natürlich riefen die Zürcher Aktivitäten seinerzeit den erbitterten Widerstand der romtreuen Kirchenoberen hervor: Mit brutalen Methoden versuchten sie, die Veränderungen aufzuhalten.
Hintergrund
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Verwicklungen brav entwirrt
Die Schauspieler geben ihr Bestes, den gesteckten Rahmen mit Leben zu füllen. Max Simonischek als Zwingli trägt seine eigenwillige Kopfbedeckung mit Würde; Sarah Sophia Meyers stille Anna zeigt, wie viel Mut es brauchte, sich als Frau den sozialen Regeln zu widersetzen. Trotzdem lassen einen die Charaktere seltsam unberührt. Sie haben etwas von Schachfiguren, die auf dem Spielfeld der Geschichte hin- und herbewegt werden.
Das liegt vor allem an Haupts vorhersehbarer und biederer Inszenierung, die sich an bewährten Konventionen des Historiengenres orientiert. „Zwingli – Der Reformator“ arbeitet die komplexen Verstrickungen zwischen Kirche, Politik und der Privatsphäre der Menschen geradezu lehrbuchmäßig heraus. Ein historisch bedeutsames Fastenbrechen, das so genannte Zürcher Wurstessen, die Bibelübersetzung ins Schweizerdeutsche, der theologische Konflikt mit Luther – all diese Stationen werden pflichtschuldig abgehakt.
Nüchtern wie Protestantismus
Das Publikum soll etwas lernen – und tut das zweifellos auch. So gesehen, eignet sich der Film hervorragend als Einführung in die Geschichte der Reformation in der Schweiz. Leider hat sich dabei aber auch die Nüchternheit eingeschlichen, die man mit der reformierten Kirche verbindet – was das Sehen eher zur Bildungspflicht denn zu einem Kinovergnügen macht.