Gefahren des Großstadtlebens: Eigentlich will der Moskauer Vorarbeiter Vova (Stanislaw Ljubschin) nur kurz Nudeln und Brot besorgen, als er auf der Straße einem georgischen Geiger (Lewan Gabriadse) und einem barfüßigen alten Herren begegnet. Letzterer gibt vor, ein Außerirdischer zu sein. Ein Knopfdruck genügt – und schon finden sich Vova und der junge Georgier Gedewan in einer öden Wüste wieder. Noch wollen sie es nicht wahrhaben, doch sie wurden soeben auf den Planeten Plük teleportiert.
Kin-Dza-Dza! Regie: Georgi Danelija, 132 Min., Sowjetunion 1986; mit: Stanislaw Ljubschin, Lewan Gabriadse, Evgeniy Leonov Info
Wortschatz-Lektionen
Das lernen die unfreiwilligen Reisegefährten von den ersten Einheimischen, die ihnen begegnen. Die könnten ihnen zwar helfen, zur Erde zurückzukehren. Schließlich haben sie ein Pepelaz – womit ein Raumschiff gemeint ist; die Bezeichnung leitet sich vom georgischen Wort für Schmetterling ab. Dank Vovas Streichhölzern könnten sie genug Chatl zusammenbekommen, um ein Gravitsappa und ausreichend Luz für die Reise aufzutreiben. Keine Sorge – diese Begriffe werden häufig genug wiederholt, so dass sie auch beim Zuschauer hängenbleiben.
Offizieller Filmtrailer, OmU
Monty Python tritt Mad Max
Es gibt nur ein Problem: Die beiden Erdlinge gelten hier als Patsaken. Das bedeutet: Sie müssen eine kleine Glocke an der Nase tragen und einen albernen Tanz aufführen, wenn ein Tschatlane des Weges kommt; so wird der privilegierte Teil der Bevölkerung genannt. Andernfalls droht Ärger. Mit anderen Worten: Die Irrfahrten von „Onkel Vova“ und Gedewan sind noch lange nicht zu Ende.
Als spätsowjetische Version von Monty Python und Douglas Adams, dem Autor der fünfteiligen Romanserie „Per Anhalter durch die Galaxis“ (1979/92), bewirbt der Verleih treffend diese Science-Fiction-Komödie. Manche Kritiker fühlen sich darüber hinaus an die dystopischen „Mad Max“-Thriller (1979/85) oder auch an das Werk von Andrej Tarkowski erinnert; der Regisseur hatte für seine Kino-Meditationen eine sehr eigene, oft statische Bildsprache entwickelt.
Logik entschlüsseln
Darüber hinaus drängen sich noch andere Vergleiche auf. Zum Beispiel mit „E.T.“ (1983): Steven Spielbergs kommerziell äußerst erfolgreicher Mischung aus Märchen und Weltraumoper handelte von einem auf der Erde gestrandeten Außerirdischen. Zugleich erweist sich „Kin-Dza-Dza“ als frecher, aber aufrichtiger Abkömmling der sowjetischen Science-Fiction-Tradition: Alles in diesem Film, so töricht es zunächst aussehen mag, folgt einer stringenten Logik. Es ist an Vova, sie zu entschlüsseln.
Mit seiner anfänglichen Mischung aus Überheblichkeit und ungestümer Energie hat er sich nämlich schnell um seine Trümpfe gebracht. So betrachtet, knüpft das Weltraum-Abenteuer sogar an Homers Epos von den Irrfahrten des Odysseus an. Erst als er alles verloren hat, lernt Vova, das lokale System zu verstehen und für seine Zwecke zu nutzen.
Glasnost bremst Zensur
Bis dahin schlagen er und Gedewan sich als Musiker durch und dringen ins politische Zentrum des ökologisch ausgelaugten Planeten vor. Sie starten eine waghalsige Rettungsaktion, um schließlich auf eine Reise durch Raum und Zeit zu gehen. In dieser Hinsicht kann sich „Kin-Dza-Dza“ als wahre „Odyssee im Weltraum“ auch mit Stanley Kubricks Klassiker „2001“ (1968) messen.
Nur dass sich diese Komödie zugleich auch als Kommentar zu einer kafkaesk anmutenden Staatsführung verstehen lässt. Wie einer der – allesamt telepathisch begabten – Bewohner des Planeten sagt: „Was für ein Idiot würde auf Plük schon die Wahrheit denken?“ Dass diese Produktion der staatseigenen Firma Mosfilm nicht den Zorn der Zensur auf sich zog, dürfte am Klima kultureller Liberalisierung gelegen haben, das 1986 während der Perestroika in der Sowjetunion herrschte.
Dialektischer Witz
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Leto" - brillanter Film über spätsowjetische Jugendkultur von Kirill Serebrennikow und hier eine Besprechung des Films "Es ist schwer, ein Gott zu sein" – monumentale SciFi-Allegorie aus Russland von Alexej German und hier einen Beitrag über den Film "Wyssotzki – Danke, für mein Leben" – Biopic von Pjotr Buslov über den berühmtesten Liedermacher der Sowjetunion. Hintergrund
Allein die Spezialeffekte erinnern eher ans DDR-Sandmännchen. Auch bewegt sich der Film gemächlich vorwärts: Die Gags kommen nicht im Stakkato, sondern eher im dialektischen Schneckentempo daher. Sie werden wohl vorbereitet und routiniert ausgespielt – um dann später ein Comeback zu haben.
Langlebiger Kult
Auf dem Gebiet der früheren Sowjetunion wurde die Satire zum Kult, der auch das Ende dieses Vielvölkerstaats überlebte. Es lässt sich nur erahnen, wie viele arglose Ordnungshüter nach dem Vorbild des Films von seinen Fans mit einer Kniebeuge und einem „Ku!“ begrüßt wurden. Dagegen blieb die launige Weltraumoperette im Westen bis vor kurzem so gut wie unbekannt; nun erlebt sie endlich ihren überfälligen deutschen Kinostart.