
Wenn sie rosten, ab nach Osten: Boulevard-Journalist Paul Jensen (Moritz Bleibtreu) will nach gescheiterter Ehe weg aus Berlin. Er geht nach Moskau, wo sein vor fünf Jahren gestorbener Vater Norbert arbeitete. Paul heuert bei Papas Verleger Alexej Onjegin (Rade Serbedzija) an, der die Hochglanz-Zeitschrift «Moscow Match» herausgibt – früher ein Polit-Journal, heute ein Society-Magazin.
Info
Die vierte Macht
Regie: Dennis Gansel, 115 min., Deutschland 2011;
mit: Moritz Bleibtreu, Rade Serbedzija, Mark Ivanir
Bombe im U-Bahn-Eingang
Nun folgt Schlag auf Schlag: Als Paul Katja zur Metro bringt, geht dort eine Bombe hoch. Er landet als mutmaßlicher Terrorist im FSB-Gefängnis, wo ihn Aufseher und Mithäftlinge schikanieren. Verleger Onjegin kauft ihn frei und will ihn außer Landes bringen.
Offizieller Film-Trailer
Ohne Russisch dem FSB trotzen
Doch Paul wittert ein Komplott; auf dem Weg zum Flughafen entkommt er seinen Bewachern. In alten Unterlagen seines Vaters findet er Hinweise auf eine Verwicklung des FSB in frühere Sprengstoff-Anschläge. Paul geht der Sache nach und deckt eine Verschwörung im Kreml auf.
Ein deutscher Klatsch-Reporter als James Bond auf eigene Faust; Regisseur Dennis Gansel mutet dem Publikum allerhand zu. Sein Drehbuch entbehrt jeder Plausibilität: Dass ein Neuling ohne Sprachkenntnisse nicht nur in der Mega-Metropole Moskau zu Recht kommt, sondern im Alleingang auch noch Miliz und Geheimdienst Paroli bietet, ist so wahrscheinlich wie freie und faire Präsidenten-Wahlen in Putins Reich.
Überleben mit Tschetschenen-Protektion
Zudem gibt «Die vierte Macht» eine Vergangenheit, die mehr als ein Jahrzehnt zurückliegt, als unmittelbare Gegenwart aus. In den 1990er Jahren brachten westliche Experten noch russische Unternehmen auf Vordermann; längst wurden sie durch heimische Profis ersetzt. Auch ist es keine Enthüllung mehr, sondern gesichertes zeitgeschichtliches Wissen, dass staatlich gelenkte Terror-Akte den zweiten Tschetschenien-Krieg auslösten und Putin die Macht sicherten.
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
Lesen Sie hier eine Besprechung des Dokumentarfilms "Der Fall Chodorkowski" über den inhaftierten Öl-Milliardär
und hier ein Interview mit Regisseur Cyril Tuschi über Filmemachen unter Putin
und hier einen Beitrag über die KGB-Komödie "Hotel Lux" von Leander Hausmann.
Privat murren, beim FSB plaudern
Ebenso rau geht es außerhalb der Haftanstalt zu. Selbstzensur und ständige FSB-Kontrolle regieren die Medien; jeder murrt privat darüber und kann zugleich ein Zuträger des Geheimdienstes sein. Diese Mischung aus vorauseilendem Gehorsam und allgegenwärtigem Misstrauen prägte das geistige Klima in der Sowjetunion. Unter Jelzin schwand es dahin; Putin hat es erfolgreich wieder belebt.
Mit skrupellosem Zynismus: Dass seine Schergen ohne Scheu zivile Mitbürger massakrieren, wenn es ihren politischen Zielen dient, wird selten offen ausgesprochen. Regisseur Gansel zeigt es drastisch im Gewand eines handwerklich professionellen Action-Thrillers. Dessen fantastisch übertriebene Stilmittel entstellen das Regime des alt-neuen Staatschefs zur Kenntlichkeit – ein treffender Kommentar zu seiner Wiederwahl.