Eine Coming-of-Age-Story, angelegt wie ein europäischer Bildungs-Roman – aber sie spielt in Kenia. In seinem Provinz-Nest hat der junge Mwas (Joseph Wairimu) kein Publikum für sein Schauspiel-Talent; also wandert er in die Hauptstadt Nairobi ab. Die wird ihrem Spitznamen Nairobbery gerecht: Kurz nach der Ankunft wird Mwas auf offener Straße ausgeraubt.
Info
Nairobi Half Life
Regie: Tosh Gitonga, 96 min., Kenia/ Deutschland 2012;
mit: Joseph Mairumu, Olwenya Maina, Nancy Wanjiku Karanja
Erst Teile, dann ganze Autos stehlen
Dann darf Mwas in Otis Gangster-Bande mitmischen – die schlägt sich mit Diebstahl und Schwarzhandel von Auto-Ersatzteilen durch. Der pfiffige Neuling überzeugt sie, mehr zu riskieren: Bald raubt die Gang mit Waffengewalt ganze Geländewagen. Am fetten Reibach fordern korrupte Polizisten ihren Anteil, die nicht zimperlich sind.
Offizieller Film-Trailer
Polizei mischt bei illegalen Geschäften kräftig mit
Zugleich verliert Mwas seinen Traum nicht aus den Augen: In einer Off-Theatergruppe ergattert er seine erste Rolle. Der Regisseur ist zwar von seiner Bühnen-Präsenz begeistert, doch ihm fällt es zunehmend schwer, sein Doppel-Leben durchzuhalten: tagsüber Bühnen-Proben, nachts Raubzüge. Kurz vor der Premiere kommt es zum blutigen showdown zwischen Otis Truppe und den Polizisten.
Der Plot spiegelt die Erfahrungen zahlloser Afrikaner wider: In der Hoffnung auf mehr Chancen und ein besseres Leben ziehen sie vom Land in übervölkerte Städte, wo ein raues Klima herrscht. Hier zählen traditionelle Tugenden und Ehrbegriffe nicht mehr viel; jeder muss sehen, wo er bleibt. Wer Opfer von Kriminalität wird, kann auf Hilfe der Ordnungshüter nicht zählen. Im Gegenteil: Sie mischen bei illegalen Geschäften kräftig mit und schöpfen die Gewinne ab.
Afrikanische Sichtweisen für internationalen Markt
Diese Atmosphäre flagranter Gesetzlosigkeit fängt «Nairobi Half Life» äußerst authentisch ein. Der Film wurde vom kenianischen Regisseur Tosh Gitonga mit einem lokalen Team gedreht, das der deutsche Regisseur Tom Tykwer unterstützt. Seine Produktionsfirma «One Fine Day Films» trainiert gemeinsam mit der Deutsche Welle Akademie vor Ort heimische Talente, um ihnen in Workshops handwerklich professionelle Praxis zu vermitteln.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Lobes-Hymne auf den Afrika-Film "Der Fluss war einst ein Mensch" von Jan Zabeil mit Alexander Fehling
und hier ein Beitrag über “Viva Riva! – zu viel ist nie genug” von Djo Tunda wa Munga, den ersten Spielfilm aus der DRC Kongo
und hier eine kultiversum-Besprechung des Films "Soul Boy" von Hawa Essuman über das Leben in Nairobis größtem Slum.
Für Auslands-Oscar nominiert
Die Bewährungsprobe beim schwarzen Publikum hat er bestanden: «Nairobi Half Life» lief in Nairobis Kinos wochenlang vor ausverkauften Sälen und wurde als Kandidat für die Oscar-Verleihung an den besten ausländischen Film nominiert – als erste Produktion aus Kenia seit vier Jahren.
Auf dem Festival im südafrikanischen Durban wurde zudem Hauptdarsteller Joseph Wairimu als bester Schauspieler ausgezeichnet. Ähnlicher Erfolg wäre dem Film auch an hiesigen Kinokassen zu wünschen: Ein besserer Einblick in den Überlebenskampf auf den Straßen afrikanischer Großstädte ist kaum denkbar.