Schicke Anzüge, schnelle Schlitten, scharfe Flittchen und großkalibrige Knarren: Im Blaxploitation-Genre der 1970er Jahre ging es richtig zur Sache. Filme wie «Shaft» von 1971, der stilbildend wirkte, beuten sämtliche Klischees von B-Pictures bedenkenlos aus.
Info
Viva Riva! –
zu viel ist nie genug
Regie: Djo Tunda wa Munga, 98 min., DRC Kongo/ Frankreich/ Belgien 2010;
mit: Patsha Bay Mukuna, Manie Malone, Hoji Fortuna
Normales Kommerz-Kino aus dem Kongo
Nun kommt ein Blaxploitation-Remake auf die Leinwand; es ist der erste kongolesische Spielfilm seit Menschengedenken. Gedreht in Kinshasa – der Hauptstadt eines Landes, das ein halbes Jahrhundert Mobutu-Diktatur und Bürgerkrieg völlig ruiniert haben. Davon lässt sich Regisseur Djo Tunda wa Munga nicht beeindrucken: Er tut so, als sei der Kongo ein ganz normaler Staat, in dem man ganz normales Kommerz-Kino machen kann. Das Unglaubliche ist: Es funktioniert.
Offizieller Film-Trailer
Reicher Onkel aus Angola
Für Lokalkolorit sorgt der Plot: Titelheld Riva (Patsha Bay Mukuna) kehrt nach zehn Jahren Exil in Angola, das alle Kongolesen um seinen Öl-Reichtum beneiden, nach Kinshasa zurück. Er sitzt am Steuer eines Tank-Lastwagens voller Benzin, mit Bündeln von Geldscheinen in der Tasche. Um beides hat er seinen Ex-Chef Cesar (Hoji Fortuna) betrogen; der ist ihm nun auf den Fersen.
Was Riva nicht hindert, erst einmal mit alten Freunden das legendäre Nachtleben von Kinshasa auszukosten. Dafür ist die Kapitale berühmt. Stars wie Werrason bringen die Clubs zum Kochen; zu ihren schweißtreibend pulsierenden Pop-Rhythmen in der Landessprache Lingala tanzt ganz Schwarzafrika.
Sprit-Mangel in der 12-Millionen-Metropole
In einer Edel-Bar, die nur importierte Drinks ausschenkt, verfällt Riva der schönen Nora (Manie Malone). Er spannt sie Commandante aus, dem mächtigsten Gangster der Stadt. Im Handumdrehen hat der Rückkehrer zwei Benzinschmuggler-Bosse am Hals, die mit ihren Feinden nicht viel Federlesen machen. Doch mit Charme und Chuzpe triumphiert Riva – natürlich!
Was wie abgeschmackte Kolportage klingt, ist in Kinshasa Alltag. Öffentlichen Nahverkehr gibt es nicht; ohne Treibstoff für die unzähligen privaten Kleinbus-Taxis steht die 12-Millionen-Metropole still. Der wird bei chaotischer Versorgungslage häufig knapp – wer dann noch über Sprit verfügt, kann fette Gewinne abschöpfen.
Nollywood locker überholen
Die gibt die zwielichtige Business-Elite dieser Casino-Wirtschaft mit vollen Händen aus: für grotesk überteuerte Mode, Autos und andere Status-Symbole aus dem Westen. Elend und Gier nach Luxus prallen in Kinshasa frontal aufeinander – und niemand stört sich daran.
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
Lesen Sie hier einen kultiversum-Beitrag über den Dokumentarfilm "Benda Bilili!" über behinderte Musiker im Kongo
und hier ein Interview mit Regisseur Florent de la Tullaye über Dreharbeiten in Kinshasa
und hier eine Besprechung des Buchs "Neues afrikanisches Kino" von Manthia Diawara
und hier eine Lobeshymne auf die Doku "The Black Power Mixtape 1967 – 1975" über die schwarze Bürgerrechts-Bewegung der 1960/70er Jahre in den USA.
Rückkehr der Jung-Akademiker
Zugleich strahlt der Film Aufbruchs-Stimmung aus: Nach Jahrzehnten des Niedergangs hat sich die Lage im Kongo mittlerweile stabilisiert. Allmählich fließen wieder Investitionen chinesischer und westlicher Rohstoff-Konzerne ins Land; sie sorgen für bescheidenen Aufschwung.
Den will eine junge Generation auskosten. Viele verbrachten – wie Regisseur Tunda wa Munga – die Bürgerkriegs-Jahre im Ausland und kommen nun gut ausgebildet wieder. Insofern hat sein unbekümmert improvisierter und rasant inszenierter Action-Reißer fast schon Signal-Charakter: Im Kongo, den Joseph Conrad einst als «Herz der Finsternis» brandmarkte, kann es nur aufwärts gehen.