
Wie ein Stich ins Wespennest: Auf einer Müllkippe in Rio de Janeiro finden drei junge Müllsammler eine Geldbörse, doch ihr vermeintlicher Glücksgriff entpuppt sich als sehr gefährlich. Neben Bargeld enthält die Brieftasche Dokumente, die einen hochrangigen Politiker in einer Schmiergeld-Affäre schwer belasten. Plötzlich sehen sich die Jungs mit einem korrupten System konfrontiert, in dem ein Menschenleben nicht viel zählt: Eine rasante Verfolgungsjagd durch Rio beginnt.
Info
Trash
Regie: Stephen Daldry,
114 Min., Brasilien/ Großbritannien 2014;
mit: Martin Sheen, Rooney Mara, Wagner Moura
Drei Protagonisten aus den Slums
Mit „Trash“ verfilmt Daldry das gleichnamige Jugendbuch von Andy Mulligan; es spielt in einem fiktiven südostasiatischen Land. Der Regisseur hat die Handlung nach Brasilien verlegt und seine drei halbwüchsigen Protagonisten in dortigen Elendsvierteln rekrutiert: für eine schmerzliche Bestandsaufnahme des schreienden Gegensatzes zwischen Arm und Reich in der brasilianische Metropole.
Offizieller Filmtrailer
Mord an Brieftaschen-Besitzer
Obwohl sie noch halbe Kinder sind, arbeiten Raphael, Gardo und Rato als Müllsortierer. Tag für Tag durchwühlen sie unappetitlichen und giftigen Abfall nach Verwertbarem, um ihren mageren Lebensunterhalt zu verdienen. Die Teenager hausen in einer favela neben einer riesigen Müllkippe am Rande von Rio. Schutz und Hilfe bietet ihnen nur die Missionsstation von Vater Julliard (Martin Sheen); der kostenlose Englisch-Unterricht von Assistentin Olivia (Rooney Mara) verspricht einen Hauch von Zukunft.
Eines Tages wird das Trio zufällig in einen Skandal verwickelt: Die gefundene Brieftasche enthält einen Schlüssel für ein Bahnhofs-Schließfach und einen Zahlencode. Was die Jungs nicht wissen: Kurz zuvor wurde der Besitzer der Geldbörse (Wagner Moura) brutal ermordet, weil er Beweise für die Bestechlichkeit eines Spitzenpolitikers veröffentlichen wollte.
Kanalisation statt Copacabana-Ansichten
Als eine Heerschar Polizisten auftaucht und ihnen Finderlohn für das gesuchte Portemonnaie geboten wird, ahnen die Straßenkids, dass sie einem großen Geheimnis auf der Spur sind. Im Schließfach finden sie weitere Hinweise. Ihnen auf den Fersen ist ein ehrgeiziger Polizist (Selton Mello), der die Sache rabiat und illegal vertuschen will. Nun beginnt ein waghalsiges Katz-und-Maus-Spiel, das die Drei in eines der berüchtigten Gefängnisse der Stadt führt.
Dort ist ihre Odyssee nicht zu Ende. Die Kamera folgt den gejagten Jungs kreuz und quer durch miese Ecken von Rio; statt Panorama-Ansichten von Zuckerhut und Copacabana-Strand sind dreckige favela-Gassen, überfüllte Vorort-Züge und die Kanalisation zu sehen. Schließlich führt die Spur zu prächtigen Villen am Meer, in denen die Oberschicht wohnt – darunter auch jene Politiker, die sich skrupellos die eigenen Taschen füllen: Der extreme Kontrast zwischen beiden Sphären auf engstem Raum ist atemberaubend.
Paradiesischer Wunschtraum am Ende
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau bei Film-Zeit.
Lesen Sie hier eine Besprechung des Films “Paulista– Geschichten aus São Paulo” - metrosexuelle Liebes-Dramen in Brasilien von Roberto Moreira
und hier einen Bericht über den Film “Extrem Laut und Unglaublich Nah” – Thriller über den 9/11-Terroranschlag von Stephen Daldry
und hier einen Beitrag über die Ausstellung “Brasiliana” mit Installationen von 1960 bis heute in der Schirn Kunsthalle, Frankfurt/ Main.
Brasilien ohne Postkarten-Romantik und Tropenkitsch: Die begabten Laienschauspieler spielen mit viel Natürlichkeit und verleihen damit dem Film authentische Brisanz. Ähnliches gelang bereits Fernando Meirelles mit „City of God“ (2002) über favela-Nachwuchsgangster oder Danny Boyle mit „Slumdog Millionaire“ (2008) über Slums in Indien.
Freigabe ab 12 Jahren fragwürdig
Dabei macht Regisseur Daldry durch die Härte der Geschichte klar, dass er die Thematik nicht auf die leichte Schulter nimmt. Die Brutalität, die Kindern widerfährt, ist nichts für schwache Nerven, doch werden Szenen von Polizeigewalt und Folter nie als Unterhaltung missbraucht. Die FSK-Freigabe ab 12 Jahren erscheint allerdings problematisch: Der krasse Realismus des Filmes könnte so junge Menschen überfordern.