Dass der Film in Brasilien spielt, ist nur dem Vorspann anzusehen: In der Provinz verlässt die junge Schauspielerin Marina (Silvia Lourenço) ihren Freund Caio, mit dem sie Kindertheater spielt, und fährt nach São Paulo, um ihr Glück zu machen.
Info
Paulista - Geschichten aus São Paulo
Regie: Roberto Moreira,
82 min., Brasilien 2010;
mit: Maria Clara Spinelli,
Sílvia Lourenço,
Fábio Herford
Wie in Berlin, London oder New York
So modern und kosmopolitisch wie jede andere Weltmetropole: Im Club, in den Marina mit ihrem neuen Nachbarn Jay (Fábio Herford) ausgeht, laufen die gleichen House- und Alternative-Tracks wie in Berlin, London oder New York. Live gespielt von Justine (Danny Carlos), die mit ihrem räudigen Postpunk-Outfit auch im Berghain oder Ministry of Sound auftreten könnte: Bald verführt sie Marina zu einer leidenschaftlichen Affäre.
Offizieller Filmtrailer
Alle reden mit Allen über das Eine
Wenn sich Suzana, erfolgreiche Scheidungs-Anwältin, von ihrem Kollegen Gil zum Essen einladen lässt, dann gehen sie zum Sushi-Japaner um die Ecke. Gil erobert sie mit Galanterie alter Schule. Derweil schmachtet Jay vergeblich: Der verhuscht romantische Schriftsteller ist in die Prostituierte Michelle vernarrt und träumt von trauter Zweisamkeit. So macht sich nach einer halben Stunde leichte Telenovela-Atmosphäre breit: Alle reden mit Allen über das Eine.
Hintergrund
Weitere Rezensionen finden Sie in der Presseschau
bei Film-Zeit.
Lesen Sie hier eine Besprechung der anti-romantischen Komödie
“Die Wahrheit über Männer” von Nikolaj Arcel, Gewinner des Silbernen Bären 2012
und hier eine Kritik des Films "360" von Fernando Meirelles über Liebeslust und -leid rund um den Globus
sowie hier einen Beitrag zum Film “Medianeras” von Gustavo Taretto über argentinische Singles auf Partnersuche.
Weltniveau in der Enttäuschung
Auch darin hat São Paulo Weltniveau: Trotz tausender Möglichkeiten bleiben Amouren und Ambitionen unerfüllt. Wenigstens ergattert Marina am Ende die begehrte Rolle als Sonja in Tschechows «Onkel Wanja» und ruft im berühmten Schlussmonolog des Stücks zu resignativer Demut auf: «Wir werden zur Ruhe kommen.»
Diese dreifache Desillusionierung der Gefühle inszeniert Regisseur Moreira ganz unspektakulär, doch äußerst präzise. Alle Darsteller wirken sehr authentisch: Marinas anfänglicher Landei-Überschwang, der bald ernüchtert wird, ebenso Suzanas verhaltene Skepsis ob ihrer Vergangenheit und Jays überspannte Schwärmerei für eine Straßenhure.
Alles vor der sommerlich warmen, aber gefühlskalt gleichgültig blinkenden Kulisse der nächtlichen Mega-City: Wenn ein Film so universell plausibel ist, kann er auf Lokalkolorit gut verzichten.