
Korruption überall. Im Ägypten der Ära Mubarak geht nichts, ohne dass Geldscheine den Besitzer wechseln. Mittendrin: die Polizei. Von ihr wird geradezu eingefordert, dass sie jeden Monat Bestechungsgelder heranschafft. Auch Kommissar Noredin Mostafa (Fares Fares) ist Teil des Systems, das er bislang nicht infrage gestellt hat. Er ist die Karriereleiter vor allem deshalb nach oben gestolpert, weil sein Vorgesetzter zugleich sein Onkel ist. Als Mostafa von diesem beauftragt wird, den Tod einer Sängerin im noblen „Nile Hilton Hotel“ zu untersuchen, besteht seine erste Amtshandlung darin, der Toten das Bargeld aus der Handtasche zu stehlen.
Info
Die Nile Hilton Affäre
Regie: Tarik Saleh,
106 Min., Schweden/ Deutschland/ Dänemark/ Frankreich 2017;
mit: Fares Fares, Mari Malek, Yaser Maher
Tatort Tahir-Platz
Tarik Saleh, schwedischer Regisseur ägyptischer Abstammung, lässt seinen Film vor dem Hintergrund der großen Demonstrationen gegen das Regime des damaligen Staatspräsidenten Hosni Mubarak auf dem Tahir-Platz spielen, an dem auch das „Nile Hilton Hotel“ liegt. In der schwedisch-dänisch-deutsch-französischen Ko-Produktion ein aktuelles politisches statement sehen zu wollen, griffe dennoch zu hoch.
Offizieller Filmtrailer
Düstere Zimmer, zynische Menschen
Saleh bezieht sich vielmehr auf das Genre des neo noir, in Anlehnung an die düsteren Detektiv- und Polizeigeschichten des französischen und amerikanischen film noir aus den 1940/50er Jahren: dunkle Straßen, schummrige Hinterzimmer, bevölkert von kettenrauchenden Menschen, die sich ohne viel Hoffnung eingerichtet haben in einer heruntergekommenen, zutiefst zynischen Welt, in der Menschenleben nicht viel wert sind.
Auch Kommissar Noredin Mostafa, dem der schwedisch-libanesische Schauspielerstar Fares Fares Kontur verleiht, passt in diese Welt. Er ist ein mürrischer, wortkarger Einzelgänger, der keinen besonderen moralischen Impetus aufweist, dafür aber eine fast naive Hartnäckigkeit. Dabei nimmt die Korruption manchmal geradezu absurde Züge an.
Mord wird zu Selbstmord
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "In den letzten Tagen der Stadt - In the Last Days of the City" – komplexes Porträt von Kairo und seiner Bewohner von Tamer El Said
und hier eine Besprechung des Films "Nach der Revolution – After the Battle" – facettenreiches Polit-Drama über den Umbruch in Ägypten von Yousry Nasrallah
und hier einen Beitrag über den Film "Mittwoch 04:45" – packendes Gangsterepos im Neo-Noir-Stil aus Athen von Alexis Alexiou
und hier einen Bericht über den Film "Hedis Hochzeit" – prägnantes Porträt eines jungen Tunesiers in der Post-Arabellion-Depression von Mohamed Ben Attia, prämiert mit Silbernem Bären 2016.
Die Ermittlungen werden eingestellt, die Akte ist geschlossen – eigentlich. Denn nun entdeckt Kommissar Mostafa den verbliebenen Rest an Ehrlichkeit, Anstand und Berufsethos in sich. Er ermittelt auf eigene Faust weiter in dem immer verworreneren Fall, stößt auf illegale Arbeitnehmer, Edelprostituierte und eiskalte Geheimdienstkiller. Und begegnet dabei großer Verwunderung: „Was glauben Sie eigentlich, wo wir leben“, fragt ihn der Bauunternehmer: „in einer westlichen Demokratie?“
Revolution ohne Wirkung
Dass die Aufklärung des Mordes am Ende fast nebensächlich scheint, ist kein Manko in diesem atmosphärisch dichten Krimi, in der die aufrechte Hauptfigur immer einsamer wird. Darin besteht vielleicht eine schlüssige Parallele zur Realität: Das korrupte Mubarak-Regime konnten Demonstranten mit Mut, Aufrichtigkeit und Beharrlichkeit hinwegfegen. Viel gebracht hat das den Ägyptern jedoch bis heute nicht.