Den Nahost-Konflikt hat ein arabischer Regisseur einmal die „beliebteste politische Soap Opera der Welt“ genannt: Alle schauten dauernd hin, obwohl dabei alles stets nach den gleichen Mustern ablaufe. Sein Kollege Sameh Zaobi, arabischer Israeli und Absolvent der Filmhochschule in Tel Aviv, macht nun die Probe aufs Exempel: Mit einer Film-im-Film-Seifenoper, die sich um den Nahost-Konflikt dreht.
Info
Tel Aviv on Fire
Regie: Sameh Zaobi,
97 Min., Israel/ Luxemburg/ Frankreich/ Belgien 2018;
mit: Kais Nashif, Lubna Azabal, Nadim Sawalha
Falsches Wort am falschen Ort
Also fragt er am Grenzkontrollposten einfach eine israelische Soldatin, ob es umgangssprachlich okay sei, eine Frau „bombig“ zu nennen. Die falsche Bemerkung am falschen Ort: Salam wird ins Büro des Kommandanten gezerrt und vom Offizier Assi (Yaniv Biton) verhört. Der Nachwuchsautor hat Glück im Unglück: Assi ist begeistert, einen TV-Promi vor sich zu haben. Dafür hält er Salam, denn der hat das Drehbuch für die nächsten Folgen von „Tel Aviv on Fire“ in der Tasche. Diese Serie ist ein Straßenfeger: Assis Frau ist süchtig nach jeder Folge, die zwar im palästinensischen Fernsehen läuft, aber auch in Israel viele Fans hat.
Offizieller Filmtrailer
Grenz-Offizier schreibt am Skript mit
Doch Assi lässt Salam nicht einfach laufen, sondern setzt ihn unter Druck; schließlich sitzt er am längeren Hebel. Regisseur Sameh Zaobi blendet die realen Machtverhältnisse im Nahen Osten in seiner Komödie keinesfalls aus. Doch ihm gelingt es, die verfahrene Lage so in eine kurzweilige Story zu verpacken, dass es nie didaktisch wirkt – obwohl er immer wieder durchscheinen lässt, dass Israelis und Palästinenser mehr verbindet als trennt.
Salam muss weiterhin täglich diesen Grenzposten passieren. Das kann er nur ohne Komplikationen, wenn er Assis sprudelnde Ideen in sein Drehbuch einbaut. Assi ist von der Serie jedoch längst nicht so begeistert wie seine Frau; immerhin hat die 1967 angesiedelte Schmonzette eine eindeutig antizionistische Agenda.
Spionin soll General heiraten
Das Szenario: Kurz vor Ausbruch des Sechstagekriegs wirft sich die Palästinenserin Tala (Lubna Azabal) unter dem jüdischen Decknamen Rachel dem israelischen General Yehuda Edelman an den Hals, um ihm die Aufmarschpläne zu stehlen – und verliebt sich dabei in ihn. Oder auch nicht; wer weiß das schon? Jedenfalls fiebert das Publikum auf beiden Seiten mit, ob sich Tala für den General oder ihren Geliebten Marwan entscheidet, einen palästinensischen Widerstandskämpfer.
Hintergrund
Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Ein Tag wie kein anderer" - Tragikomödie aus Israel über Sterbefall-Bewältigung durch Kiffen von Asaph Polonsky
und hier eine Besprechung des Films "Aus nächster Distanz" - Kammerspiel über eine israelisch-libanesische Freundschaft von Eran Riklis mit Golshifteh Farahani
und hier einen Bericht über den Film "Liebe Halal" - libanesische Episoden-Komödie im Seifenopern-Stil von Assad Fouladkar
und hier einen Beitrag über den Film "Zaytoun" – wendungsreicher Nahost-Wohlfühlfilm von Eran Riklis.
Spätpubertärer Drahtzieher
Zumindest in Sachen romantischer Kommunikation kann auch Salam von Assi lernen. Anfangs scheint es, er wolle nur in Ruhe gelassen werden, doch bald beginnt er, in der Fernsehserie versteckte Botschaften an seine Ex-Freundin zu schicken. Erst zeigt sie ihm die kalte Schulter, aber dann wird sie für seine Werbung via Bildschirm durchaus empfänglich – wie das Leben in Seifenopern so spielt.
Regisseur Sameh Zaobi stattet seine Komödie mit vielen vergnüglichen Details aus: Sein anfangs spätpubertär verhuscht wirkender Held mausert sich alsbald zum Drahtzieher, der souverän die verschiedenen Interessen ausbalanciert. Die divenhaften Auftritte der Tala-Darstellerin und der nüchterne Zynismus im Produzentenbüro des Onkels machen solche Passagen zur schillernden Mediensatire.
Stimmiges Timing + Dialoge
Selbst die Film-im-Film-Szenen geraten vergnüglich: Der kitschige Retro-Charme der Seifenoper, die vor einem halben Jahrhundert spielt, sorgt für charmante Kontraste zur Haupthandlung, die mit beiläufiger Alltäglichkeit inszeniert wird. So gelingt Zoabi vom präzisen Timing bis zu den spritzigen Dialogen ein rundum stimmiger Kommentar zur verfahrenen Lage im Nahen Osten – attraktiv auch für jene, die bei Krisen-Nachrichten aus der Region sonst nur noch weghören.