Sameh Zaobi

Tel Aviv on Fire

So schön kann Liebe sein: Tala alias Rachel (Lubna Azabal) lässt sich von General Yehuda Edelman (Yousef "Joe" Sweid ) das Schießen beibringen. Foto: © Patricia Peribanez/Sama Film - TS Productions - Lama Films - Atremis Productions
(Kinostart: 4.7.) Der Nahost-Konflikt als Seifenoper – ein Straßenfeger im Heiligen Land! Obwohl diverse Akteure am Skript mitschreiben wollen: Mit seiner charmanten Film-im-Film-Komödie gelingt Regisseur Sameh Zaobi ein geistreicher Kommentar zur verfahrenen Lage.

Den Nahost-Konflikt hat ein arabischer Regisseur einmal die „beliebteste politische Soap Opera der Welt“ genannt: Alle schauten dauernd hin, obwohl dabei alles stets nach den gleichen Mustern ablaufe. Sein Kollege Sameh Zaobi, arabischer Israeli und Absolvent der Filmhochschule in Tel Aviv, macht nun die Probe aufs Exempel: Mit einer Film-im-Film-Seifenoper, die sich um den Nahost-Konflikt dreht.

 

Info

 

Tel Aviv on Fire

 

Regie: Sameh Zaobi,

97 Min., Israel/ Luxemburg/ Frankreich/ Belgien 2018;

mit: Kais Nashif, Lubna Azabal, Nadim Sawalha

 

Weitere Informationen

 

Der junge Palästinenser Salam (Kais Nashif) will seine große Chance nutzen: Er wird für die Soap Opera „Tel Aviv on Fire“ angeheuert und muss nun zeigen, was er kann. Bei der Produktionsfirma ist der nette Schluffi nur gelandet, weil sein Onkel Bassam (Nadim Sawalha) dort das Sagen hat. Salam ist für die Korrektheit der Dialoge zuständig, da er gut Hebräisch spricht. Er pendelt täglich zwischen seinem Wohnort in Israel und seinem Arbeitsplatz im Westjordanland – in der Hauptstadt Ramallah wird die Serie produziert.

 

Falsches Wort am falschen Ort

 

Also fragt er am Grenzkontrollposten einfach eine israelische Soldatin, ob es umgangssprachlich okay sei, eine Frau „bombig“ zu nennen. Die falsche Bemerkung am falschen Ort: Salam wird ins Büro des Kommandanten gezerrt und vom Offizier Assi (Yaniv Biton) verhört. Der Nachwuchsautor hat Glück im Unglück: Assi ist begeistert, einen TV-Promi vor sich zu haben. Dafür hält er Salam, denn der hat das Drehbuch für die nächsten Folgen von „Tel Aviv on Fire“ in der Tasche. Diese Serie ist ein Straßenfeger: Assis Frau ist süchtig nach jeder Folge, die zwar im palästinensischen Fernsehen läuft, aber auch in Israel viele Fans hat.

Offizieller Filmtrailer


 

Grenz-Offizier schreibt am Skript mit

 

Doch Assi lässt Salam nicht einfach laufen, sondern setzt ihn unter Druck; schließlich sitzt er am längeren Hebel. Regisseur Sameh Zaobi blendet die realen Machtverhältnisse im Nahen Osten in seiner Komödie keinesfalls aus. Doch ihm gelingt es, die verfahrene Lage so in eine kurzweilige Story zu verpacken, dass es nie didaktisch wirkt – obwohl er immer wieder durchscheinen lässt, dass Israelis und Palästinenser mehr verbindet als trennt.

 

Salam muss weiterhin täglich diesen Grenzposten passieren. Das kann er nur ohne Komplikationen, wenn er Assis sprudelnde Ideen in sein Drehbuch einbaut. Assi ist von der Serie jedoch längst nicht so begeistert wie seine Frau; immerhin hat die 1967 angesiedelte Schmonzette eine eindeutig antizionistische Agenda.

 

Spionin soll General heiraten

 

Das Szenario: Kurz vor Ausbruch des Sechstagekriegs wirft sich die Palästinenserin Tala (Lubna Azabal) unter dem jüdischen Decknamen Rachel dem israelischen General Yehuda Edelman an den Hals, um ihm die Aufmarschpläne zu stehlen – und verliebt sich dabei in ihn. Oder auch nicht; wer weiß das schon? Jedenfalls fiebert das Publikum auf beiden Seiten mit, ob sich Tala für den General oder ihren Geliebten Marwan entscheidet, einen palästinensischen Widerstandskämpfer.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Ein Tag wie kein anderer" - Tragikomödie aus Israel über Sterbefall-Bewältigung durch Kiffen von Asaph Polonsky

 

und hier eine Besprechung des Films "Aus nächster Distanz" - Kammerspiel über eine israelisch-libanesische Freundschaft von Eran Riklis mit Golshifteh Farahani

 

und hier einen Bericht über den Film "Liebe Halal" - libanesische Episoden-Komödie im Seifenopern-Stil von Assad Fouladkar

 

und hier einen Beitrag über den Film "Zaytoun"  – wendungsreicher Nahost-Wohlfühlfilm von Eran Riklis.

 

Für Assi ist der Fall klar: Tala und der General müssen heiraten. Und Salam soll diese Wendung im Drehbuch durchboxen, die für das palästinensische Publikum wie für die Geldgeber der Produktion schwer verdaulich wäre. Dafür schreckt Assi nicht davor zurück, Salams Ausweis zu konfiszieren, damit sich der an ihre Abmachung hält. Dabei will der Offizier gar nicht die Geschichte umschreiben, sondern nur seiner Armee mehr Glamour verleihen – und seiner Frau die Botschaft zukommen lassen, dass er ein toller Hecht ist. Das hat sie im Lauf der Jahre etwas vergessen.

 

Spätpubertärer Drahtzieher

 

Zumindest in Sachen romantischer Kommunikation kann auch Salam von Assi lernen. Anfangs scheint es, er wolle nur in Ruhe gelassen werden, doch bald beginnt er, in der Fernsehserie versteckte Botschaften an seine Ex-Freundin zu schicken. Erst zeigt sie ihm die kalte Schulter, aber dann wird sie für seine Werbung via Bildschirm durchaus empfänglich – wie das Leben in Seifenopern so spielt.

 

Regisseur Sameh Zaobi stattet seine Komödie mit vielen vergnüglichen Details aus: Sein anfangs spätpubertär verhuscht wirkender Held mausert sich alsbald zum Drahtzieher, der souverän die verschiedenen Interessen ausbalanciert. Die divenhaften Auftritte der Tala-Darstellerin und der nüchterne Zynismus im Produzentenbüro des Onkels machen solche Passagen zur schillernden Mediensatire.

 

Stimmiges Timing + Dialoge

 

Selbst die Film-im-Film-Szenen geraten vergnüglich: Der kitschige Retro-Charme der Seifenoper, die vor einem halben Jahrhundert spielt, sorgt für charmante Kontraste zur Haupthandlung, die mit beiläufiger Alltäglichkeit inszeniert wird. So gelingt Zoabi vom präzisen Timing bis zu den spritzigen Dialogen ein rundum stimmiger Kommentar zur verfahrenen Lage im Nahen Osten – attraktiv auch für jene, die bei Krisen-Nachrichten aus der Region sonst nur noch weghören.