
Frank Herberts Science-Fiction-Roman „Dune“ von 1966 gilt als eine der größten Herausforderungen für das Blockbuster-Kino: Alejandro Jodorowsky und Ridley Scott wollten ihn verfilmen – beide mussten nach jahrelangen Vorbereitungen aufgeben. David Lynch mag über seine Version aus dem Jahr 1984 kein Wort mehr verlieren.
Info
Dune
Regie: Denis Villeneuve,
155 Min., USA/ Kanada 2020;
mit: Timothée Chalamet, Rebecca Ferguson, Oscar Isaac, Javier Bardem
Weitere Informationen zum Film
Spice des Universums
Motor der Geschichte ist die Ausbeutung des wichtigsten Rohstoffs des Universums, der Substanz Spice. Die hat nicht nur psychoaktive Wirkung bei Menschen, sondern ist auch unverzichtbar für die Überbrückung von Raum und Zeit im intergalaktischen Verkehr. Spice findet sich an einem einzigen Ort im All: auf dem trostlosen Wüstenplaneten Arrakis. Dessen Ureinwohner kämpfen ständig gegen Dürre, Hitze, riesige Sandwürmer und die jeweilige Kolonialmacht.
Offizieller Filmtrailer
Intergalaktische Intrigen
Das erste Buch des „Dune“-Romanzyklus’ erzählt, wie der Imperator des Universums eine Intrige anzettelt, um ein Adelsgeschlecht auszuschalten, das ihm zu mächtig wird. Das edle Haus Atreides soll für immer verschwinden; die Barbaren vom Haus Harkonnen übernehmen freudig die Drecksarbeit. Schauplatz des Krieges ist Arrakis – mit der Spice-Förderung als Faustpfand. Doch der junge Paul Atreides könnte mit seinen messianischen Anwandlungen das Komplott noch vereiteln.
In Roman entspinnt sich um diese Handlung ein komplexes Zusammenspiel von Politik, Ökologie, Ausbeuter-Kapitalismus und Religion. David Lynch fing diese Melange in seiner Verfilmung ziemlich gut ein – nur die Story ergab keinen Sinn. Von der Kritik wurde der Film vernichtet, an den Kinokassen war er ein Flop. Im Lauf der Jahrzehnte fand er jedoch durch seinen skurrilen Trash-Charme viele Fans.
Fliegende Toastbrote
Villeneuve hat schon mit dem Alien-Kammerspiel „Arrival“ (2016) und der „Blade Runner“-Fortsetzung „Blade Runner 2049“ (2017) sein Talent bewiesen, fantastische Zukunftsvisionen in extrem gut aussehenden, perfekt gestylten Szenarien einzufangen. Für Genre-Filme passiert in seinen Werken oft erstaunlich wenig, Action ist eher zweitrangig. Aber gerade aus diesem atmosphärischen Stillstand beziehen seine Arbeiten ihre verblüffend konstante Spannung. Mit dieser Handschrift als Regisseur ist er prädestiniert für eine „Dune“-Neuverfilmung.
Und Villeneuve liefert, zumindest in einer Hinsicht: Das Produktionsdesign ist vom Feinsten. Ein wahrer Augenschmaus sind die Fluggeräte in allen Formen und Größen. Da gibt es schwebende Riesen-Reiskorn-Raumschiffe wie in „Arrival“, XXXL-Makkaroni, winzige Globuli und Dreiecke, die aussehen wie fliegendes Toastbrot.
Kampfparade mit Bombastbeschallung
Besonders hübsch anzusehen sind die Ornithopter, eine Kreuzung aus Libelle und Hubschrauber. Sie bekommen entsprechend viel Leinwandpräsenz, vermutlich mehr als jede humane Hauptfigur. Außerdem setzt die Ausstattung auf Goth-Ästhetik, ein wenig Steampunk, dazu prächtige Panoramen von Brutalismus-Bauten und Wüstensand. Kurz gesagt: 155 Minuten 1-A-Schauwerte.
Dass Villeneuve „Dune“ in einer zweiteiligen Monsterversion mit einer Gesamtlänge von fünf bis sechs Stunden verfilmt hat, führt aber im ersten Teil nicht zu einer ausführlicheren Darstellung der Handlungsstränge oder tieferen Auslotung der Romanvorlage – sondern zu einer endlosen Parade von Explosionen, Gefechten in der Luft und am Boden samt Bombast-Beschallung von Hans Zimmer in der zweiten Filmhälfte.
Reizthemen versanden
Viele inhaltliche Impulse des Romans, die sich eigentlich aufdrängen, bleiben unterwegs irgendwo im glitzernden Wüstensand auf der Strecke. Seine religiösen Motive werden, auch im Vergleich zur Version von Lynch, deutlich zurückgedrängt. Ökologie ist nur ein Randthema. Anspielungen auf rohstoffreiche Krisenherde auf dem Planeten Erde verpuffen rasch.
Stattdessen interessiert sich das Drehbuch vor allem für die Hauptfigur: wie Timothée Chalamet als Paul Atreides seine Bestimmung als Heilsbringer des Universums erst zurückweist, nach und nach klarer erkennt und schließlich doch annimmt. Im ersten Teil von „Dune“ erledigt er allerdings höchstens die Hälfte der Arbeit am eigenen Selbst. Das nur vorläufige Ende dieses zweiteiligen Epos‘ hinterlässt sein Publikum eher unbefriedigt.
Jüngling mit Schwiegermuttercharme
Hintergrund
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Ob er das diesmal besonders gut macht, ist schwer zu entscheiden. Schlecht ist es nicht, und irgendwie funktioniert es auch. Das übrige Ensemble mit Rebecca Ferguson als seiner Mutter, die zugleich Hohepriesterin ist, Oscar Isaac als herzoglicher Vater – sehr ansehnlich in einer Jesus-würdigen Sterbeszene – und Charlotte Rampling als zwielichtige Wahrsagerin des Imperators agiert ebenfalls passabel.
Lästige Pflichten der Vorsehung
Souverän, wenn auch deutlich unterfordert, wirkt Javier Bardem als Anführer der Ureinwohner von Arrakis in zwei Szenen. Bei seinem ersten Auftritt grunzt er nur müde – und sorgt damit für eine der denkwürdigsten Szenen des Films. Leider ist das bezeichnend.
Villeneuve dampft die gigantische „Dune“-Saga letztlich auf ein ziemlich irdisches Problem ein. Man kennt es aus Klatschblättern: Der Nachwuchs zeitgenössischer Adelshäuser wehrt sich gegen die lästigen Pflichten der Vorsehung. Das ist eine recht enttäuschende Engführung dieses Stoffs, gegen die der enorme produktionstechnische Aufwand nicht ankommt.