
Das Land, wo die Zitronen blühen, befindet sich bekanntlich frei nach Goethe in Italien. Davon abgesehen, wachsen die Vitaminspender natürlich auch in vielen anderen Gegenden. „Die Insel der Zitronenblüten“ im Film von Regisseur Benito Zambrano befindet sich im westlichen Mittelmeer – wie im gleichnamigen Roman von Cristina Campos, der als Vorlage diente.
Info
Die Insel der Zitronenblüten
Regie: Benito Zambrano,
122 Min., Spanien/ Luxemburg 2021;
mit: Elia Galera, Eva Martín, Claudia Faci
Weitere Informationen zum Film
Unerwartetes Vermächtnis
Anfangs macht die spanische Ärztin Marina (Elia Galera), die seit mehr als zehn Jahren in Afrika arbeitet, eine unerwartete Erbschaft. Eine gewisse Lola hat ihr eine Bäckerei in ihrem Heimatort auf Mallorca vermacht – doch diese Frau ist ihr völlig unbekannt. Sie will die Angelegenheit bei einem Kurztrip schnell regeln und dabei zugleich ihre ältere Schwester Anna (Eva Martín) besuchen; die ist in der Heimat geblieben, hat geheiratet und eine Tochter bekommen.
Offizieller Filmtrailer
Gemächliches Erzähltempo im Inselinneren
Bevor Marina aufbricht, entbindet sie noch das Kind einer obdachlosen Prostituierten, die kurz nach der Geburt stirbt, woraufhin die Ärztin Muttergefühle für den Säugling entwickelt. Mit diesen Gedanken kommt Marina in den Ort ihrer Kindheit zurück, den sie schon als 14-Jährige verlassen hat. Dagegen verknüpft ihre Schwester Anna mit der Hinterlassenschaft der mysteriösen Lola gewisse Hoffnungen: Sie will das schöne alte Bäckerei-Gebäude möglichst schnell verkaufen, um endlich die Schulden ihres untreuen Ehemanns loszuwerden – und ihn gleich mit.
All das erzählt Regisseur Zambrano geballt in den ersten Minuten. Danach wird das Tempo etwas gemächlicher, sozusagen dem Schauplatz angepasst: Mallorcas Inselinneres ist weit weg vom Touristenrummel, der hier auch keine Rolle spielt. Im Vordergrund stehen die beiden voneinander entfremdeten Schwestern, die eine Chance auf Versöhnung erhalten; am Ende wird sich ihre Restfamilie wahlverwandtschaftlich vergrößern.
Teig kneten schafft Vertrauen
Bevor das geschieht, muss Marina nicht nur das Geheimnis um Lola lüften; sie entdeckt auch die Freuden des einfachen Lebens in ihrer Herkunftsregion wieder. Als Ärztin hat sie jahrzehntelang in Krisengebieten gearbeitet, sich um andere gekümmert und enge persönliche Beziehungen vermieden. Mit ihrem Kollegen Mathias, der einige Jahre jünger ist, sieht das aber anders aus. Dazu kommen noch ihre mütterlichen Gefühle für das Waisenkind; bald möchte Marina es adoptieren.
Hintergrund
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Bäckerei als Familien-Lagerfeuer
Regisseur Zambrano hat den Film „den Frauen seiner Sippe“ gewidmet. Tatsächlich wirkt der Verbund von Frauen, die das Schicksal hier zusammenführt, wie eine lange gewachsene Gemeinschaft, die sich quasi um das heimelige Feuer der in Familienbesitz bleibenden Bäckerei versammelt – was Zambrano mit stimmigen, teilweise opulenten Bildern illustriert. Die mit dramatischen Wendungen etwas überladene Handlung dreht sich um spontane Neuanfänge und schmerzliche Abschiede: von alten Ansichten und Gewohnheiten, aber auch von Menschen, die sich gerade erst gefunden haben.
Es geht schlicht und ergreifend um das pralle Leben, wobei der Film von einem harmonisch agierenden Schauspielensemble getragen wird. Er kommt, obwohl Erzählung und Landschaft das hergäben, weitgehend ohne tränenseligen Kitsch aus. Aber wenn das Schicksal zuschlägt, dürfen die Gefühle auch groß sein. Sie äußern sich jedoch eher als eine Art verständnisvoller familiärer Liebe, die sich in kleinen, mitfühlenden Gesten zeigt; mehr braucht es meist auch nicht.