Margarethe von Trotta

Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste

Max Frisch (Ronald Zehrfeld) und Ingeborg Bachmann (Vicky Krieps) verband eine toxische Beziehung, an die sie sich nun erinnert. Foto: Anna Krieps / MFA+/ Alamode Film
(Kinostart: 19.10.) Sie haben es nicht gut gemacht: Ingeborg Bachmann und Max Frisch, Traumpaar des bundesdeutschen Feuilletons, führten jahrelang eine vergiftete Beziehung. Die Sympathie von Regisseurin Margarethe von Trotta gilt der 1973 gestorbenen Schriftstellerin und ihrer Sprache.

Manchmal verletzen Worte wie Messerstiche. Etwa, wenn eine leichenblasse Ingeborg Bachmann (Vicky Krieps) am Ende des Films im Sanatorium zu ihrem Ex-Geliebten Max Frisch (Ronald Zehrfeld) sagt: „Du bist mein Mörder“. Und auch wenn Frisch, wie gewohnt im schwarzen Anzug, sich zu der Bettlägerigen dreht, die Augen senkt und mit einem Zitat von Franz Werfel erwidert: „Sagt man nicht, es seien nicht immer die Mörder, sondern manchmal auch die Ermordeten schuldig?“

 

Info

 

Ingeborg Bachmann –
Reise in die Wüste

 

Regie: Margarethe von Trotta,

111 Min., Schweiz/ Österreich/ Deutschland 2023;

mit: Vicky Krieps, Ronald Zehrfeld, Tobias Resch

 

Weitere Informationen zum Film

 

Die Gewalt in der Sprache ist da längst nicht mehr überraschend, hat man doch zuvor knapp zwei Stunden lang lauter Verletzungen und Streitereien zwischen den beiden Literaturstars miterlebt. Sie brachten beide in den Jahren ihrer Beziehung zwischen 1958 und 1963 an den Rand der Verzweiflung. Bachmann, irgendwann depressiv und tablettenabhängig, sollte sich davon nie wieder erholen. Sie starb 1973 im Alter von 47 Jahren in ihrer Wahlheimat Rom. 

 

Der Anfang vom Ende

 

Der Film von Margarethe von Trotta handelt vorwiegend von dieser fatalen Beziehung. Dabei beginnt alles so romantisch, als Frisch 1958 die Autorin per Brief unbekannterweise nach Paris zur Premiere eines seiner Theaterstücke einlädt. Am nächsten Tag spazieren sie über eine Brücke und rezitieren ein Liebesgedicht, während im Hintergrund die Silhouette der Stadt leuchtet. Die einzige Szene des Films, die sich nah am Kitsch bewegt, markiert zugleich den Anfang vom Ende.

Offizieller Filmtrailer


 

Eine selbstbewusste Frau

 

Wenige Monate später überzeugt Frisch die freiheitsliebende Dichterin, die eine bürgerliche Ehe ablehnt, in sein Haus nach Zürich umzuziehen. Dort zeigt sich Bachmann zunehmend genervt von den Belastungen des Beziehungsalltags: vom lauten Klackern der Tastatur, wenn Frisch auf seiner Schreibmaschine tippt, von seinem spießigen Lebensstil – und vor allem seiner ständigen Eifersucht. Die ist allerdings nicht unbegründet. Immerhin liegen der erfolgreichen Autorin die Männer reihenweise zu Füßen.

 

Auf ihren vielen Reisen pflegt sie, wie das Drehbuch betont, weiterhin diverse erotische Affären. Wenn Vicky Krieps‘ Lächeln einen vorzugsweise jüngeren Mann umgarnt, zeigt sich, wie die Regisseurin das in den 1950er Jahren übliche Stereotyp vom männlichen Verführer geradezu genießerisch umdreht. Sie inszeniert Bachmann als selbstbewusste Frau, die sich nimmt, was sie begehrt, und die das Weite sucht, sobald sie genug hat. Bei Frisch gelingt ihr das nur unter größter Anstrengung.

 

Freiheit in der Wüste

 

Immer wieder sind die beiden kurz davor, ihre Verhältnis zu beenden: sie brüllen sich an und werden handgreiflich, gefangen in einer Beziehung, die man heute toxisch nennen würde. So kommt die titelgebende Wüste ins Spiel. Nach der schmerzhaften Trennung von Frisch reist sie mit dem neun Jahre jüngeren Schriftsteller und späteren Filmemacher Adolf Opel (Tobias Resch) in den ägyptischen Teil der Sahara, wo sie neuen Lebensmut findet. Diese Wende wird mehrfach mit der Vorgeschichte kontrastiert.

 

So werden die vergangene Szenen in Zürich immer wieder gegen beeindruckende Sandlandschaften geschnitten, die Enge von Frischs Haus der grenzenlosen Weite der Wüste entgegen gestellt. Regisseurin Margarethe von Trotta findet mit den vielen Zeitsprüngen, Rückblenden und Vorwegnahmen des Films eine passende Form für komplexe und widersprüchliche Gefühlslagen. Ihr Vorbild mag Bachmanns mehrfach ausgezeichnetes Hörspiel „Der gute Gott von Manhattan“ von 1958 sein.

 

Schauspiel nach dem Tod

 

Darüber hinaus standen der 81-jährigen Filmemacherin reichlich schriftliche Zeugnisse zur Verfügung, etwa das Buch „Wo mir das Lachen zurückgekommen ist… Auf Reisen mit Ingeborg Bachmann“, das Adam Opel 2001 publiziert hat. Dagegen konnte sie den Briefwechsel zwischen Bachmann und Frisch, der Ende 2022 unter dem vielsagenden Titel „Wir haben es nicht gut gemacht“ veröffentlicht worden ist, vor den Dreharbeiten nicht einsehen. Sie ließ sich nach eigenen Worten nur von einem befreundeten Lektor, der das Manuskript kannte, im Nachhinein bestätigen, dass sie keine „gewaltigen Fehler gemacht“ habe.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Die Geträumten" – verfilmter Briefwechsel zwischen Paul Celan und Ingeborg Bachmann von Ruth Beckermann

 

und hier einen Bericht über den Film "Auf der Suche nach Ingmar Bergman" – Doku-Hommage zum 100. Geburtstag des Regisseurs von Margarethe von Trotta

 

und hier eine Besprechung des Films "Die abhandene Welt" – Familien-Melodram von Margarethe von Trotta

 

und hier einen Beitrag über den Film  "Hannah Arendt" – Biopic über die streitbare Philosophin von Margarethe von Trotta

 

Bachmann selbst wollte nie, dass die Korrespondenz publiziert wird, wie sie in einem der nun darin abgedruckten Briefe schreibt. Sie wollte sie sogar verbrennen, um ein „Schauspiel“ nach ihrem Tod zu vermeiden. Doch vielleicht hätte ihr dieses Schauspiel gefallen, das Margarethe von Trotta inszeniert, denn der Film stellt sich auf ihre Seite. Während es Ronald Zehrfeld überraschend gut gelingt, fast durchgehend als besitzergreifender und eleganter Egoist zu erscheinen, bleibt Krieps mit ihrem vereinnahmenden, melancholischen Blick stets Sympathieträgerin. 

 

Worte unter Verdacht

 

Nach der Politikerin Rosa Luxemburg (1986) und der Philosophin Hannah Arendt (2012) widmet Margarethe von Trotta nun zum dritten Mal einer großen Frauenfigur des 20. Jahrhunderts einen Spielfilm. Dem kommt zugute, dass sie sich eng am autobiographischen Material orientiert. Sie bleibt dabei nahe an Bachmanns Sprache – und damit dem Material, das ihr Leben bestimmte.

 

Obwohl die Schriftstellerin ihm selbst nicht traute: Auf die Frage, warum sie keine Lyrik mehr schreibe, antwortete sie 1957 in einem Interview, das im Film als kurze Szene auftaucht. „Verdächtige die Worte, verdächtige die Sprache, das habe ich mir oft gesagt, vertiefe diesen Verdacht – damit eines Tages vielleicht etwas Neues entstehen kann – oder es soll nichts mehr entstehen.“ Dass ihr dies zwar in ihren Texten, nicht aber im Privatleben gelang, zeigt der Film auf so beeindruckende wie schmerzliche Weise.