Wie Romeo und Julia am Kaspischen Meer – so etwa ergeht es Amir (Hamid Reza Abbasi) und Narges (Sadaf Asgari), einem jungen iranischen Paar. Wenn sie sich treffen, dann immer nur zu zweit; mal zum Baden an einem abgelegenen Strand oder mal auf einer stillgelegten Baustelle, wo sie niemand sehen kann. Ihre Liebe ist stark, aber geheim, weil sie eigentlich nicht sein darf und trotzdem ist.
Info
Leere Netze
Regie: Behrooz Karamizade,
101 Min., Iran/ Deutschland 2023;
mit: Hamid Reza Abbasi, Sadaf Asgari, Keyvan Mohamadi
Weitere Informationen zum Film
Fischen für die Mitgift
Fest entschlossen, sich nicht entmutigen zu lassen, heuert Amir daraufhin bei einem kleinen Fischerei-Betrieb als Aushilfe an. Er ist ein guter Schwimmer, doch die stundenlange Arbeit im eiskalten Wasser ist hart und die Bezahlung schlecht. Um überhaupt etwas Gewinn zu machen, lässt er sich auf abendliche Wettkämpfe mit den anderen Fischern ein. Damit weckt er das Interesse von Ghasem (Behzad Dorani), der den Betrieb leitet und nebenbei ein illegales Kaviar-Geschäft betreibt. Bald lässt sich auch Amir davon anziehen. Die Störe fangen sie nachts, um deren Kavier an Nobelrestaurants in der Stadt zu verkaufen. Wie in jeder Mafia-Organisation sind die Aufgaben klar verteilt: Ghasem zieht die Fäden, seine Männer machen die Drecksarbeit.
Offizieller Filmtrailer
Die Träume zweier Männer
Wie sehr alles im Leben vom Geld abhängt, zeigt der deutsch-iranische Regisseur Behrooz Karamizad in seinem Regiedebüt sehr anschaulich. Er widmet dabei allen Figuren viel Aufmerksamkeit. Nicht nur Amir, auch sein Kollege Omid (Keyvan Mohammadi) braucht jeden Pfennig. Er ist Journalist und spart darauf hin, mit Ghasems Hilfe aus dem Iran zu fliehen. Doch die Aussicht auf Freiheit in Europa hat ihren Preis.
In einem Punkt unterscheiden sich aber die beiden jungen Männer: Omid hält an seinen Prinzipien fest, während Amir in seiner Verzweiflung immer skrupelloser agiert. Er versucht mit allen Mitteln, seinem niederen Stand zu entfliehen, und vergisst darüber alles andere. Auch Narges spürt, wie sehr sich ihre Beziehung verändert, je größer der Druck von außen wird.
Große Tragödie im Kleinen
Perspektivlosigkeit liegt wie dichter Nebel über Karamizades Drama. Zwar bleibt ein Rest Hoffnung, aber schon der Titel „Leere Netze“ deutet darauf hin, dass der Film nicht auf ein Happy End hinsteuert. Die Geschichte, die der Regisseur mit sicherer Hand und in ruhigem Tempo erzählt, ist im Kern eine Tragödie von Shakespearescher Wucht, im Kleinen inszeniert.
Gedreht hat Karamizade seinen Film ausschließlich im Iran. Dass ihm das gelungen ist, erstaunt, bedenkt man, wie kritisch er auf sein Land und die dortigen gesellschaftlichen Umstände blickt. Korruption und Tradition halten sich die Waage in einem System, das es der Jugend unmöglich macht, voranzukommen und ihre Träume zu verwirklichen.
Gedämpfte Töne, schwache Hoffnung
Dafür liefert die raue See dem Regisseur eine passende Metapher. Überhaupt ist der gesamte Film von Schwere und Melancholie durchzogen, die sich auch auf die Farben und die Musik überträgt. Dreckiges Grau, tiefes Blau – gedämpfte Töne beherrschen das Bild. Oft wirken die Figuren, als würden sie ewig im Schatten stehen.
Hintergrund
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Meer als Rettung und Verhängnis
Auch in der Eingangssequenz ist das Unheil bereits angelegt. Wenn Amir spielerisch im Meer taucht, fürchtet Narges um ihren Geliebten. Sie spürt die potenzielle Bedrohung durch die aufgewühlte Strömung. Je länger er unter Wasser bleibt, desto ängstlicher wird ihr Blick. Das Wasser ist in „Leere Netze“ stets Rettung und Verhängnis zugleich. Gefährlich wird es für diejenigen, die versuchen, sich seiner Macht und Naturgewalt zu widersetzen.
Die Lage, in die Amir, Omid und Narges geraten, zwingt sie zu schwierigen, teils fatalen Entscheidungen im Kampf um eine bessere Zukunft. Die jungen Menschen treten auf der Stelle, weil die Widerstände scheinbar unüberwindbar sind, die Strukturen zu verkrustet, die Normen zu festgefahren. Dennoch spricht eine enorme innere Kraft aus Karamizades Film, weil seine Figuren unerbittlich weiterkämpfen bis zum Schluss.