Ali Abbasi

The Apprentice – The Trump Story

Ivana Trump (Marija Bakalova) und Donald Trump (Sebastian Stan). Foto: Apprentice Productions Ontario Inc./ DCM
(Kinostart: 17.10.) Wie er wurde, was er ist: Regisseur Ali Abbasi beleuchtet das Milieu, in dem der Immobilien-Mogul und US-Ex-Präsident Donald Trump reich und mächtig wurde; seine erste Frau Ivana spielte eine Rolle. Die wichtigste und gröbste hatte aber Anwalt Roy Cohn als Mentor inne – ein Duo infernale.

Dieses Werk ist ein Unikum. Noch nie kam ein Spielfilm über die Biographie eines aussichtsreichen US-Präsidentschaftskandidaten kurz vor dem Wahltag auf die Leinwand; der Kinostart in den USA war vor einer Woche. Muss man seinen Machern den Vorwurf versuchter Wahlbeeinflussung machen? Kaum: Der Film enthüllt oder skandalisiert nichts, sondern präsentiert nur seit langem bekannte Fakten und Verhältnisse.

 

Info

 

The Apprentice – The Trump Story

 

Regie: Ali Abbasi,

120 Min., Kanada/ Dänemark/ Irland 2024;

mit: Sebastian Stan, Jeremy Strong, Marija Bakalova

 

Weitere Informationen zum Film

 

Aber er betrachtet sie aus Azubi-Perspektive. „The Apprentice“ („Der Lehrling“) war der Titel einer sagenhaft erfolgreichen Reality-TV-Show von 2004 bis 2017, in der Donald Trump als Moderator nach Gusto Berufseinsteiger heuerte und feuerte. „The Apprentice – The Trump Story“ zeigt dagegen seine eigene Lehrzeit im New York der 1970er Jahre, als er vom Nachwuchs-Unternehmer zum Immobilien-Magnaten aufstieg – allerdings mit wechsel- und zweifelhaften Vermögensverhältnissen.

 

Objekt für Trumps Rachsucht

 

Nicht von ungefähr wurde der Film in Kanada gedreht, zusammen mit europäischen Partnern. In den USA wollte sich vermutlich keine Produktionsfirma daran die Finger verbrennen. Trump ist berühmt-berüchtigt für seine Rachsucht, und er hätte durchaus Anlass dazu. Nicht etwa, weil der dänisch-iranische Regisseur Ali Abbasi ihn verleumdete – weit schlimmer: Er stellt den jungen Donald als ehrgeizigen, aber unsicheren und wankelmütigen Charakter dar. Das kann der heutige Egomane gar nicht leiden.

Offizieller Filmtrailer


 

Anwalt unter Mafia-Typen

 

Nach seinem Uni-Abschluss wurde er 1971 mit 25 Jahren schon Geschäftsführer der Immobilien-Firma seines Vaters Fred Trump. Der Familien-Tyrann hatte viel Geld mit öffentlich gefördertem Wohnungsbau für sozial Schwache verdient, was Donald (Sebastian Stan) wenig behagt: In einer der ersten Szenen streitet er über Rückstände mit renitenten Mietern, die ihn mit heißem Wasser übergießen wollen. Da gefällt ihm das plüschige Ambiente teurer Nachtclubs deutlich besser.

 

Dort wird er eines Abends dem Anwalt Roy Cohn (Jeremy Strong) vorgestellt. Den ehemaligen Chefberater von Kommunistenjäger Joe McCarthy eine schillernde Figur zu nennen, wäre stark untertrieben. Als Strippenzieher und Ausputzer mit besten Kontakten in höchste Kreise umgibt er sich mit zwielichtigen Mafia-Typen. Seine Homosexualität muss Cohn vor der Öffentlichkeit verbergen, lebt sie aber hinter geschlossenen Türen heftig aus. „Fickst Du viel?“, fragt er nach den Begrüßungsfloskeln Donald: „Du siehst aus wie einer, der viel fickt.“ Soviel zum Umgangston in Cohns Entourage.

 

Heirat mit Bling-Bling-Beauftragter

 

Tagsüber geriert er sich wie ein Renaissancefürst: Frühstück im Bademantel, Assistenten flitzen herum, zwischen zwei Happen lautstarke Telefonate mit Richtern und Senatoren. Gesetze seien egal, erklärt Cohn seinem neuen Schützling: Entscheidend sei, um jeden Preis gewinnen zu wollen. Dafür sind ihm auch unlautere Mittel recht wie Erpressung mit kompromittierenden Fotos oder Tonband-Mitschnitten von Gesprächen im eigenen Haus, etwa bei orgiastischen Partys mit einem gewissen Andy Warhol. Ob er als Künstler erfolgreich sei, fragt Donald den nebenher beim Drink.

 

Abgesehen von Cohn wird Donald auch von einer starken Frau geprägt: Ivana (Marija Bakalova). Das Model beeindruckt ihn, weil es sich von einem Türsteher nicht abwimmeln lässt. Viele Rosen und teure Geschenke später heiratet er Ivana 1977. Sie wird Ende des Jahrzehnts Vizepräsidentin der „Trump Corporation“ und Innenausstatterin monumentaler Großbauten, also quasi seine Bling-Bling-Beauftragte – bis zur Vergewaltigung in der Ehe.

 

Vom Zauderer im Nu zum Großmaul

 

Sein Versprechen vom gemeinsamen Leben in Luxus ist umso attraktiver, da New York Mitte der 1970er Jahre am Ende erscheint: beinahe pleite, marode, vermüllt und voll grassierender Armut. Fast verständlich, dass skrupellose Geschäftsleute als weiße Ritter erscheinen, die mit Millionen-Investitionen der Stadt wieder aufhelfen wollen. So ergattert Donald Trump 1977 für sein erstes Großprojekt – den Umbau des 62-stöckigen „Commodore Hotel“ zum spiegelglatten „Grand Hyatt New York“ – eine Steuerbefreiung, deren Wert bis heute 400 Millionen US-Dollar betragen soll.

 

Hintergrund

 

Lesen Sie hier eine Rezension des Films "Fahrenheit 11/9" – engagierte Dokumentation über den Aufstieg von Donald Trump von Michael Moore

 

und hier eine Besprechung des Films "Die Erfindung der Wahrheit – Miss Sloane" – brillantes Porträt einer Polit-Lobbyistin von John Madden mit Jessica Chastain

 

und hier einen Beitrag über den Film "A Most Violent Year" – faszinierender Thriller über Heizöl-Großhandel (!) 1981 in New York von JC Chandor mit Oscar Isaac

 

und hier einen Bericht über den Film "Holy Spider" – packender Thriller über Prostituierten-Morde im Iran von Ali Abbasi

 

und hier eine Kritik des Films "The Real American – Joe McCarthy" – Dokudrama über den US-Kommunistenjäger der 1950er Jahre + seinen Berater Roy Cohn von Lutz Hachmeister.

 

Das Hickhack mit der Finanzverwaltung zeichnet Regisseur Abbasi ausführlich nach. Dass Trump aber auch gegenüber allen anderen Beteiligten log, trickste und sie gegeneinander ausspielte, lässt er unerwähnt; es war ihm wohl zu kompliziert. Daher bleibt ziemlich unverständlich, warum der zuvor zögerlich auftretende Donald nach diesem Durchbruch unversehens zum selbstgefälligen Großmaul mutiert, wie ihn die Welt seither kennt.

 

Funkensprühendes Kräftemessen

 

Und damit durchkommt: Fortan eilt er mit dem 1983 eröffneten „Trump-Tower“, Casinos in Atlantic City und ähnlichen Mammutbauten scheinbar von Erfolg zu Erfolg – obwohl er zeitweise am Rand des Bankrotts balanciert. Der aasige Cohn stolpert entkräftet hinterher. Aus gesundheitlichen Gründen: 1984 wird bei ihm AIDS diagnostiziert.

 

Seine Agonie, und wie ihm Trump auf großspurig-halbherzige Art beisteht, nimmt im Film viel Platz ein. Ohnehin steht dieses Duo infernale im Zentrum; das wird dank Jeremy Strong zum funkensprühenden Kräftemessen. Mit stechendem Blick agiert er so energiegeladen und kampfeslustig, dass sein sonnenbankgebräuntes Raubvogelgesicht im Wortsinne vibriert. Dagegen bleibt Sebastian Stan stets der eifrig bemühte Sohn seines Papas; man nimmt ihm die Verwandlung zum prahlsüchtigen Narzissten nicht recht ab, weil sein ausgekochtes Geschäftsgebaren kaum vorkommt.

 

Psychogramm ohne Zielpublikum

 

Was den Verdacht der Wahlbeeinflussung zusätzlich entkräftet: Der Film-Trump hat mit dem polternden Ex-Präsidenten wenig zu tun. Ihm fehlen noch die Lust an ständigen Regelverstößen, rabiater Rücksichtslosigkeit und größenwahnsinniger Selbstverherrlichung, die ihn für die Hälfte der US-Wähler so attraktiv macht. Weshalb dieses Psychogramm vermutlich nicht diejenigen ins Kino locken dürfte, für die es eigentlich wohl gedacht ist.